TOP

Als Bartender den Absprung schaffen

Der Beruf des Bartenders wandelt sich ständig. Nicht nur neue Techniken, Produkte und Arbeitsweisen halten ständig Einzug in die Bars, auch die eigene Wahrnehmung und die Haltung gegenüber der Profession ändern sich. Die klassische Karriere will nicht immer gelingen.
„Was studieren Sie?“ – Nicht wenige junge Bartender müssen sich diese Frage am Tresen gefallen lassen. Dass der Bartenderberuf dabei durchaus erfüllend ist, auch anerkannt wird und Freude bereitet, drang bisher einfach noch nicht zu allen Gästen durch. Man verzeihe es ihnen. Und vielleicht sollte man sich als Emporkömmling der Nacht diese Frage auch einmal gefallen lassen. Die Bar ist schließlich nicht immer lebenserfüllend und ein gutbürgerliches Leben mit Nine-to-Five-Job daher vielleicht auch eine Alternative. Oder ist das Schütteln bis zur Rente wirklich die ernsthafte Option?
Coolness auf Zeit
Der Mensch ist strebsam, auch der Bartender. Vom Barback irgendwann zum Chef geht die bunt gemalte Wusch-Karriereroute hinter dem Tresen. Das nötige Einmaleins dafür lernt man auf dem Weg dorthin – learning by doing – oder in der Berufsschule während der Ausbildung – zumindest in den wenigen löblichen Fällen, die Hotelfach von der Pike auf pauken.
Einigen hingegen ist und bleibt leider die dämlichste Phrase des Berufsstands auf den Leib geschneidert. „Wer nichts wird, wird Wirt.“ In die Gastronomie geflüchtet, weil  strategisches Denken den sozialen Fähigkeiten immer untergestellt war und der Abschluss nicht zum Studium von Architektur, Betriebswirtschaftslehre und irgendwas mit Medien genügt hat oder von vornherein nicht genügen sollte. Die Chance kreativ zu sein, bietet schließlich auch die Arbeit mit exotischen Zutaten und Spirituosen. So weit so gut. Einzig die eilende Zeit, die steigenden Ansprüche und das eigene Altern trüben den Blick durch die rosarote Brille.
Spaß auf kleiner Flamme
Arbeiten in der Nacht ermüdet, reibt physisch und psychisch auf. Mit Mitte zwanzig kein Problem. Es kann das Leben eines Rockstars sein. Coolness, Exklusivität, Sex, Alkohol und Anerkennung. Beginnen Körper und Geist jedoch zu verschleißen bleibt auch die Selbsterfüllung durch die Arbeit irgendwann aus, man wird zum Hamster im Laufrad.
Viele Bartender jenseits der 40 fühlen sich gefangen im Trott, sind als Nachtmenschen müde und überlegen dreimal, ob der Pachtvertrag für die eigene Bar verlängert werden sollte. Hinzukommen neue Werte und mit dem Alter neugewachsene Lebensmittelpunkte. Familie und Kinder bremsen den Barenthusiasmus zunehmend, freier Zeit kommt eine neue Bedeutung zu und anstelle zur Schnapsschulung geht es auf den Spielplatz.
Das „seriöse“ Leben wird verlockender, der Weg ins Gutbürgertum jedoch nicht leicht. Nach Jahrzehnten hinter dem Tresen ist ein Wiedereinstieg im eigentlich studierten oder gelernten Metier fast unmöglich. Die eigene Disziplin bröckelt durch Jahre der Selbstverschwendung, das einst erlernte Fachwissen, jenseits von Volumenprozent und Soleraverfahren, ist kaum über dem Stand von anno dazumal hinausgewachsen und wer möchte vom Rockstar schon zehn drastische Schritte zurück zum langweiligen Bürohengst machen – Matt Stigliano, heutiger Immobilienmakler und ehemaliger, langjähriger Gitarrist der Bloodhound Gang einmal ausgenommen.
Bartending ist der Weg, nicht das Ziel
Auf einem schmalen Grat, der Möglichkeit mit den Füßen im Bar- und Privatleben zu stehen, wandeln zuweilen nur wenige. Wem es vergönnt ist, eine eigene Bar so gut zu führen, dass man selbst eigentlich nur noch vorbeischaut, um nach dem Rechten zu sehen, meistert diesen Balanceakt. Ihm zugrunde liegt die essentielle Erkenntnis, dass das Mixen von Drinks keine schwererlenbare Raketenwissenschaft und Bartending immer nur eine Stufe auf der Erfolgsleiter ist.
Solche Vorbilder referieren nun für die große Bartendermasse, urteilen auf Wettbewerben über das Versuchen anderer und beschäftigen sich damit, den eigenen Namen weiter im Wert zu steigern. Dass dieser, das erarbeitete Fachwissen im Umgang mit Spirituosen, die gewonnenen Auszeichnungen und die Position in der Szene durchaus mit Gold aufzuwiegen sind, weiß darüber hinaus auch längst die Industrie.
Arbeit mit Ablaufdatum
Mit offenen Armen werden Bartender empfangen. Ob nun wirkliche Koryphäen des Fachs oder doch eher die zweite Garde, sei dahin gestellt. Ins Korsett der Markenbotschafterei gebunden, erhalten sie als szenenaher Vertriebsassistent dann ein fettes Spesenkonto, einen Reisepass mit vielen Stempeln und tendenzielle Grundzüge eines gutbürgerlichen Lebens. Nicht zwangsläufig jedoch auch die erforderlichen Qualifikationen für weitblickendes, strategisches Arbeiten. Hinzu kommt die Aufgabe mit neuer Routine umzugehen. Aufstehen am Morgen, E-Mails und Anrufe vor 9 Uhr, Zielvorgaben. In vielen bewusst verjüngten und szenigen Weltkonzernen zudem ein Beruf mit Ablaufdatum. Und dann bis zur Rente? Normaler Außendienst im Anzug?
Wer unzufrieden ist sollte den Absprung aus der Barwelt nicht verpassen. Träume von der eigenen perfekten Bar kann man in einem anderen Metier neu träumen und auch auf Cocktail Competitions muss man sich selbst und seinen Ü-25 Kontrahenten als Endvierziger nichts mehr beweisen. Hingegen sollte man wissen was einem guttut, Wehwehchen und Dauermüdigkeit nicht mit einer Kombination aus Whisky, Espresso, Ibuprofen unterdrücken, sondern stattdessen physisch und psychisch auf sich achten. Aufhören zu können ist ein Privileg – und die trinkende Seite des Tresens zuweilen auch ganz schön. Dann kann man die Arbeit des Bartenders studieren.
 

Credits

Foto: Boxhandschuhe via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker

Comments (2)

  • Matthias Straka

    Ein merkwürdig berührender Artikel, aber viel zu einfach gestrickt. Mag sein das diese Einfachheit ein rethorisches Mittel darstellen soll, nur bitte denk an die vielen Ü 40 in der Gastro. Die jeden Tag viel Spass, auch in nicht führenden Positionen, haben. Bitte vergiss auch nicht den Demographischen Wandel.
    Zum Glück haben wir in Leipzig viele Kollegen die noch im Alter ohne Psychologen auskommen, danke dafür.

    reply
  • Jean-Pierre Ebert

    Da hat jemand genau beobachtet und zugehört. Der Aspekt des Gehaltes fehlt in diesem Drama noch.
    Mir fallen wenig andere Berufszweige ein, in denen die Werktätigen derart undiszipliniert mit Geld, Zeit, Geist und Physis haushalten, wie im Bargeschäft.

    reply

Kommentieren