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Charles Schumann – Der Ewige

Das Schumann’s ist eine Münchner Legende. Doch fällt man hier immer noch in ein tiefes Loch, aus dem einen nicht mal mehr die Feuerwehr rausholen kann?

Charles Schumann ist eine Legende. Und das als Barmann. Barmänner sind selten eine Legende. Vielleicht noch unter Säufern und Berufskollegen. Aber nicht da draußen in der Welt. Manchmal schreibt ein Männermagazin über Barmänner. Aber – sind wir mal ehrlich – Barfrauen sind viel interessanter.

Charles Schumann ist der Inbegriff des Münchners. Frotzelnd freundlich, stets tänzelnd, immer ein Späßchen auf den Lippen. Oder einen großen Spruch. Monaco-Bavaria, wie er es uns verkauft. Ein bisschen Nach-dem-String-Schielen. Das alles ist definitiv nicht Berlin.

Charles Schumann heißt laut Geburtsurkunde Karl Georg Schuhmann, hat die Siebzig längst überschritten, kommt aus einem Kaff in der Oberpfalz und war einst Aktenträger im Auswärtigen Amt. Gott sei es gedankt, dass aus dieser Karriere nichts geworden ist. Schumanns erste Bar war der berühmteste Busen-Penis-Po-Bahnhof der Münchner Schickeria. Damals stand noch die Mauer und bei Schumann’s standen die Gäste dicht gedrängt vor einer unsichtbaren Mauer, die die mächtigen Tische umgab. Hinsetzen durfte sich keiner, denn viele Plätze trugen die Namen diverser bayrischer Prominenter, deren Eintreffen vielleicht noch zu erwarten war. So blieben einige Stühle den ganzen Abend leer. Das bedeutete zwar Einnahmeverlust, doch stellte eine klare soziale Rangordnung her.

Das Cocktail-Hofbräuhaus

2003 ist Schumann umgezogen. Die neue Bar ist größer, essen kann man schon ab acht Uhr morgens (leider kocht Schumann nicht mehr, er ist ein exzellenter Koch) und trinken sogar bis drei Uhr früh. Sagenhaft. Für München.

Eine gute Legende kann loslassen. Und Schumann ließ los, ließ die Bar mit seinem Namen einfach eine gute Bar sein und wurde Fotomodell. Zwischen den Urlauben und anderen entspannenden Tätigkeiten. Das Leben meinte es gut mit ihm. Er hat das rechtzeitig begriffen.

Das Schumann’s ist heute längst kein abgedroschener Laden. Nein, es ist immer noch Pilgerstätte, halb Touristen, halb Münchner – ein Cocktail-Hofbräuhaus. Die Nacht beginnt hier früh, schon gegen 22 Uhr tobt das kleine Glück im großen Saal. Die Hipster sitzen anderswo, nur nicht im Schumann’s. Wer war das noch schnell?

Beruhigend, dass man hier auch auf einfache Leute trifft. Etwa Barbara aus Hohenzellirgendwas, die ihr Fahrgestell grell getunt hat. Sie fordert den neben ihr stehenden Mann zum vierten Mal auf, ihr endlich ein Glas Schampus zu bestellen. Der Typ aber ‒ eher grau als grell ‒ liest angestrengt in der Karte und will für beide einen komplizierten Cocktail ordern. Sie will saufen, er will Auto zusammenbauen ‒ die Tragödie des deutschen Mannes wird in dieser Schumann’s-Nacht noch öfter sichtbar werden.

Um elf stehen sie gruppenweise zusammen. Männer in Männergruppen und Frauen in Frauengruppen. Und weil morgen ein Wochentag ist, und weil man für Koks in Bayern immer noch in den Gulag kommt, schauen Männer und Frauen öfter mal auf die Uhr, anstatt in fremde Gesichter. Die Zeit wird knapp. Noch haben sie keine(n) abgeschleppt und werden ihre Angel auch ohne Fang einholen. Was ist aus der Hauptstadt des Anbandelns bloß geworden?

Ein Gimlet, noch ein Gimlet, ein Gin-Fizz, ein Negroni. Die Gimlets sind erste Sahne, der Negroni jedoch schmeckt deutlich bitter. So als wollte der Barmann einen Schlussstrich ziehen. Deswegen hinauf in den ersten Stock. Dort hat Schumann das Les Fleurs du Mal hingestellt, einen fast zehn Meter langen Tischtresen, wo man intimer trinken kann. Auf Teppichboden.

