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Gesundbrewing: Der Wedding bebt und braut!

Bier an der Heilquelle. Mit dem ersten Gesundbrewing-Festival am Gesundbrunnen ist dem Team des Castle Pub ein besonderes Event gelungen. Und das ohne kommerzielle Absicht. Peter Eichhorn hat keine Mühen gescheut und den unzähligen vitalen Brauern sowie ihren neuesten Kreationen seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit geschenkt. Eins ist klar: Berlin braut von Tag zu Tag mehr. Und vor allem: besser!

Der Ortsteil Gesundbrunnen im Norden Berlins trägt seinen Namen wegen einer heilsamen Quelle, deren mineralischer Reichtum Jugendlichkeit und Heilung versprach, was bereits die preußischen Könige im 18. Jahrhundert zu schätzen wussten. In einem Hinterhofkeller an der Badstraße, wurde 2008 ein Zugang zu der Quelle wiederentdeckt.

Am 8. und 9. Januar war es aber nicht ein heilsames Wässerchen, das einen Pilgerstrom auslöste, sondern das „Gesundbrewing“ Craft Beer-Fest im The Castle Pub. Es war die inspirierende Wirkung des Gerstensaftes, die eine immense Flut an Menschen an die Gestade des Gesundbrunnens spülte.

Ben und Gekko, die Betreiber des Castle Pub, sind wahre Craft-Enthusiasten. Zunächst stockten sie die Anzahl der Zapfhähne ihrer Bar auf stattliche 30 auf, dann bauten sie eine Nanobrauerei in die früheren Küchenräume ein, wo nun die Two Fellas Brewery von Robert Faber und Michael Moineau betrieben wird. Die nächste Idee mündete darin, die muntere Meute von Berliner Brauern einzuladen und zu versammeln, um an einem kalten Januar-Wochenende Bier auszuschenken. Wohlgemerkt: ohne massive finanzielle Interessen. Standgebühren und Eintrittsgelder waren nicht vorgesehen. Eine illustre Schar der Berliner Brauprojekte ging an den Start, und so war der Raum rasch ausgebucht.

Schienenersatz-Trinken

Das Wochenende rückte näher und die Bedingungen stellten sich als suboptimal heraus: Elende Eiseskälte, die eher zum Rooming-In als zum Woandershin-Walking animieren. Und – das Horrorszenario eines jeden Berliners: Schienenersatzverkehr auf der wichtigen Nord-Süd-Trasse der S-Bahn. Aber die Craft-Crowd der Hauptstadt lässt sich nicht bremsen. Die durstige Schar stürmte gen Norden und sorgte bereits am Freitag für Gläserknappheit und Überfüllung. So schnell war auch der Food-Truck mit Fish & Chips vor dem Pub noch nie ausverkauft.

Klug waren all jene, die den frühen Samstagnachmittag für den Besuch wählten. Hier gab es noch Raum, Luft zum Atmen und Gelegenheit, mit den Brauern und Bierfachleuten zu fachsimpeln. Am Start waren einige der bewährten Berliner Platzhirsche, wie etwa Hops & Barley, Flessa Bräu oder Brewbaker mit seiner tadellosen Berliner Weisse. Auch das Brauhaus Lemke war vertreten, der selbst ernannte Ur-Initiator von Craft in der Hauptstadt. Thorsten Schoppe hatte an seinem Schoppebräu-Stand die hauseigenen Klassiker parat, aber auch einen Hybrid aus Belgisch-Dubbel und Belgisch-Wit. Das Bier mit Orangenschalen, Koriander und dem vielversprechenden Namen „Big Fat“ erreicht hoffentlich bald Serienreife und wird flächendeckend verfügbar gemacht.

Bei Johannes Heidenpeters flossen seine genialen Pale Ales in Strömen und das Team von Vagabund grinste frech, als der Autor dieser Zeilen den Zusatz „Chili“ bei ihrem Chocolate Stout überlesen hatte und nach einer intensiven Stimulation des Gaumenbereichs die Bezeichnung „Imperial Chili“ vorschlug. Nicht fehlen durften natürlich auch die kalifornischen Neu-Berliner von Stone Brewing, die die Eröffnung ihrer Brauerei und Gastbetriebe in Mariendorf nun für April 2016 ankündigen. Neben dem legendären „Arrogant Bastard“ war das Xocoveza am Start, ein winterliches Milk Stout mit Schokolade, Kaffee, Zimt, Vanille und Muskat.

