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Markus Wellers königlicher Schlummer-Trunk

Später Sonnenbrand und ein knapper Sieg das war das Finale des Colegio del Brandy, dem Cocktail-Wettbewerb von Carlos I in Spanien.  Neben dem Leipziger Siegerdrink bleibt aber auch Charles Schumanns Sahne-Trick in Erinnerung.

Es war eine gelungene Premiere – und das nicht nur, weil die Finalisten des „Carlos I Colegio del Brandy & Competition“ abends von 31°C auf der Terrasse der Strandbar El Buzo empfangen wurden und einige auch gleich ins Meer sprangen. Denn erstmalig hatte die Marke aus dem Familienunternehmen Osborne, das bei Brandy in Deutschland einen Anteil von 90% hält, zum Wettstreit geladen. Der Contest unterstreicht die Wichtigkeit des deutschen Marktes für die von Reidemeister & Ulrichs importierte Spirituose aus dem Sherryfass. Und auch die Barszene scheint das Getränk zu lieben: aus 130 Einreichungen schafften es 30 ins Finale, krankheitsbedingt reduzierte sich das Feld in El Puerto de Santa María leider um Vito Nicotra aus der Kasseler King Schulz Bar, der absagen musste.

Die 29 Teilnehmer, darunter sechs Bartenderinnen, erlebten nicht nur die Brandy-Bodega hautnah, sondern erhielten auch eine Führung durch das Sherry-Haus der Osbornes. Doch diese Tour, gekrönt vom Abendessen mit Conde Tomás Osborne Gamero-Cívico persönlich, dem Chef des 1772 gegründeten Unternehmens, folgte erst nach dem umkämpften Bewerb, in dem am Ende ein einzelner Jury-Punkt den Sieg entschied.

Improvisationen im Sherry-Dreieck

„Arbeitsfläche wird der Tresen sein und die spanischen Eiswürfel sind faustgroß“, stellte Uwe Christiansen die Arbeitsbedingungen in der Wettbewerb-Location Kapote vor. Der Hamburger Bartender hatte es unternommen, die auf Longdrinks spezialisierte Bar im Zentrum der Sherry-Stadt auf Competition-Tauglichkeit zu trimmen. Bis zuletzt wurde nach Sirups gefahndet oder Gefäße für den Impromptu-Sirup von Alice Kuperman Noguiera (Generator Berlin Mitte) gesucht. Christiansen bildete mit Jürgen Deibel und Charles Schumann die Jury, die bereits im vorangegangenen Workshop für die Finalisten die Aromen des Brandy aufschlüsselten. Etliche Rezepte nahmen auf diese Vertiefung in die Carlos I-Welt Bezug, wie Christiansen zufrieden anmerkte.

Die weinige Seite betonte etwa Malte Stark, der für „Grape meets Grape“ Carlos I mit drei weiteren Varianten der Weintraube, darunter Weinsirup auf Shiraz-Basis, und Kardamom Bitters verband. Bei Brandy denkt man natürlich immer auch an die gute, alte Crusta — und tatsächlich gab es zwei Beiträge in diese Richtung im Kapote: Thomas Immenroth (Mini Bar/Hannover) lies für seine „Crusta de Jerez“ PX-Sherry, Balsamico, Butter und angeräucherten Rosmarin interagieren. Bei Nils Hoffmanns modernem Twist (Mojito’s/Düsseldorf) spielte Agavensirup eine wichtige Rolle.

Punch, Eggnogg und Crusta

Bei einer Spirituose wie Brandy, die schon in den Anfangszeiten der modernen Cocktailkunst eine wichtige Rolle spielte, sind Kreativexzesse natürlich heikel. Umgekehrt kann man in einem traditionellen Serve auch einen Mangel an Phantasie sehen. Sehr deutlich wurde das an Dirk Kampas Beitrag. „Ein Brandy-Drink sollte nach Brandy schmecken“, meinte der Würzburger (Joe’s Bar & Cantina). Mit Chartreuse, Peychaud Bitters und Antica Formula erinnerte der Drink an den Sazerac. Zu klassisch? Jedenfalls zu kräftig, zu maskulin war der würzige Cocktail für Teile der Jury, während ihn Charles Schumann explizit lobte.

