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FÜNF! MAL DER GERN GESEHENE GAST

Sie bestechen durch Geduld und Großzügigkeit oder fungieren als freiwillige Promoter. FÜNF! Gästetypen, ohne die eine Bar nicht auskommen kann. Und ohne die eine Bar auch nicht auskommen mag. Ein Plädoyer auf den Gast, der oft auch ein Freund sein kann.

Jeder Gast ist gleich. Das bedarf gemäß seiner Definition als zahlendes Klientel keiner weiteren Erklärung, entzieht sich allerdings dennoch nicht einer gewissen Widersprüchlichkeit. Zwar mag die Intention des Besuches, das Verbleiben in der Bar und auch die selbstverständliche Gleichberechtigung das Service betreffend durchaus eine gewisse Homogenität aufweisen, doch unterscheiden sich die Gäste von ihrer persönlichen Geschichte, ihrem Charakter und dem daraus resultierenden Verhalten im Grunde fast immer elementar. „Jeder Gast ist gleich“ – somit eine Halbwahrheit mit Trugschluss.

Kürzlich berichteten wir über die grässliche Seite des Gastes, den egozentrischen Zeitgenossen voller Selbstüberschätzung, mit wenig Taktgefühl und noch weniger Geschmack ausgestattet. Ein häufig unsympathisch-geiziger Barbruder, der mit fortschreitendem Alkoholkonsum mehr und mehr die Gunst des Bartenders verliert. Ja, diesen Gast gibt es. Er wird gefürchtet. Wir Bartender lieben allerdings unsere Gäste. Das liegt vor allem eben daran, dass es auch die andere – prozentual auf die Gästemenge umgeschlagen ungleich größere – Seite gibt, die uns Bartender mit ihren positiven Eigenschaften häufig verzückt und uns das unmögliche Verhalten derer, die sich nicht benehmen können, vergessen lässt. FÜNF! dieser ganz speziell-liebenswerten Gäste stellen wir heute vor.

Der Nachsichtige

Der Beruf des Barmannes ist ein Multi-Tasking-Job. Viele Prozesse gehen oft Hand in Hand oder laufen gleichzeitig ab, wir kassieren im Stress mit der einen Hand und öffnen den Filler für den Fizz mit der anderen Hand. Häufig – das ist ungelogen und nicht selten zu beobachten – ist die Bar schlichtweg gar nicht auf den sich im Etablissement bewegenden Gästestrom ausgelegt. Dem Bartender wird hier also eine noch größere Aufmerksamkeit abverlangt, er übernimmt zusätzlich Aufgaben des Services, um über die Gästescharen Herr werden zu können. Diese Abende gibt es und sie sind verdammt anstrengend.

Wie schön ist es, an solch Abenden Gästen zu begegnen, die aktiv von ihren Augen Gebrauch machen und den Stress miterleben. Nicht alle, aber eine große Mehrheit dieser aufmerksamen Fraktion zeigt dann – eben auch wenn die Zubereitung ihres Cocktails zehn Minuten mehr Zeit beansprucht, ihr Drink zunächst zum falschen Gast wandert oder im schlimmsten, ja allerschlimmsten Fall vergessen wird – Nachsicht. „Patience is a Virtue“, sagt man so schön, doch in der Bar ist Geduld nicht alleine eine Tugend, sie ist häufig eine Rarität und trennt die Spreu vom Weizen. Die wahrhaftige Duldsamkeit und das offensichtliche Verzeihen von Fehlern macht den Gast groß und bringt ihn in unsere Gunst. Bartender sind nämlich in erster Linie auch nur Menschen, und diese sind vor Fehler nicht gefeit. Errare humanum est. Quo usque tandem, bartender, abutere patientia nostra?

Die Großzügigkeit

Eng mit der Nachsichtigkeit verbunden ist die Großzügigkeit. Wort- und bedeutungstechnisch ist sie nämlich ein zweischneidiges Schwert im mehrdeutig Gewand. So lässt der in ihr enthaltene Tenor nicht nur auf die monetäre Wertschätzung einer gewissen Situation, sondern vor allem auch auf die tolerante Beurteilung des Momentes übertragen. Gerade dieser Doppelsinn im Wort birgt für den Barmann häufig die größten Enttäuschungen, sind es doch manchmal gerade die sympathisch-aufgeschlossen und sehr tolerant erscheinenden Gäste, die jene gleiche Wertschätzung beim Tip nicht mehr einfließen zu lassen scheinen.

„You give 2$ if you know the bartender, 3$ if you are friends with him, 4$ if you used to work in a bar and 5$ if you are a bartender yourself.“ Diese lustige und zugegeben generalisierend-oberflächliche Behauptung aus den Unweiten eines Blogs im World Wide Web birgt doch auch eine Wahrheit. Häufig sind es gerade diejenigen, die aufgrund einer früheren Tätigkeit in der Branche die Sachlage am besten einschätzen können und sehr gut selbst aus eigener Hand beurteilen können, wie hart die Arbeit eines Barmannes häufig sein kann. Und trotzdem gibt es auch Gäste, die häufig zunächst einen nicht sonderlich spendablen Eindruck machen – und dir schlussendlich die 10 Euro-Note in die Hand drücken. Großzügigkeit der monetären Form erleben wir Bartender dennoch – natürlich kommt das auch gerade auf den Standort der Bar und das Renommee an – seltener als geizige Gaben. Die Wertschätzung des Bartenders durch Trinkgeld mag zwar noch nicht Gang und Gebe sein, doch ist sie ein Faktor, der den Gast zu einem guten Gast machen kann.