Die Blumen des Bösen

Die Blumen des Bösen – da ist München wieder bei sich. Wenn schon intellektuell wirken, dann muss das Intellektuelle populär und simpel sein. Und auch ein bisschen billig. Billig sind die vielen offenen alten Portweine hier oben leider nicht. Doch scheiß drauf: so eine geniale Auswahl gibt es nirgendwo in der Republik. Da kann man sehr glücklich werden ‒ vorausgesetzt, man interessiert sich für alkoholisierten Fruchtsaft.

Die Frauen im Fleurs sind deutlich schöner. Die Männer leider nicht. Nur ein bisschen eleganter. Und selbstredend redet man hier oben nicht über Aufriss, Gstanzl und Schnacksln, sondern über Geschäftsabschlüsse. Der Teppichboden frisst nur Geräusche. Und leider nicht die Langeweile, nicht die Langeweiler selbst.

Bevor der Kopf vor Müdigkeit wieder auf die Tischplatte knallt, schnell wieder hinunter zum Volk, das sich langsam verdünnisiert. Um ein Uhr früh wird es intimer im Schumann’s, und ab und an ist nun auch ein Platz an einem Tisch frei. Doch fehlt das Tüpfelchen des Irrsinns. Eine Bar, die zwei Stunden vor Schluss mit dem Schließen kokettiert, ist kein guter Ort, bis zum Ende zu bleiben. Gibt es hier noch was zu erleben?

Am Nebentisch reden sie jetzt ernsthaft über Cocktails. Zusammensetzung und so. Welcher Gin? Das beschäftigt die Leute viele Minuten lang. Am anderen Nebentisch schieben sie sich die Zungen in die Münder. Anderswo wäre dieser späte Moment Teil einer Fortsetzung. Hier hingegen hat man sich mit dem Ende arrangiert. München ist eine Stadt, in der die Leute noch Verpflichtungen haben.

Vor der Türe warten viele Taxis, ein Eingeweihter raunt einen Ort in der Maxvorstadt zu, an dem es noch ein paar Getränke geben soll. Und Leben. Doch das braucht München nicht. Nach einem Abend im Schumann’s freut man sich auf eine Daunendecke. Auch im Sommer.

 

Dieser Text erschien erstmals in der MIXOLOGY 2/2015.

Credits

Foto: C. Schumann via Benjamin Schmidt

Comments (4)

  • Joerg Meyer

    Ein irgendwie dann doch mittelmässiger Text über den vielfältigen, komplexen und interessanten Menschen Schumann und seine großartige Bar.

    Naja, auch ein großartiger Autor liefert mal einen nicht so großartigen Text. Vielleicht wie ein später Negroni, der einem an einigen Abenden plötzlich zu bitter schmeckt.

    “Das alles ist definitiv nicht Berlin” … und das ist auch gut so.

    Gruß

    Joerg Meyer

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  • Willi

    Ergänzend zum Text:
    https://www.youtube.com/watch?v=N4ksADsX8mU
    – eine großartige Hommage an diesen Mann zu seinem 70. Geburtstag. Sehr sehenswert!

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  • Goncalo

    … auch wenn ich den Artikel lediglich überflogen habe;

    Charles ist defenitiv der Ewige;
    wenn ich mich recht erinnere, war Charles sowohl für mich, wie auch für Jörg, die große Inspiration als wir noch Windeln trugen.

    Diese scheinbare Gemeinsamkeit Eurerseits Berlin überhaupt zu thematisieren verwundert mich.
    Der Berliner, in sich, vergleicht sich mit Niemanden.
    So Isser.

    Icke, als Zugezogener bin gerne Überall, wo es gut ist. Egal wo.

    Enjoy,
    G.

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  • nick

    Franz Brandl, Charles Schumann, ich finde in dieser Rubrik sollte man Uwe nicht außenvor lassen. Ist am Boden geblieben, menschlich und immer auf einen plausch zu haben. Ich kenne Schumann nun seit etwa 10Jahren, wenn ich auch nicht zu seinen vertrauten zähle und die bekanntschaft mehr flüchtig ist ziehe ich den Hut vor Ihm. Er macht es richtig hat einen PR und vermarktet sich. Zur rechten Zeit am richtigen Ort das gibt es nicht mehr! Bekannt wird man nicht durch Drinkkreationen denn die Rezepturen sind meist nach einer Saison wieder vergessen oder verstauben im Buch. Bekannt wird man durch PR.

    Leute egal wie viel Gas ihr gibt, egal was ihr macht, egal was ihr sein wollt. Die Zeit eine Legende wie die 3 berümtheiten zu werden, ist vorbei. Außer ihr seit Millionäre, blonde Promis mit prallen Fingernägeln;-) oder eine lesbische Päpstin.

    Nick

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