Für die traditionelle Seite der Spirituose standen gut die Hälfte der Cocktails von El Puerto de Santa María. Thomas Lang, der das Frankfurter Roomers übrigens in diesen Tagen verlässt (und prompt ein „Komm zu uns!“ von Charles Schumann erntete), zitierte etwa die Punch-Kultur. Und das war durchaus wörtlich zu verstehen, als er das Rezept seines „Suncho Puncho“ als gereimte Abwandlung der Erst-Erwähnung des „Planters‘ Punch“ in der „New York Times“ (1908) zitierte: „Of Old Spanish pour three strong, and add four parts of weak. Then mix and drink. I do no wrong — I know whereof I speak”. Auch André Pinz (Imperii/Leipzig) entschied sich mit seinem mit Goldspray servierten, trockenen Eggnogg für eine sehr traditionelle Gangart.

Die moderne Brandy-Fraktion

René Förster (Twist Bar im Innside Hotel/Dresden) stand mit seinem „Flamenco Bier“ – serviert in der Bierflasche und auf Ginger Beer und Bergamotte-Sirup aufbauend – ebenso wie Moritz Billina (Falk’s Bar im Bayerischen Hof, München) für eine modernere Gangart. Mit der Startnummer 1 hatte der Bayer „die Aromen von Carlos I auseinander gebaut“ und ergänzte die nussige Seite mit Sherry, während Passionsfrüchte und eine Kräuteressenz seinem „CDP“ die Frische verliehen.

In Erinnerung blieb auch Lea Radtkes (Williams Bar & Kitchen) im Rührglas gebauter „Carlos Rotura“: „Eigentlich als Smash mit frischer Minze gedacht“, entschied sich die Düsseldorfer Barfrau in letzter Sekunde für einen Sirup aus Kirsche, Minze und Habanero-Chilis, gegen dessen Schärfe sie Mozart Dry, Limettensaft und Orangen zur Abrundung verwendete. Jörg Kalinke (Hohoffs 800°/Hagen) wiederum servierte mit seinem „Carlos Reglisse“ eine Variante mit Süßholz („an der Bar unterschätzt“) und Pflaumenmus. Er fungierte auch als inoffizieller Kameramann bis in die letzten Stunden des Spanien-Trips.

Charles Schumann greift ein

Die Improvisation vor Ort traf vor allem die „Carlita“ hart, den von Antonia Krüger (Lido Bar im Strandhotel Duhnen/Cuxhaven) vorgelegten „vollen Mädchendrink”. Denn die frische Sahne, die neben Maracujasirup, frischer Mango und Karamell-Vanille-Sirup den letzten Schliff geben sollte, war vor Ort nicht aufzutreiben. Beim Floaten mit der Sprühsahne griff dann Charles Schumann ein. Nach ersten Versuchen mit einem größeren Löffel entschied der Münchener letztlich, „besser geht es ohne“ und finishte behutsam den zweiten Drink der Bartenderin. Eine große Geste – und symptomatisch für den Zusammenhalt der Carlos I-Gemeinde insgesamt.

Der 74jährigen Bar-Legende war es auch vorbehalten, die Jury-Entscheidung zu erläutern: „Es war für uns extrem schwierig zu entscheiden“. Die verschiedenen Richtungen, in die mit dem Brandy gegangen wurde, hatten in der Jury, der auch MIXOLOGY angehörte, für lange Diskussionen gesorgt. Schumann selbst outete sich etwa als ein „Süßer“.

Neue Bundesländer vorne

Letztendlich gewann ein balancierter Drink, „der als Schlummertrunk eines König swürdig sei“. Markus Weller hatte die Würzigkeit des Brandys mit seiner Kombination herausgearbeitet – neben Kamillentee und Chocolate Bitters gaben Sherry und Bénédictine seinem „King’s Nightcap“ die Aromenfülle. Mit dem ansprechenden Glas samt Goldrand passte der Siegerdrink auch gut zu Schumanns Plädoyer für minimalistischere Drinks („Noch ein Brett, noch eine Garnitur, dahinter verschwindet oft der Cocktail“).

Geographisch gesehen räumte der „Osten“ mächtig ab in Andalusien: denkbar knapp hinter Weller platzierte sich Sebastian Wachs (Hotel Bülow Palais/Dresden). Als Sour-Variante servierte er Carlos I mit Oloroso-Sherry, Thymian und Eiweiß. Die Dritt-Platzierte, Cordula Langer aus der Bryk Bar in Berlin, setzte hingegen mit ihrem einfachen Drink auf Inspiration aus dem Supermarkt – dort hatte sie die Kombination aus Erdbeeren und Rucola entdeckt, die ihren fruchtigen „Aperitif mit Freunden“ trug. Der Trommelwirbel mit den Muddlern, den sie sich von den Kollegen als Begleitung zum Shaken wünschte, gebührte aber sicher allen Teilnehmern.

Credits

Foto: Fotos via Miguel Paez

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