Natürlichkeitsgebot statt Reinheitsgebot

Die Hauptstadtbrauer zeigen ein hohes Maß an Kreativität und Handwerk. Ob nach dem Reinheitsgebot gebraut oder gerade nicht – die Vielfalt an ungewöhnlichen Bieren war noch nie so hoch. Unterschiedliche Stufen von wilden Zutaten waren präsent. Das Team von Brlo etwa präsentierte einen sehr schönen Amber Bock mit Honig. Originalität trifft Drinkability. Die Lokalmatadore von der Two Fellas Brewery hingegen faszinierten mit einem unglaublich charakterstarken Gebräu aus Roter Beete, Rübenzucker und Paradieskörnern. Von dieser Marke werden wir noch hören – hier steckt immenses Talent und Potenzial.

Gleiches gilt für das Team von Straßenbräu. Vor wenigen Tagen erst eröffnete die Brauerei in Friedrichshain ihren Schankraum nahe dem Ostkreuz, aber schon sind zwei Biere verfügbar, die nachhaltig beeindrucken: ein Kürbis-Dattel-Ale, welches zu vielfältigem Foodpairing inspiriert, außerdem ein India Pale Ale, mit echten Dolden vom Nelson Sauvin-Hopfen faszinierend aromatisiert.

New Brew in Town

Herrlich war vor allem die Gelegenheit, einige der aktuellsten neuen Brauprojekte Berlins kennen und schmecken zu lernen. Neben dem vielversprechenden Straßenbräu hatten sich auch Piraten, Utopisten und Fräuleins auf den Weg zum Gesundbrewing gemacht. Und auch der Berliner Berg war mit Verspätung aus Neukölln angereist, um schmackhaftes Lager und Pale Ale zu zapfen.

Pirate Brew Berlin ist ein junges und engagierte Projekt zweier Heimbrauer, Christipa und Andreas, die sich den Kollaborationssuden und der Synergie innerhalb der Craft-Kultur verschrieben haben. Fräulein Brauer wiederum gab sich ein Stelldichein mit einem sehr feinen Doppelbock mit subtilen Rauchmalzaromen, der „Landpomeranze“, die Ehre. Das Logo mit der Blondine samt üppigem Vorbau, Highheels und Hotpants wirkt hingegen ein wenig deplatziert in der modernen Kreativbier-Kultur. Zudem hier kein Fräulein braut, sondern ein gestandener Braumeister, der einen Wettbewerb im Gerstensack-Weitwurf locker gewinnen würde. Ebenfalls neu in der Stadt ist zudem die Brautopie, ein Wanderbrauer-Projekt zwischen Berlin und dem Baskenland. Ein köstliches Farmhouse Ale und ein Black IPA machen unmittelbar neugierig auf mehr.

More brewing, drinking, singing, Wedding!

Gen Abend war es wieder soweit: der große Pub bricht aus allen Nähten. Die Zapfhähne glühen, die Frischluft wird knapp und der Fish & Chips-Truck ist schon wieder fast ausverkauft. Das Gedränge bringt die fröhlichen Menschen nah aneinander und sorgt für neue Freunde und Mittrinker. Mancher strahlt über einer Heidenpeters Thirsty Lady oder einem Altbier von Hops & Barley. Andere rümpfen die Nase über ein merkwürdiges Roggen-IPA und suchen Trost an dem kleinen Tresen, den nur Eingeweihte in der Ecke versteckt entdecken und wo die Bierlinie köstliches Chimay Bleu aus dem Fass zapft.

Am Ende bebt wieder der Wedding und im vorderen Raum startet nun auch noch das Kult-Karaoke-Event. Passende Musiktitel wären: „I spent my last $10 on birthcontrol and beer“, „Beer for Breakfast” oder „Longneck Bottle”. Ben und Gekko und das Team vom Castle Pub bescherten Berlin ein großartiges Brau-Event. Danke an so viel Engagement. Und gerne: Mehr davon! Wir freuen uns auf das nächste Gesundbrewing!

Credits

Foto: Bier & Brunnen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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