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The Chelsea Bar

Auf einen Drink mit Ziggy Stardust

Eine neue Generation von Expat-Bars erobert Berlin. An der neuen Mitte-Meile Torstrasse eröffnete vor wenigen Tagen The Chelsea Bar. Peter Eichorn sah sich für MIXOLOGY ONLNE in der neuen Tränke um.
Hipster, Touristen, Gestalten aus Kunst und Medien und ein sehr internationales Publikum. Die Torstraße ist schon eine kuriose Straße an der Nahtstelle zwischen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg. Eine gesellige Brücke zwischen Themse und Spree schlägt die neue Bar, die sich nach dem westlichen Vorort von London nennt. Oder ist es der Stadtteil im Westen von Manhattan?
Nein: „This is not America“, so sang David Bowie 1985 auf dem Album „Sleeping with the past“. Das raumhohe Bild des Sängers und Schauspielers am Eingang der Bar leuchtet dem eintretenden Gast fulminant entgegen. Federboa und Schminke zeigen den androgynen Star in zweideutiger sexueller Orientierung. Geboren in London und lange Zeit in Berlin beheimatet, verbindet der Mann, der mit bürgerlichem Namen David Robert Jones heißt, Großbritannien und Deutschland an der Torstraße.
Zwischen Atlantik und Spree
Noch taucht diese Straße glücklicherweise nicht in jedem Reiseführer auf, daher dürfen auch die einheimischen Berliner die rasante Entwicklung der dynamischen Meile miterleben, ohne ständig über planlose Easyjetsetter oder umherirrende Seniorenreisegruppen aus dem Rest der Republik zu stolpern. Dennoch gilt: Englisch ist die dominierende Sprache entlang der Straße und in den Kneipen, Galerien, Geschäften und Restaurants in dem internationalen Mikrokosmos zwischen Soho House, Old CCCP, Russendisco im Kaffee Burger, White Trash und Noto (North of Torstraße).
Die Chelsea Bar macht dabei keine Ausnahme. „English please“ lautet die Formel, um an Bier und Longdrink zu kommen. Die meisten Gäste bestellen am Tresen und zahlen sofort, wie es in den Pubs Britanniens üblich ist.
Die Raumgestaltung ist jedoch eleganter und mysteriöser, als in einem Pub. Schwarz ist die dominierende Farbe und die Augen benötigen einen Moment, um sich an die Umgebung zu gewöhnen. Dazu rote Hockerbezüge und ein Teppich im vorderen Bereich am großen Fenster, der den Saloncharakter unterstützt. Messingfarbene Kronleuchter, klassische Bilderrahmen und Kerzenschein bilden die Farbtupfer rings um das erhöht DJ-Pult. Zumindest, solange man das leuchtende und atmosphärisch fragwürdige Branding durch Bremer Bier, Bullen und Hirsche ausblenden kann.
Zwischen Berlin und Singapur
Das Personal zeigt sich herzlich und motiviert. Ein leichter Duft nach frischer Wandfarbe umweht die Räumlichkeit, die erst vor wenigen Tagen öffnete. Ebenso frisch wirkt das Engagement von DJ und Tresenkraft, die bereitwillig auf die Fragen der neugierigen Gäste eingehen. „Wer ist der Mann auf dem Bild?“, „Was ist dieses Staropramen?“, „Sucht ihr noch DJs?“
Die Chelsea Bar soll eine freundliche Dive-Bar mit anspruchsvollem Musikprogramm sein. Bier, Longdrinks und DJs am Wochenende. Dunkel, intim, beinahe leicht kuschelig an den Wochentagen.
Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Fußball Fan-Kneipe, wie ein enttäuschter junger Engländer feststellen musste, der gerne auf das 2:0 des FC Chelsea über Paris St. Germain angestoßen hätte. Ein St. Germain Holunderlikör war im Backboard der Bar auch nicht zu sehen und so begnügte er sich mit einem Cider aus Berliner Produktion, was ihn aber durchaus zufriedenstellte.
Eine laminierte Getränkekarte mit Schnäpsen, Bieren, Longdrinks und einer sehr kleinen Cocktailauswahl hat einen eher vorläufigen Charakter und wird wohl an den Tagen zum Einsatz kommen, wenn die Bar voll ist mit jenen, die ansonsten auch gerne King Size oder Kitty Cheng bevölkern.
Eine ordentliche Spirituosenauswahl und vorgekühlte Gläser ermutigen zu der Bestellung eines Cocktails. „Oh, ein Raffles Sling. Den habe ich noch nie zubereitet!“, strahlt die freundliche, grünhaarige Bardame. Wer würde nicht einer solchen Premiere beiwohnen wollen? Und bei so viel Enthusiasmus nickt der Gast auch die intensive Zitrone wohlwollend ab und interpretiert sie als gesundheitsfördernd.
Bei näherer Betrachtung der Karte mutet die Zutatenliste des Sling etwas kurios an, kommt doch Angostura, Soda, Ananas, Cointreau und mehr in der Aufzählung vor und kombiniert so den klassischen Singapore Sling mit der fruchtigeren Variante aus dem Raffles Hotel. Im Glas fand sich glücklicher Weise die zweite Variante und keine Mischung aus beiden. Die Longdrinks und Cocktails liegen preislich bei sechs bis acht Euro.
Zwischen Brooklyn und Hogwart
Ein weiterer Blick auf das DIN A 4 Blatt verrät: „We do have a decent bar menu. Please ask at the counter.“ Wir verfügen durchaus über eine anständige Bar Karte. Bitte am Tresen nachfragen! Die Nachfrage musste die sympathische Bardame zu ihrem größten Bedauern leider abschlägig beantworten. Sie ist noch nicht fertig. Aber sie berichtet von einem der Mitarbeiter, der über hohe Cocktailkompetenz verfüge. Sie nennt ihn „Cocktail Wizard“. Ein Zauberer. Ein paar Tage wird es noch dauern, bis die Karte dann vorliegt.
Keinen schlechten Trost bietet bis dahin die ordentliche Bierauswahl. Neben einigen Standards wie Beck´s stehen auch Staropramen, Löwenbräu Urtyp und sogar das feine Brooklyn Lager.
The Chelsea Bar. Eine vielversprechende Neueröffnung im östlichen Teil der Torstraße. Ein schöner Raum, grandiose Musik und zur Getränkeauswahl macht sich jemand einige sehr gute Gedanken.
Vielleicht gibt es ja die richtige Cocktailkarte zum Champions League Halbfinale, dann darf Chelsea sich erneut beweisen. Demnächst also dringend wieder vorbeischauen bei David Bowie und dem „Cocktail Wizard“.

