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amano grand central

Aufs Rooftop oder doch mal ’nen Gang runter?

Die Apartment Bar des Hotel Amano Grand Central zeigt uns: Bars verändern sich. Und nicht immer zum Guten. Ein persönlicher Erfahrungsbericht darüber, dass Qualität eben doch immer personengebunden ist.

Es ist diese ganz besondere Zeit im Jahr. Wenn die sonnenreichen Sommerstunden trinkfreudige Menschen gutgelaunt durch die Straßenzüge Deutschlands auf die Terrassen und Rooftops des Landes treiben, dann wissen wir dank Joerg Meyer, dass Zitronen jetzt doppelt so teuer und nur halb so saftig sind.

Wir wissen aber auch, auf welches Rooftop wir nicht mehr gehen. Ich sage es vorab: Verrisse sind unschön. Nicht nur für denen, der sich als Adressat mehr oder weniger als Opfer gebrandmarkt sieht, sondern auch für denjenigen, der sie schreibt oder schreiben muss. Tatsächlich ist es eher meiner tiefen Überzeugung geschuldet denn meiner Laune des niederen Spaßes, die mich dazu antreibt, hier einmal deutlich zu werden. Die Wahrheit braucht einen mutigen, der sie ausspricht, sagte einst eine unsägliche deutsche Zeitung: Wir stimmen, was diesen Satz angeht, jetzt einmal zu und nennen das Kind hier beim Namen.

Amano Grand Central: Der Zug entgleist?

Die Bar im Amano Grand Central hat nachgelassen. Einige Male war ich bereits Gast des Hotels, nicht selten verweilte ich in der Bar. Ob mit oder ohne Begleitung, eines war immer gleich: Diese absolut überflüssige, dem Job eines Gastgebers vollkommen fehlgeleitete überaus präsente Coolness, die nicht selten einfach nur peinlich aufgesetzt wirkt. Ist es mittlerweile ein Berliner-Ding geworden, Gäste nicht mehr freundlich begrüßen zu können, sie dafür aber grimmig und prollig-niederschätzend zu betrachten? Was sich langsam aber sicher auch in anderen Bars der Hauptstadt kultiviert, wird in der Apartment Bar des Amano Grand Central regelrecht zelebriert und gelebt.

Ein weiteres Einstellungskriterium dürfte neben diesem brummig-aggressiven Grund-Gesichtsausdruck auch Ganzkörpertattoos der dort arbeitenden Bartender sein, die sie wie entlaufene Statisten aus Prison-Break aussehen lassen. Halt: Wir haben nichts gegen Tattoos, uns ist das prinzipiell völlig egal. Wenn wir aber vor lauter eben dieser das Gesicht des Bartenders kaum noch ausmachen können, dann erzeugt das – vorsichtig gesagt – durchaus eine gewisse Unbehaglichkeit. Vor allem aber sollte sich jeder Gastronom darüber im Klaren sein, dass man bestimmte Dinge an der äußeren Erscheinung (etwa Mützen jeglicher Art, Jogginghosen oder eben Tattoos) zwar heutzutage durchaus in bestimmten Konzepten tragen und zeigen kann. Aber dann muss man auch abliefern. Zeigen, dass hinter der Fassade aus Nonchalance auch eine professionelle Attitüde steckt. Geschieht das nicht, macht man sich doppelt unmöglich.

„Wir machen das hier so…“

Äußerlichkeiten sollen ja bekanntlich nur die eine Seite und halbe Wahrheit sein. Was der Amerikaner gekonnt mit „never judge a book by its cover“ brandet, das sehen auch wir. Nichts wollen wir hier an Äußerlichkeiten alleine festmachen, gerne liefern wir zum Nachdenken dienenden Inhalt nach. Wenn an einem Freitag Abend zur besten Uhrzeit und bei fehlender Klientel der Wunsch nach einem Old-Fashioned zwar berücksichtigt die Art und Weise der Zubereitung jedoch mit den Worten „wir machen den hier so…“ quittiert wird und nach erneuter Kundgabe des Zubereitungswunsches der Hinweis „Wenn er nicht schmeckt, gibst du ihn zurück“ folgt, dann zeugt das nicht nur von einem zweifelhaften Verständnis von Gastfreundschaft sondern im Ernstfall dann auch von unnötigem Verschwenden an Ressourcen. Und mal ehrlich: Würfelzucker und Zesten im Glas zerdrücken: wir liebten sie alle, die 1980er.

Herrlich erfrischend ist dann der als Humor gebrandete Scharfsinn der Schlägertruppe an der Bar. Etwa dann, wenn ein gestandener, fast 60jähriger Bartender und gleichzeitig belgischer Brand Ambassador von Bacardí sich während der Bacardí Legacy ein Tablett mit vorbereiteten Drinks nehmen will, um diese an die Finalisten zu verteilen und darauf Sätze wie „Sind hier eigentlich heute nur Spasten“ vom einem zum anderen Bartender geschmissen werden.

Man muss sich nicht darüber freuen, das globale Finale einer der größten Cocktail-Competitions im eigenen Hause mit ausrichten zu dürfen. Man kann Cocktail-Competitions sogar total scheiße finden. Es so deutlich und mit derartigem Widerwillen einem jedem fast überdeutlich zu zeigen, ist töricht und vermessen. Und es zeigt, wie wenig die dort arbeitenden Bartender die Tatsache, fast 40 Finalisten aus allen Ecken der Welt sowie einigen der derzeit einflussreichsten Bar-Innovatoren begegnen zu dürfen, eigentlich juckt.

Central: Yes. Aber Grand?

Wo der Service und die Arbeit für den Gast in der Apartment Bar des Amano Grand Central eigentlich einst an oberster Stelle standen, da ist mittlerweile ein Vakuum entstanden, das mit coolem Gehabe zu überspielen versucht wird. Wo einst unter der Leitung von Magdalena Karkosz Qualität, Hingabe und Präzision bei der Arbeit an oberster Stelle standen und als Prämisse galten, da sind jetzt Lethargie und Lustlosigkeit vorherrschend und leider überaus präsent.

Wir schreiben das hier nicht, um einem erfolgreichen Konzept den Todesstoß versetzen zu wollen, sondern richten unsere Worte viel eher in Richtung Management, mit ein wenig mehr Selbstreflexion die Entwicklung im eigenen Unternehmen zu beobachten und daraus Lehren zu ziehen. Es wäre wirklich schade, wenn ein solch schöner Ort, zentral gelegen und wunderbar designt, immer weiter in die Bedeutungslosigkeit und weg vom allgemeinen Verständnis des guten Gastgebertums rutscht. Ich erinnere gerne die großen Zeiten, ich wünsche sie mir zurück.

Credits

Foto: Foto via hinterhof/Shutterstock

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