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Bricks Bar & Restaurant: In Oberkassel kommt der Stein ins Rollen

International inspiriert, regional interpretiert – Barchef Max Bergfried setzt in der Bricks Bar & Restaurant in Düsseldorf auf eine Symbiose aus Küche und Bar. Das Konzept widmet sich der Vielfalt deutscher Gewürze, Kräuter und Rezepte. Und verankert so den vernachlässigten Stadtteil Oberkassel im mixologischen Bewusstsein. 

 

Es war Ende November 1979, da erschien das wohl bis dato bedeutendste Werk einer nicht unbekannten, vielfach geschätzten von den Kritikern gelobten Rockgruppe namens Pink Floyd. Das Werk mit dem vielsagenden und doch zunächst wenig aussagekräftigen Titel „The Wall“ gilt heute vielen als das Magnum Opus der Band, war damals aber ein ernstgemeintes Werk in einer politisch schwierigen Zeit, vor allem Systemkritik und löste viele Diskussionen aus. Nicht zuletzt wegen des Titeltracks, „Another Brick in the Wall“, in dem es heißt: „Hey teacher, leave us kids alone. All in all, you’re just another brick in the Wall“.

Eine Kritik, gerichtet auf die Konformität der Gesellschaft. Eine Abhandlung über die Einschränkung der Individualität hin zum Mensch als identitätsloses Wesen. Das homogene Subjekt. Paradoxie erkannt? Dennoch ist die Kernaussage des Stücks von Pink Floyd auch heute noch aktueller denn je. Die Zeit, in der wir leben, ist nicht nur bestimmt von kapitalistischen Franchise-Ketten, dem Aussterben des Einzelhandels und der Kongruenz der Fußgängerzonen. Auch die Barwelt kann sich nicht davon freisprechen, alte Konzepte neu zu verkaufen, gutlaufende Projekte in Nachbarstätten unter fremden Namen zu etablieren. Never change a winning horse?!

Stein um Stein

Oberkassel klingt nicht nur wie ein Stadtteil, in dem Barkultur bis dato unbekannt blieb, er ist auch ein solcher. In dem direkt am Düsseldorfer Rheinufer gelegenen Viertel reiht sich Altbaufassade an Altbaufassade. Der grüne Stadtteil ist nicht gerade der erste Punkt auf der Karte, wenn es um gustatorische Vielfalt geht. Andererseits findet sich nichts der ewig gleichen Stadtbilder hier: keine Franchise-Ketten, keine Restaurants – weit und breit keine Bar. Dann kam das Bricks.

„Ich habe damals über mehrere Ecken gehört, dass es dem von Manfred Zimmermann finanzierten Projekt noch an Barpersonal fehle. Wir haben uns getroffen und das Bauchgefühl hat einfach gestimmt“, so Max Bergfried, Barchef und Creative Mind des im seit September geöffneten Bar- und Restaurant-Konzepts. Der junge Bartender ist wahrlich kein Neuer in der Szene. Der gebürtige Essener ist Gewinner des Newcomer Awards der MIXOLOGY BAR AWARDS 2016, Zweitplatzierter des diesjährigen MADE IN GSA-Wettbewerbs und arbeitete bis vor kurzem noch im bekannten Kölner Spirits. „Wenn du dann allerdings tief in der Nacht immer noch hin und herfahren musst, geht es irgendwann nicht mehr“, begründet Bergfried seinen Ausstieg, unterstreicht gleichzeitig aber, dass er „viel gelernt und die coole Zeit in Köln sehr genossen habe.“

Alles neu oder doch nur Retorte?

„Unser Kerngedanke beim Schreiben der Karte war es, Besonderes zu schaffen. So liegt der Fokus klar auf deutschen Produkten. Wir arbeiten viel mit Geist, Bränden und deutschen Erzeugnissen, gerne auch mal ungewohnter Natur, wie zum Beispiel Destillaten aus Fichtensprossen und Nadeln“, so Bergfried erfreut. Der heimische Aspekt steht also im Mittelpunkt der liquiden Ergüsse, kommt in der Karte mal stärker, mal schwächer zum Ausdruck. „Von oben nach unten wird es bei den Drinks auf der Karte kräftiger und würziger“, wird der gelebte Leitfaden zum Genuss definiert. So steht ein spritzig-leichter, um Fichten- und Walnuss-Noten angereicherter Sherry-Highball mit Ginger-Ale einem mit Waldpflaumenbrand, hausgemachtem Rotweinsirup, Rye und Bitters kräftig-schweren „Purple Rain“ gegenüber. Das soll es jedoch noch nicht gewesen sein. Man plane, alle drei bis vier Monate neue saisonale Drinks auf die Karte zu bringen, diese eventuell sogar komplett zu überarbeiten.

Für die kulinarischen Erlebnisse verantwortlich zeichnet sich auch Sebastian Staudinger, der zugleich Geschäftsführer des Bricks ist und zuvor mit einem Privatcatering Aufsehen erregte. So streut er immer wieder Ideen in die Karte mit ein, die ein einfaches und doch prägnantes Motto verfolgt. International inspiriert, regional interpretiert. Diese Symbiose aus Küche und Bar geht auf in einem durchdachten Konzept, das sich der Vielfalt deutscher Gewürze, Kräuter und Rezepte bedient.

Flache Hierarchien und falsche Assoziationen

Der Anspruch, das Konzept möglichst vollends zu leben, wird auch dahingehend untermauert, als dass in Zukunft zu den Cocktails kleine Speisen (zunächst wohl Desserts) gereicht werden sollen, die den Drink unterstreichen oder um feine Nuancen ergänzen. „Wir wollen hier mit den Sinnen spielen, vielleicht Farben tauschen und falsche Assoziationen setzen. Das wird auf jeden Fall spannend“, so Bergfried schmunzelnd.

Unterstützt an der Bar wird er durch Stephan Körner, der zuvor im Breidenbacher Hof gearbeitet hat. Zusammen ergänzen sich beide sehr gut. „Teamwork steht bei uns ganz klar im Vordergrund, wir haben eine flache Hierarchie, jeder macht alles, wir alle unterliegen der Rotation“, so Bergfried ausführend.

Gekommen, um zu bleiben

Bergfried scheint angekommen zu sein in seinem neuen Wohnzimmer mit Backsteinwand, moderner Einrichtung, Lounge mit gemütlichen Sofas, einem Hauch von Graffiti und wechselnder Kunst. So ist das Bricks nicht nur die neue Anlaufstelle in Sachen Bar & Restaurant in Oberkassel. Es ist vielmehr die Abkehr des Gewöhnlichen und Inkarnation der Individualität, die heutzutage so schmerzhaft vermisst wird.

Dafür bedarf es nicht immer technologischen Glanzstücken aus dem Cocktail-Lab oder Glasware aus dem Jahre 1804. Nicht immer muss es schneller, weiter, besser im Sinne der Pseudo-Kreativität sein. Es reichen da manchmal heimische Spirituosen, regionale Küche und sympathische Barleute vollkommen aus. So macht dieser “Brick“ den einen Unterschied.

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