Comments (5)

  • Jens

    Jetzt nur noch mal für mich (eine kurze Google Suche gibt mir nur eine leise Idee): wie genau definiert sich eine “Expat Bar”???
    1000 Danks!

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  • Daniel

    Die Frage stelle ick mir allerdings och, bin jespannt wie´n Flitzebogen… 🙂

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  • Peter Eichhorn

    Berechtigte Frage. Expat leitet sich von Expatriate ab und beschreibt jene Leute, die länger im Ausland leben und/oder arbeiten. Vor Ort finden sich diese Expats oft mit weiteren Leuten aus der Heimat zusammen, um Feizeitgestaltung, Austausch, Geselligkeit usw. zu initiieren. Teils spontan, teils organisiert (siehe z. B. .
    In den Metropolen etablieren sich auch oft Restaurants oder Bars zu beständigen Treff- und Anlaufpunkten für verschiedene Nationalitäten. Die Sprache der jeweiligen Heimatländer ist dort meist mehr zu hören, als die des Gastlandes. In Berlin wären Bars wie das Redwood oder John Muir weitere Beispiele für solche Expat-Bars.
    Ich hoffe, so wird ein wenig deutlicher, worauf der Begriff abzielt.
    Cheers,
    Peter

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  • Max

    warum klingt das für mich nach 8mm Bar in neu?
    warum wird die 8mm bar nicht erwähnt?

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