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Martin Kramer aus der Charles Bar in Wittenberg im Gespräch

Luther eilt dem Ruf der Stadt in Sachsen-Anhalt bereits voraus, aber nicht nur aus kirchlicher Sicht geschieht in Wittenberg Reformation, sondern auch im Bereich der gehobenen Trinkkultur. MIXOLOGY ONLINE unterhielt sich mit Martin Kramer über seine Charles Bar und die Cocktailkunst abseits deutscher Metropolen.

Wo der Name „Wittenberg“ erklingt, ist meist Luther nicht weit. Im 16. Jahrhundert ereilte den Mönch und Theologieprofessor in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters die Erkenntnis, dass bei der katholischen Kirche nicht alles mit rechten Dingen zugeht. In diesem daher besonders für den protestantischen Glauben geschichtsträchtigen Ort leben ungefähr 50 000 Einwohner. Und wer annimmt, hohe Cocktailkunst finde nur in den großen Städten des Landes ihre Bühne, hat weit gefehlt. Unter anderem die Charles Bar macht es sich zur Mission, den Wittenbergern die zeitgemäße Mixkunst nahe zu bringen.

Jazz und Drinks in Wittenberg

Hinter der Charles Bar steht Martin Kramer. 29 Jahre jung ist der gelernte Restaurantfachmann, der selbst aus der Gegend stammt. Kramers Reise zirkuliert um die Lutherstadt, denn hier absolviert er nicht nur seine Lehre, sondern er eröffnet ebenda Jahre später auch seine erste eigene Bar. Dazwischen? Der erste Schritt führt nach Stromberg im Hunsrück, wo Kramer den Ernst des Geschäfts in einem dortigen Tagungshotel kennenlernt. Der Ruf der Bar lässt sich jedoch nicht lange ignorieren.

Also reißt er nach einem Jahr in Stromberg die Zelte wieder ab und eilt an die Seite Torsten Spuhns nach Erfurt – die zweite Stadt, die Kramer mit Luther gemeinsam hat, denn hier studierte der findige Ordensbruder und spätere Aufrührer zu Beginn des 16. Jahrhunderts an der Universität. Über die Zeit in Thüringen hat Kramer nur Gutes zu berichten: „Dort lernte ich die gehobene Barkultur kennen.“ Nach den Erfurter Tagen führt es den Suchenden dann für einige Zeit in die Nürnberger Yuni Bar.

Zurück zu den Wurzeln

Aus privaten Gründen schließt sich der Kreis nach einiger Zeit und Kramer kehrt nach Wittenberg zurück, um sich seiner Familie zu widmen. Die BitterSüß-Bar war zu dieser Zeit die einzige der Stadt, in der echte Cocktailkunst den nötigen Ernst erfuhr und die Karte bei Gin & Tonic nicht aufhörte, sondern begann.
Kramer, von Spuhn inspiriert und durch Nürnberg geprägt, sieht seine Chance und steigt für gut dreieinhalb Jahre in die Bar ein. So einige Cocktailwettbewerbe wie der Monin Cup 2012, die Merlet Side Car Competition 2011 und die Cointreau Championship 2011 pflastern den Weg des jungen Bartenders. Das lässt sich auch in der Cocktailkarte des BitterSüß erahnen, wo so mancher Wettbewerbs-Cocktail von Kramer seinen Platz findet.

Seine Erfahrung mit den Wittenbergern beschreibt er anhand von Jörg Meyers Kreation aus dem Le Lion: „Am Anfang waren alle unsere Gäste sehr irritiert vom Gin Basil Smash. Aber nach einiger Zeit haben sie ihn geliebt.“ Die Hamburger Bar ist zudem eine von Kramers liebsten. „Die Qualität wird seit Jahren gehalten, das beeindruckt mich sehr.“ Auch die Karl May Bar in Dresden hat es Kramer angetan. „Die machen hervorragende Cocktails und sind ein großartiges Team.“

Kein Mann für die Grautöne

2014 wechselt der Betreiber der BitterSüß-Bar. Für Kramer ein Stein des Anstoßes, sich der Alles-oder-Nichts-Frage zu stellen: weg aus Wittenberg oder eine eigene Bar aufmachen?
Es wird die eigene Bar, eine optimale Location ist schnell gefunden. „Wir liegen perfekt. Neben uns ein Restaurant und über uns ein Hotel.“ Der Name ist Kramers Liebe für Jazz entlehnt: „Ray Charles ist ein Pionier der Musikrichtung, das Motto Jazz fand ich generell gut und so war das Thema für unsere Bar schnell gefunden.“

Die sehr leise Eröffnung wurde am 10. Juni 2014 gefeiert und seitdem hat sich ein gewisses Stammpublikum etabliert. Ein Großteil ist quasi aus dem BitterSüß in die Charles Bar mit übersiedelt: „Ich würde unser Publikum als ‚28+‘ bezeichnen. Wir hatten es leicht mit der Charles Bar, denn BitterSüß hat ja bereits drei Jahre Pionierarbeit in Sachen Cocktailkultur geleistet und die Wittenberger herangeführt“

Cocktails für Luther

Eigentlich verbringt Kramer gerne Zeit mit Fußball und Mountainbiken, das muss jedoch momentan ruhen, was der neuen beruflichen Herausforderung geschuldet ist. „Wenn man Hobbys an dem misst, womit man viel Zeit in seiner Freizeit verbringt, dann ist Buchhaltung jetzt wohl mein neues Hobby“, gibt Kramer lachend zu.

Persönlich mag er es im Glas übrigens lieber einfach: „Ich mag nicht soviel Chichi bei meinen eigenen Drinks. Als Aperitiv bevorzuge ich einen Martinez.“ Beim Ausgehen darf’s dann auch mal Tiki sein: der Royal Bermuda Yacht Club ist da der Cocktail der Wahl.

Auch in Sachen Bartender-Klischees, über die sich besonders in der Hauptstadt so mancher gerne mokiert, sieht der junge Unternehmer die Sache entspannt: „Arroganz bei Bartendern ist mir völlig egal. Ich muss ja nicht mit ihnen sprechen.“ Wo er Recht hat, hat er Recht.

Credits

Foto: Foto via Charles Bar

Comments (1)

  • Peter

    Hallo Martin
    habe gehört du hast es geschafft alle Konkurrenten hinter dich zu lassen. Hast der Jury gezeigt was in dir steckt.Meinen herzlichen Glückwunsch.
    Wer dich kennt weiß von deinen fachlichen Fähigkeiten Meister bist du für mich schon immer und nun mit Deutscher belohnt war für mich nur noch eine Frage der Zeit.
    Bin stolz auf dich
    Peter
    Altbarkeeper

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