TOP

Zürichs Kronenhalle – ein Kunstforum auf allen Ebenen

Im Vorjahr wurde die Bar Kronenhalle bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2016 zur besten Bar der Schweiz 2016 gekürt. Die Bar ist aber auch – wie Bar-Chef Peter Roth befindet – ein „halbes Museum.” Zu Ende des Jahres übergibt der langjährige Bartender das kunstvolle Vermächtnis an seinen Stellvertreter Christian Heiss.

Im vergangenen Jahr feierte die Züricher Bar Kronenhalle, in der Nähe des Bellevue im Herzen der Altstadt gelegen, ihr 50. Bestandsjahr, dem gebührend Tribut gezollt wurde. Zur zehntägigen Geburtstagsfeier kreierte Bar-Chef Peter Roth, ein Urgestein der Schweizer und internationalen Barkultur, den Jubiläumsdrink „Born 65“. Und Tage zuvor gab es bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2016 neben und durch Punktegleichstand mit der Widder Bar den Titel „Beste Bar der Schweiz 2016“.

Es war die erste Doppelpreisträgerschaft im Laufe der zehnjährigen Awards-Geschichte.

Freude an der Arbeit, Teamwork, Kollegialität, Beständigkeit, Professionalität, Authentizität, perfekte Drinks, tolle Produkte und eine feine Atmosphäre in einem einzigartigen Ambiente seien bestimmt Faktoren für einen Award-Titel gewesen, finden Roth und sein Stellvertreter Christian Heiss aus Südtirol. Doch nichts gehe über den perfekten Gastgeber, das sei nicht zu lernen. „Das muss man wollen! Es kann nur vom Herzen kommen“, sind sie überzeugt.

DAS PERSÖNLICHE MACHT´S AUS

Bevor Peter Roth, gebürtiger Aargauer, in die Rämistraße kam, absolvierte er eine Kochlehre und bereiste für die Royal Viking Line die Weltmeere. Bei der IBA-Weltmeisterschaft 1984 in Hamburg ermixte er mit seinem Cocktail Lady Killer den Weltmeistertitel. Dass Roth sein Handwerk beherrscht, hat er in den vergangenen 40 Jahren in der Bar Kronenhalle bewiesen. Doch die ganze Perfektion sei dahin, wenn man dem Gast nicht in die Augen blicke. „Das Persönliche macht’s aus“, so sein Credo.

Genau am 6. November 1965 eröffnete also jene Bar, in der nationale wie internationale Künstler aus der Mode-, Theater- oder Literaturbranche sowie der Malerei bei Champagner, erlesenen Weinen und besonderen Drinks zusammentrafen. „Die Kronenhalle-Bar öffnete in den Räumen eines ehemaligen Coiffeurgeschäfts, nur wenige Meter oberhalb des Restaurants an der Rämistraße 4, ihre Türen“, das schrieb die Neue Zürcher Zeitung anlässlich des „Neuen, gewissermaßen Revolutionären“.

Peter Roth und Christian Heiss wandeln im insgesamt achtköpfigen Team auf den Spuren exzellenter Gastgeber, die mit ihrem gemeinsamen Werk der Kronenhalle ein gastronomisch-fundamentales Vermächtnis in der Stadt gelegt haben. Es war Hulda Zumsteg, die mit ihrem Mann Gottlieb das Restaurant Kronenhalle im ehemaligen Hotel de la Couronne 1924 erworben, umgebaut, eröffnet und bis zu ihrem Tode im Alter von fast 94 Jahren im Jahre 1984 zu einem kulinarischen Highlight in der Stadt und einem Treffpunkt für Zürichs beste Gesellschaft mit Gästen wie Gottfried Keller, Friedrich Dürrenmatt, Alberto und Diego Giacometti, Willy Guggenheim oder dem Maler Arnold Böcklin ausgebaut hatte.

