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Shuttle-Dienst zum Knoblauch-Martini: Kan Zuo

„Gute Drinks bekommt man in vielen Bars. Der wahre Luxus ist die eigene Meinung“, lautet das Credo von Kan Zuo. Ein Porträt des österreichischen „Bar des Jahres“-Preisträger der MIXOLOGY BAR AWARDS 2016, dem die Ideen scheinbar nie ausgehen.

Keine zehn Jahre ist die 2007 eröffnete The Sign Lounge alt. Doch um die erste Titelverteidigung einer „Bar des Jahres“ so richtig zu würdigen, sollte man wissen, wie alles begann: „In den ersten zwei Jahren führten meine Frau und ich das Lokal als Café, Restaurant und Bar. Wir hatten von sieben Uhr morgens bis zwei Uhr nachts geöffnet, wohnten im Lokal und duschten in der Küche“. Erst die Begegnung mit den Elder Statesmen der Wiener Cocktailszene, Andi Obermeier und Erich Wassicek, schärfte das Profil seiner Bar, wie Kan Zuo bis heute dankbarst bekennt.

Die Vorliebe für schräge Zutaten – und Knoblauch-Lake, Käse-Würstchen oder Blutwurst sind nach wie vor schräg – kompensierte nach und nach die Lage der Bar in einem Wohnbezirk an einer Durchzugsstraße, kilometerweit von den trinkfreudigen Runden des Stadt-Zentrums entfernt. Es sprach sich rum, dass es hier Avantgardistisches abseits des „Great American Song-Book“ der Bar gab. Inspirieren lässt sich Bar-Gründer Zuo dabei von seinem etwas eigenartigem Kauf-Verhalten: „Will ich einen bestimmten Tee erwerben, komme ich sicher mit zwei Tüten verschiedener Sorten aus dem Geschäft”, so der manische Einkäufer. Aromatisches Spielzeug, aus dem dann plötzlich eine Drink-Rezeptur werden kann, stapelt sich ebenso wie schräge Trinkgefäße im Fundus der Bar.

Der Vordenker wird ungeduldig

Diese Vorgeschichte macht klar, warum der 32-jährige Kan Unzuverlässigkeit in geschäftlichen Dingen nicht ausstehen kann. Der Arzt-Sohn hat sich alles selbst erarbeitet und kann nach wie vor nur den Kopf schütteln, wenn ein Vermieter erst nach wochenlangen Verhandlungen um einen möglichen zweiten Standort „draufkommt, dass er nach Mitternacht keine Personen mehr im Haus haben möchte“. Laut wird der Austro-Chinese, der mit zwölf Jahren nach Wien kam, nie. Er wundert sich nur über solche Schwachsinnigkeiten, die Zeit und Geld kosten.

Die neue Karte, ähnlich dem berühmten Scherenschnitt-Menü des Londoner Savoy mit Ideen aus Kinderbüchern und optischen Täuschungen gespickt, wurde ebenfalls nicht fertig. Einer der beteiligten Grafiker brauchte eine Auszeit – auch hier steht die Partie. Und Stillstand geht bei Zuo gar nicht. Das vergangene Jahr, das nicht nur die Titelverteidigung bei den MIXOLOGY BAR AWARDS brachte, sondern auch die Auszeichnung als „Bar des Jahres“ bei den Kollegen von Falstaff, hat die Anfragen um Kooperationen mächtig in die Höhe schnellen lassen. So hat Kan nicht nur einen mit Schnee gemixten Mojito auf 2000 Meter Seehöhe in der Pop Up-Bar von Kaiser Gin serviert. Er durfte auch die vorbildlich gestaltete, brandneue Bar-Karte der Motel One-Gruppe mit Austro-Gins und Signature Drinks versehen. Parallel steht das The Sign-Consulting für eine weitere Wiener Herberge vor dem Abschluss.

Der Gin mit dem Fisch-Tattoo

Doch im Zentrum steht immer die Homebase in der Liechtensteinstraße. Dort läuft aktuell das Thema „Cocktails on tap“ im Versuchsstadium. „Ich wollte nicht immer Unmengen Flaschen von den Filler-Herstellern“, stand als Wunsch am Beginn dieser bezeichnenden Zuo-Story. Denn mit dem Wunsch nach Tonic vom Fass stand er lange auf verlorenem Posten, bis Zuo sich schlicht selbst des Themas annahm. Statt Ginger Beer und Tonic wurde es nunmehr Weissbier. Mit Aprikosen-Marmelade und Duke Gin („der ohnehin einen leichten Hopfengeschmack hat“) wird damit im Fass eine karbonisierte Mischung erzeugt, die reißenden Absatz findet. Der Druck in der Leitung nimmt den Druck aus dem Service.

Ebenfalls seit der Auszeichnung in Berlin im Oktober 2015 wurde das Projekt eines eigenen Haus-Gins umgesetzt. Die Verpackung von Kans „The Sign Gin“ ist ebenso ungewöhnlich wie die neutrale Basis der Spirituose. Kartoffel-Vodka wurde herangezogen, die Stärke dient dem Mundgefühl der Erstauflage von 2.000 Flaschen, die in der Bar bereits eifrig genützt werden. Etwa für einen Haus-Martini mit trockenem Sherry. Der wahre Hingucker allerdings besteht im Hantieren mit der Flasche durch den Hausherrn selbst. Denn das Fischschwarm-Tattoo auf Kans rechtem Unterarm ziert auch die Liter-Flasche der Kreation (die für 20 Euro zu erwerben ist). Bei richtigem Licht schwimmen die Fische über den Arm in die Flasche. Details wie diese liebt der zweifache „Best Bar“-Gewinner aus Wien.

Wien auf die Bar-Landkarte setzen

Wer den Patron der The Sign Lounge nur als verspielten Garnierer wahrnimmt (nicht alle goutieren Drinks im Goldfisch-Glas), kennt seinen Sinn für das Geschäft schlecht. Das bestehende Netzwerk der Hotel-Partner und die Freunde aus der Barcommunity sieht er nämlich als lebendigen Weiterempfehlungskreis. „Die Wichtigkeit der Gastgeber-Qualitäten wird mir selbst immer mehr bewusst“, gibt Zuo den Vordenker. Ein Shuttle-Dienst zwischen Adressen, denen man bei der Qualität der Drinks und des Entertainments vertrauen kann, gehört dabei durchaus dazu. Denn die Zeit ist reif, Wien auch international als Bar-Stadt wahrzunehmen. „Den international erfahrenen Gast kannst du heute nur mit Details beeindrucken“, meint er und sieht in einem Service, der Besucher zwischen seiner Bar und einem Top-Asiaten wie „Mama Liu & Sons“ pendeln lässt, als genau solches Service-Mosaiksteinchen. Der Zubringer-Dienst rückt The Sign damit auch geographisch von der Vorstadt in den Mittelpunkt der Stadt. Mit seinen Cocktails ist Kan Zuo dort ohnehin längst angekommen.

Credits

Foto: Kan Zuo

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