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Auf Audienz bei Erst-Herzog Lukas Motejzik

Lukas Motejzik gibt in seiner neuen Bar den Kurs vor und lässt andere steuern. Das Herzog besticht durch Detailverliebtheit. Und jede Menge Obst.  Auch die Lampen der Bar sind wie ein Ausrufezeichen. Sie könnten hinter „yes“ stehen oder hinter „ätsch“. Schließlich hat es 18 Monate gedauert, bis der Zephyr-Macher sein neues Projekt eröffnen konnte. Zeit für einen Besuch in München.

Selektive Wahrnehmung ist etwas Feines. Lässt man sich vor dem Erstbesuch in Münchens neuem Restaurant-cum-Bar in der Maxburg beschreiben, was einen erwartet, fallen Sätze wie „schöne Bar und in der Mitte sieht es aus wie beim Obsthändler“. Lukas Motejziks Kollegen spielen damit auf den deutlich sichtbaren Warenkorb zwischen zwei der drei Mixstationen an. Dreißig Zentimeter lange Zimtstangen, frische Ananas und Kräuter stapeln sich im ansonsten kühl gehaltenen Ambiente. Viele andere Ideen wälzte Zephyr-Bargründer Motejzik in der Umbauphase, die sich zum Nervenkrieg mit dem Land Bayern auswuchs. Einiges wie die gekühlte Gläserrutsche wurde eingespart, doch sein Faible für frische Aromen – und die dazugehörige „Obsthändler“-Optik – blieb unverrückbar.

Fire on the Bayou“ von The Meters und Chicagos „Screaming Eagle of Soul“ Charles Bradley passen als Soundtrack gut zum schwarzen Betontresen, an dem auch an einem Dienstag Abend Hochbetrieb herrscht. Vom ersten offiziellen Öffnungstag im Januar an wurde die Location gestürmt. „Offenbar waren alle schon so heiß auf den Laden nach der langen Bauzeit“, lacht Lukas, der selbst auch gerade umgezogen ist („Sechster Stock ohne Lift!”).

Tu vuò l’Americano, aber nur mit Rosen!

Motejzik, der selbst vier Mal die Woche im Zephyr steht, agiert in der Maxburg hinter dem BMW-Pavillon aber „nur“ als Kurssetzer, steuern müssen das Schiff andere. Hier ergab sich durch mehrere Zufälle eine erfahrene Crew, die großteils älter ist als ihr Chef: Häppy van Mazn kam aus der Pacific Times, Marvin Jacob aus der leider geschlossenen Bar Reichenbach, und der Österreicher Florian Saxinger aus dem Linzer Frau Dietrich. Gemeinsam sind ihnen die Gastgeber-Qualitäten, die sie abwechselnd im Service und hinter der Bar ausleben. Das heterogene Herzog-Publikum braucht auch individuelle Pflege. Der Herr mit der „Süddeutschen“ möchte beim Glas Champagner seine Ruhe, die Ladies im Doppelpack suchen Ansprache und der Cocktail-Nerd philosophiert minutenlang über den idealen Gin, ehe er „etwas mit Vodka und Beeren“ verlangt.

Münchens Barkultur ist avanciert, insofern braucht man die Cocktail-Klassiker gar nicht auf der Karte anführen. Motejzik tut das entsprechend nur, wenn es einen Twist gibt, etwa bei der Rosenlimonade im Americano. Doch auch da fragt der Bartender lieber nach, ob es die Herzog-Version sein soll. So muss aufmerksam! Wobei gerade der Umgang mit den Longdrinks der Karte, in denen meist eine der hausgemachten Limonaden ihren Einsatz hat, viel über das Gespür des 27-jährigen Barchefs aussagt. Wie der oft ins Seifige abgleitende Rosengeschmack dem Campari erweiternd zur Seite steht, zeigt eine Detailverliebtheit, die sich durch die ganze Karte zieht.

Die nur sechs Signatures bieten unter anderem ein seltenes Gastspiel von Tequila in einem Champagner-Cocktail („Away on Leave“, 12,50 Euro), wer sich da für die Gin-Version entscheidet, ist selbst schuld! Aber auch einen verspielten Vodka-Martini-Twist namens „Tipsy Baker“ findet man zwischen den Porträts der „Vorbewohner“ der Maxburg aus dem Hause Wittelsbach auf der Karte. Bei ihm weisen Brioche und Butter den Weg in die namensgebende Backstube. Das Showpiece – und mit 14,50 Euro der teuerste Cocktail – stellt der „Paper Wave“ dar, dessen Auftritt in einer Wolke aus Gewürznelken-Rauch erfolgt.

Mixen in Minga: Ananas und Absinth

Gegenüber dem alten Magier von einem Getränk, der ein aus Tullamore Dew und Sailor Jerry Rum gewebtes Gewand mit Ananas-Muster und PX-Flecken trägt, wollen aber wir das letzte Wort haben. Der Last Word erweist sich als wirklich clever abgestimmter Drink; was anfangs nach etwas Zaghaftigkeit des Bartenders aussieht, entpuppt sich mit etwas Geduld als kalkulierte Subtilität. „Ich shake ihn bewusst etwas kälter, das lässt ihn sich erst langsam öffnen“, expliziert der aus der Ta Os Skybar in Schorndorf nach München gekommene Marvin. Parallel reicht er zum Abschied einem Stammgast einen Eierlikör nach dem Rezept seiner Oma. Mei, liab!

Für eine Bar wird im Herzog aber auch erstaunlich viel Wein getrunken, die 400 Positionen starke Karte, die der Sommelier im – nebenbei erwähnt: geerdet-guten – Restaurant reicht, geht auch im Bar-Bereich rum. Zum Pulled Pork oder dem Tagesteller um 15,50 Euro entkorkt die Schickeria im Schatten des Amtsgerichts dann auch schon mal Flaschen um den 20-fachen Preis. Denn neben den Kanzlisten und Referendaren finden sich auch etliche Anwälte ein, die im mondänen Geviert zwischen Lenbachplatz, Maximilianstraße und Karlsplatz situiert sind. Und schließlich haben auch die Barfliegen schnell den neuen Platz entdeckt, der wie die meisten Münchner Bars direkt im Zentrum liegt. Minga, wie es leibt und vor allem lebt!

Jo, Mai: mehr Platz und mehr Plätze

Mit Mai soll auch die Terrasse formell öffnen, aktuell tun es eben auch Bierbänke, wenn die Sonne zum Sitzen neben dem Moses-Brunnen einlädt. 90 Plätze kommen dann dazu, auch die Karte wird bereits auf den Sommer ausgerichtet. „Vermutlich werde ich viel mit Weinen machen“, so Motejzik, der Themen-Karten generell nicht mag. Leichtere Drinks, in denen etwa ein Cordial mit Verjus und Gelbem Muskateller eine Rolle spielen könnte, sind aber angesagt (und werden gerade im Zephyr erprobt). Herzstück der Phase Zwei in der Maxburg wird aber die eigene Produktionsküche sein, die derzeit im Keller entsteht. Die stressigen Eröffnungsmonate haben schnell klar gemacht, dass die unter Strom stehende Restaurant-Crew wenig Verständnis für die dazwischen laufende Prep-Kitchen der Bar hat. Vakuumierer, Kühler und Kochstelle sind bereits bestellt, auch hier erfolgt kommendes Monat der Startschuss. Und beim „Obsthändler“ einen Stock höher findet sich sicher genug, mit dem sich etwas Kreatives anstellen lässt.

Credits

Foto: Alle Fotos via Thekengold Studio.

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