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Das Frankfurter Bahnhofsviertel, das neue Image

Ein Spaziergang und eine Betrachtung über die wechselvolle Geschichte des weltberühmten Bahnhofsviertels. Vom ländlichen Vorort, über noble Villenbebauung, bis zum Amüsier- und Rotlichtbezirk. Berühmt geworden durch die Edelprostituierte Rosemarie Nitribit und deren Ermordung in den 50er Jahren. Nun vollzieht sich wieder eine kleine Richtungsänderung. Die Szene hat das Viertel entdeckt und mit ihr die Bars.
Das Bahnhofsviertel erfindet sich gerade neu, dabei ist es doch eines der ältesten Szeneviertel in Frankfurt. Die Entwicklung lässt sich zurückdatieren bis auf die Anfänge des 18. Jahrhunderts. Gutshöfe und vereinzelte Landhäuser der vornehmen Gesellschaft dominierten den Raum vor der Freien Stadt Frankfurt, wie sie ab 1816 genannt wurde. Mit Voranschreiten der Industrialisierung erschlossen Villen mit prachtvollen Gärten den Bezirk. Tatsächlich eine anstrengende Vorstellung, wenn man die Gegend in seiner aktuellen Verfassung kennt.
Die lose Villenbebauung hatte spätestes nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Zenit erreicht. Nach der Besatzung durch die Amerikaner folgten bereits schnell die ersten Zweckbauten und ein reges Nachtleben, vor allem das Geschäft mit den Liebesdiensten entwickelte sich.
Mythos im Wandel
Wenn wir über das Bahnhofsviertel in Frankfurt reden, müssen wir davon ausgehen, dass viele es vermeintlich kennen, ohne bereits vor Ort gewesen zu sein. Ein ist Mythos entstand, Geschichten werden erzählt ein Image geboren, gelebt und kultiviert. Seit den 2000er Jahren hat die Gegend einen starken Wandel durchgemacht. Fixer sind von der Straße verschwunden dank ständiger Polizeipräsenz. Das Bahnhofsviertel ist eher charakteristisch als Vergnügungspark für Junggesellenabschiede. Was sich früher in (Alt)-Sachsenhausen abgespielt hat, verlagert sich immer mehr in die Straßenzüge rund um die Taunus- und Kaiserstraße.
Noch stellt es eines der wenigen leichtlebigen Viertel in Frankfurt dar. Es ist wild, nachts hell, ständig belebt, ein zarter Schleier von Kriminalität legt sich über die Straßenzüge und es besitzt eine ungemeine Anziehungskraft. Mieten sind günstig, die Anbindung ist hervorragend. Erkannt haben das bereits vor Jahren Studenten und Immobilienbesitzer. Die Preise steigen, die Szene wird größer. Vernunft und Intellekt halten Einzug. Es gibt kein anderes Viertel in Frankfurt das einem so munteren Wechsel der Kulturen unterliegt. Multikulti zum Quadrat. Es wandelt sich alle vier Jahre, so sagt man.
Es ist angerichtet
Das Bahnhofsviertel bietet tatsächlich alles. Sterne-Hotellerie am einen Ende, am anderen sitzt man in der Frittenbude. Frankfurt kann auf kleinem Raum viel, das ist bekannt. Hier könnte man fast meinen, es stapelt sich die Gastronomie.
Ehrlich, authentisch, ohne Maske sind Stichworte die man immer wieder im Zusammenhang mit dem Bahnhofsviertel hört. Aber ist das immer noch der Fall? Oder wird es bereits zu einer Schaubühne der hippen Szenekultur im Frankfurter Nachtleben verzogen? Ein Umstand, den doch genau die Menschen, die eine authentische Umgebung doch so sehr schätzen, immer vermeiden wollten. Dreckig ist in, in sein ist out. Wer da ist, ist uncool, wer nicht da ist noch mehr. Rund um den Rotlichtbezirk muss man sich nicht verstecken, die ehrliche Unschuld verträgt sich hervorragend mit der Harmonie im senkrechten Gewerbe. Es entspricht immer dem Ruf seinem Ansehen gerecht zu werden und seine Persönlichkeit nicht zu leugnen.
Ich sehe was, was du nicht siehst
Dieses Authentische zieht natürlich auch die Gastronomie an und ein Marketingkonzept zum Thema Subkultur braucht eine neue Bar im Bahnhofsviertel nicht. Das ist im Mietpreis in einem der begehrten Läden bereits enthalten. Die Nachfrage im sonst so herausgeputzten Frankfurt ist gewaltig, wie sich am Zuspruch, den der Bezirk im den letzten Jahren erfährt, ablesen lässt. Die Szene hat Bedarf, ein Bedürfnis, das durch gekonnte Inszenierung befriedigt wird. Die Konzepte zielen meist auf alt, verbaut, heruntergekommen. Äußerlich ja, aber im Kern glänzt die Maschinerie der bekannten Gastronomie.
Bei unserem letzten Besuch in Frankfurt, es war kurz vor 3 Uhr nachts, mussten wir mit Bedauern feststellen, dass die Mitarbeiter der Bars bereits in eifrige Feierabendvorbereitungen vertieft waren. Ungewohnt wie wir finden, dass eben jener Szenetreff, der selbst im Winter mit farbenfrohem Lichtspiel die Morgensonne begrüßt, bereits um eine so frühe Uhrzeit die Türen schließt.
Vergöttert und vergessen
Und der Dresscode? Er wird schlicht nicht verlangt. In Sneakers, Shirt und Jeans wird einem Durstigen nie der Eintritt verwehrt. Anzugträger findet man hingegen selten, nachdem die Sonne untergegangen ist.
Wie lang das Viertel sein neues Image halten kann, vermag keiner zu beantworten. Am liebsten für immer, denn auch der Umschwung trägt seine Last in Zeit und Geld. Trotzdem, ein Viertel, das sich selbst treu geblieben und ergeben immer seinem bekannten Geschäft nachgegangen ist, lässt sich bestimmt nicht von einem periodischen Trend in die Knie zwingen. „Ein Ort des Fortschritts“, so beschreibt es das Frankfurter Bahnhofsviertelforum. Einen Richtungswechsel lässt sich ständig beobachten, doch wechselt dieser bisher eher die Straßenseite als die Laufrichtung.
Ausgehtipps im Bahnhofsviertel
Adressen, die für uns immer wieder einen Abstecher in das Frankfurter Bahnhofsviertel wert sind, sind eindeutig die Bristol Bar. Wer lieber die Atmosphäre einer Hotelbar vorzieht, sollte es sich nicht nehmen lassen auf einen Drink in der Roomer´s Bar vorbeizuschauen. Richtig urig und gemütlich wird es aber erst im Moseleck, der ältesten Kneipe im Kiez. Auf einen anständigen Burger geht’s zu Fletcher´s Burger. Für den großen Hunger setzt man sich ins Walon & Rosetti.
 
Bristol Bar
Ludwigstraße 15
60327 Frankfurt am Main
bristol-hotel.de/bar
Roomer´s Bar
Gutleutstraße 85
60329 Frankfurt am Main
roomers.eu/bar
Moseleck
Moselstraße 21
60329 Frankfurt am Main
moseleck-ffm.de
Fletcher´s Better Burger
Münchnerstraße 11
60392 Frankfurt am Main
fletchers-frankfurt.de
Walon & Rosetti
Moselstraße 15
60329 Frankfurt am Main
walon-rosetti.com

Credits

Foto: Kaiserstrasse in Frankfurt via Shutterstock

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