EINZIGARTIG UND UNVERGLEICHLICH

Die Bar Kronenhalle liegt neben dem gleichnamigen, weltberühmten Haute Cuisine-Restaurant. Beide Lokalitäten bilden eine unternehmerische Einheit, bieten jedoch zwei unterschiedliche Welten, die einander atmosphärisch begünstigen. Peter Roth, der regelmäßig bis zum Tode Gustavs im Jahre 2005 mit jenem zum betrieblichen Jour fixe zusammengetroffen ist, erinnert sich, dass sich Hulda Zumsteg anfangs von der Idee der Bar keineswegs begeistert gezeigt hat. 1965 hatte Sohn Gustav seinen Willen durchgesetzt, das anliegende und von den Zumstegs bereits erstandene Coiffeur-Geschäft in eine Bar umzufunktionieren und daraus eine Trinkstätte zu initiieren, die ihresgleichen sucht. Eine einzigartige  und unvergleichliche – „sans pareil“, wie Gustav Zumsteg, Bonvivant, ausgebildeter Seidenhändler, Kunstsammler und Freund der Künste und Künstler sagen würde – sollte es werden. Seit dem Tode beider Zumstegs liegt das Erbe des traditionsreichen Hauses für die Nachwelt in den Händen der Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung.

Sans pareil ist das von den Brüdern Giacometti designte Interieur mit Lichtkugeln aus Alabaster, roten Marmortischplatten, mit grünem Saffianleder überzogenen Bänken und Stühlen in meterhohen Mahagoni-Decken noch heute. Für Peter Roth wurde dieses Ambiente in den vergangenen 40 Jahren zur Bühne und vor allem zu einem Zuhause. „Zu meinem Wohnzimmer“, ergänzt der Bar-Chef, Sachbuch- und Gastautor in Zeitungen und Magazinen. Zu den Freunden und Bekannten Gustavs und daher Stammgästen der Kronenhalle zählten Yves Saint Laurent, Cristóbal Balenciaga, Christian Dior, Coco Chanel, Joan Miró, Georges Braque, Marc Chagall. Viele davon hat Peter Roth kennengelernt, wahrt ihre Geheimnisse und hat ihnen Drinks serviert. So hätten Chagall und Miró alkoholfreie Getränke wie Fruchtsäfte gerne getrunken. Robert Rauschenberg, der ebenso wie seine europäischen Kollegen Picasso, Chagall oder Miró mit einem Werk im Lokal verewigt ist, „kam sogar noch im Rollstuhl in die Bar“, so Roth, der sich angesichts der vielen Kunstwerke bei der Arbeit manchmal wie „in einem halben Museum“ vorkommt.

Er hat in seiner langjährigen Zeit viele Gäste und vor allem Stammgäste kommen und gehen sehen. Schicksalsschläge und Lebensveränderungen ließen den Gastgeber oftmals von geschätzten Zeitgenossen Abschied nehmen. „Ich habe einige Menschen jahrelang hier gesehen, und plötzlich waren sie nicht mehr“, erinnert er sich und meint: „Das Leben ändert sich eben, aber es folgt jüngere Kundschaft.“

DAS RAD NICHT NEU ERFINDEN

Für Peter Roth geht zu Ende des Jahres, wenn er in den Ruhestand treten wird, eine Ära zu Ende. Was der begeisterte Hobby-Tennisspieler dann mit seiner Zeit anfangen wird, „ist eine gute Frage“, meint Roth, der die Bühne für seinen Stellvertreter Christian Heiss öffnet. Dieser arbeitet bereits seit zwölf Jahren an Roths Seite und „hatte schon länger die Finger im Spiel.“ Heiss wird die Geschicke der Bar Kronenhalle so fortführen, wie Peter Roth es gemeistert hat, das Bartending nicht neu erfinden, aber ihm durch Ideen und die Arbeit mit natürlichen Aromen seinen eigenen Schriftzug verleihen.

„Aber das größte Geschenk ist immer der Austausch mit den Menschen. Das ist innerer Wachstum, man lernt aus den Gesprächen für sein eigenes Leben. Die Kommunikation mit dem Gast ist das A und O unseres Berufes“, sagt Heiss, der auch die Unterhaltungen mit Peter Roth vermissen wird. Doch keine Sorge, „denn bestimmt“ schlüpft dieser in eine neue, nämlich die Gastrolle – und lässt sich hin und wieder in seinem Wohnzimmer blicken.

Kommentieren