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B.Y.O.C in London – Bring your own Cocktail

In London scheint kein Bar-Konzept undenkbar. Im B.Y.O.C. – kurz für Bring your own Cocktail – ist der Name Programm. Gemixt wird, was der Gast mitbringt. Das Konzept kommt jedenfalls an. Wer nicht reserviert, steht vor verschlossenen Türen. MIXOLOGY ONLINE wagt einen Blick hinter die Kulisse der als Saftladen getarnten Bar.

Der Ort befindet sich unweit der belebten und eleganten Einkaufsmeile Strand in Covent Garden. Niemand würde hier auf den ersten Blick eine Cocktailbar erwarten, zumal der Eingang durch einen unscheinbaren Saftladen mit der Aufschrift The Juice People erfolgt. Tatsächlich wird hier tagsüber vitaminreicher Obstsaft verkauft. Nach Sonnenuntergang werden die Jalousien jedoch herabgelassen, und nur ein schmaler Lichtschein zeigt, dass noch nicht Nachtruhe eingekehrt ist.

Der atmosphärische Einstieg in die Aura des Speakeasy wird ein wenig gestört durch die unbeholfene junge Frau, die hektisch auf ihrem Tablet-Display herum wischt, um die Reservierungen zu überprüfen. Eine Reservierung ist tatsächlich unbedingt notwendig. Der winzige Raum im Untergeschoss verfügt nur über 16 Plätze. 25 britische Pfund gilt es pro Person dafür zu entrichten, was eine Verweildauer von zwei Stunden und den Konsum von maximal fünf Cocktails ermöglicht. Das wichtigste fehlt dabei noch: der Alkohol. Der Laden verfügt über keine Lizenz, alkoholische Getränke lagern zu dürfen, und so machten die Betreiber kurzerhand ein Konzept daraus, bei dem die Gäste ihre Spirituosen, Liköre und sonstige alkoholische Zutaten selbst mitbringen.

“Oh, you are treating me well tonight!”

Jeder Neuankömmling wird zunächst neugierig gemustert. Also weniger er oder sie als Person selbst, sondern die Flaschen, die aus dem Beutel gezaubert werden und die das Improvisationsvermögen des Bartenders herausfordern sollen. Der Arbeitsplatz des Mixologen ist denkbar schwierig. In dem ohnehin schon kleinen Keller versteckt sich in der hinteren Ecke ein winziger Arbeitsplatz mit Shakern, Gläsern, Eis und den alkoholfreien Zutaten, die die Bar vorrätig halten darf. Darunter Früchte, Säfte, Kräuter, Eier oder Sahne. Dazu etliche Sirups mit vielerlei Geschmacksrichtungen. Das meiste davon ist selbst hergestellt.

Auch der Barmann selbst zeigt sich gespannt, welche Ingredienzien ihm seine Gäste heute Abend reichen werden. “Oh, you are treating me well tonight“, bekommt ein Paar zu hören, das Birnenbrand, Apple-Brandy, Portobello Road Gin und Don Julio Reposado Tequila auspackt. Eher missmutig mustert er den Nebentisch, dessen Originalität an einer Flasche Low-Budget-Vodka scheitert. Der Barbetrieb ist natürlich sehr persönlich, da die Drinks beratungsintensiv sind. Freundlich fragt der Mann am Shaker die Vorlieben der Gäste ab und entwirft Ideen, was mit den verfügbaren Mitteln möglich ist. Hier ein Smash, dort ein Sour. Stets hübsch angerichtet in aparten Gläsern. Auch das Eis ist von guter Qualität. Manchmal meint man, ein wenig zu hastig zu trinken, weil sich bereits die Neugierde auf den nächsten Überraschungsdrink einstellt.

Tauschen und täuschen

Lustig, wie zuweilen die Besucher in den Sitznischen miteinander ins Gespräch kommen. Die mitgebrachten Flaschen stehen auf den Tischen (es sind sechs) und werden ab und an getauscht. Ein Paar verlässt das Lokal und überreicht beinahe feierlich die mitgebrachte Flasche eines seltenen Rums dem jungen Pärchen, dessen romantische Ambitionen offensichtlich sind, dessen alkoholisches Reservoir jedoch eher kläglich daher kommt. Irgendwie kann der fantasiebegabte Geist sich hier doch sehr nett in das New York der 1920er Jahre versetzen. Das Speakeasy-Flair ist herrlich und die Smartscreen-Lady vom Einlass bald vergessen.

Für den reisenden Nicht-Londoner ist eine weitere Adresse sehr praktisch. Nur wenige Schritte entfernt befindet sich das wundervolle Geschäft von The Whisky Exchange. Der bekannte Fach- und Versandhändler unterhält hier ein opulentes Ladenlokal mit prall gefüllten Regalen auf zwei Etagen. Oben warten Rum-Raritäten, reichlich Gin, Tequila und eine famose Auswahl an Miniaturen. Im Untergeschoss wird dem Gerstendestillat schottischer Prägung gehuldigt und so manch schöner Probierschluck verabreichet.

Die Kombination dieser beiden Orte ermöglicht einen ungewöhnlichen und auch schmackhaften Abend. Am Ende erfolgt der Moment, in dem die Tür des Fruchtsaftladens die Gäste in die Nacht zurück entlässt und auf die ruhige Straße ausspuckt. Als hätte der Hypnotiseur mit dem Finger geschnippt und den Kandidaten aus seiner entspannten Trance wieder in die wirkliche Welt geschubst.

Credits

Foto: Covent Garden via Shutterstock.

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