Der Cocktail-Nerd

Es gibt diese Gäste nicht häufig, und wenn es sie gibt, dann hoffen wir Bartender insgeheim, dass sie sich vor uns hinsetzen. Mit ihnen können wir offen sprechen, wir müssen ihnen nichts erklären, sie bestellen mit einer Selbstverständlichkeit Drinks wie Manhattan, Martini oder Negroni und philosophieren beim liquiden Genuss über die gute alte Zeit, in der die heutigen Klassiker einst erfunden wurden. Sie sind es, die uns antreiben, uns nicht selten den Schweiß in die Stirn treiben, weil wir besagten Klassiker aus der Vintage-Edition eines 1923 verschollenen, in Chicago verfassten Manifests von Pre-Prohibition-Drinks nicht kennen. Mit ihrer fordernden Art bringen sie den Bartender nicht selten zurück auf den Boden der Tatsachen und entreißen ihn aus seiner Flair-verträumten Blase des schüttelnden Cocktail-Gurus. Sie sind es, die uns mit ihren Wünschen gleichermaßen entertainen, aber auch beruflich weiterbringen. Durch sie beschäftigen wir uns ernsthaft mit der Materie.

Nicht zuletzt sind auch sie es, die uns zeigen, wie sehr das Verständnis und Bewusstsein hin zur liquiden Perfektion innerhalb der Bevölkerung bereits gereift ist, und wie es umgesetzt wird. Der klassikerliebende Cocktail-Nerd mag für viele andere Gäste wohl eine merkwürdig-verschrobene Kreatur ohne Freundeskreis und mit scheinbar persönlichen Problemen sein. Für uns ist er Lehrer und Bruder des Gedanken zugleich.

Der hilfsbereite Gast/Freund

Ist eine Bar wirklich gut, ein Barteam wirklich vollkommen und die Bartender eins mit den Gästen, so entstehen nicht selten Freundschaften zwischen dem Gast und seinem Buddy hinter der Bar. Diese Freundschaften sind weniger selten, als so mancher vermuten möchte, und offenbaren sich vor allem dann, wenn das Etablissement durch Krisen gebeutelt ist. Nicht selten zeigt sich die wahre Freundschaft dann, wenn besonders großer Zusammenhalt von Nöten ist.

„A friend in need is a friend indeed.“ So wurden einst über Facebook ganze Bars durch die Bereitwilligkeit der Stammgäste, Geld zu sammeln, aus eigener Tasche zu spenden oder durch bestimmte Aktionen einzutreiben, vor dem Untergang bewahrt. Nicht nur in ganz so katastrophalen Situationen zeigt sich wahrer Freundesgedanke. Auch wenn zwecks Organisation auf die Berufung des Gastes (Architekt, Maler, Sound-Designer, Makler oder Grafikdesigner) zurückgegriffen werden kann, zeigen sich die, die einst Gastfreundschaft erfahren haben, als besonders hilfreich und Stütze in der Not. Der Gast in der Not, ein wahrer Freund und häufig auch wieder derjenige, von dem man vielleicht beim ersten Kontakt nie gedacht hätte, er würde jemals mit dir in so einem Verhältnis stehen.

Der Promoter

Nicht selten gibt es diejenigen Gäste, die unsere Bar zum ersten Mal betreten, nur um nach ihrem Besuch völlig überwältigt die Türen wieder zu verlassen. Dies sind nicht nur die Stammgäste der nahen Zukunft, nein, viel wichtiger, es sind auch jene Gäste, die häufig die beste Werbung darstellen, die du dir vorstellen kannst. Sie erzählen Freunden von der Bar und sparen dabei nicht an blumigen, positiv-überschwänglichen Beschreibungen der Bar. Sie wirken dabei vielleicht zunächst wie Blender und ob ihrer kindlichen Begeisterung reichlich naiv, doch treiben sie mit ihrer positiven, ja regelrecht enthusiastischen Ader große, immer wiederkommende Freundesgruppen in die Bar. Klingt das zunächst wie der Tropfen auf den heißen Stein, sind es jene Gäste und ihre Freunde, die genauso wie die Helfer in der Not auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Bar regelrecht bewohnen und weiter für dich promoten.

Nun wird der eine großspurig sagen können, er brauche gar keine Werbung. In der Regel ist eine gute Mundpropaganda dennoch immer hilfreich und sorgt für einen positiven Gesamteffekt. Der Promoter lockt sie nämlich alle an. Die Helfer, die großzügigen Gäste, jene Cocktail-Nerds, die vielleicht gar nicht von der Bar gehört hätten, sowie die Nachsicht zeigende Klientel. FÜNF! Gäste-Typen, die jeder Bartreiber sich nur wünschen kann.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

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