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Sazerac im Schnee: Lech und die Licca Lounge

An der Skipiste ist Mixologie meist ein Fremdwort. In der mondänen Licca Lounge in Lech am Arlberg verkehrt jedoch nicht nur die globale Ski-Hautevolee. Wenn es nach Barchef David Penker geht, findet hier im Westen Österreichs auch die Cocktail-Welt eine Heimstatt.

Wie überführt man Après Ski ins Luxuriöse? Kann aus der vodkabefeuerten Kakophonie aus Gegröle, Verbrüderungen im babylonischem Sprachgewirr und Skischuh-Getrampel stilvolles Trinken nebst Konversationen über Infusionen und Durchlaufzeiten eines Cold Drips werden? Darüber lässt sich winters im gesamten Alpenraum nachsinnieren. Konkret befinden wir uns am Arlberg, der Gebirge gewordenen Grenze zwischen den österreichischen Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Die Dichte an Fünf Stern-Häusern in Lech und Zürs ist zwar mit neun Stück hoch, die Resignation auf den Terrassen aber meist höher. Gegen den symbolischen Konsum (Champagner, gefolgt von mehr Champagner) und das alpine Mischgetränk der Saison, das jedes Jahr so regelmäßig neu erfunden wird wie Helene Fischer zuverlässig aus den Boxen kommt, isolieren auch französische Daunen und echtpelzverbrämte Kapuzen nur unzureichend. Und so muss man mitunter sein Islay Mule-Rezept selbst mitbringen an die Hotelbar. Denn der Saisonier hat auch nach dem Buchstabieren der Bestellung keinen Schimmer, was es sein soll.

Einen personellen Neustart wie den im Aurelio, mit 18 Zimmern eines der kleinen unter den familiengeführten Luxus-Skihotels, verfolgt man daher mit einer gewissen Spannung. David Penker hat diese Wintersaison die Bar an der Schlegelkopf-Abfahrt übernommen. Und nicht nur die handgeschlagenen Eisblöcke im Tumbler signalisieren, dass hier jemand mit Liebe zum Detail hinter der holzgetäfelten Eck-Bar neben der Rezeption steht. Tatsächlich bekommt man hier schon beim Check-in Durst – der Blick über die Schulter fällt neben einem Black Pearl von Louis XIII auf einen Port Ellen Single Malt von 1979. Edelspirituosen und big names stehen dann auch einen Raum weiter hoch im Kurs; in der Licca Lounge, in der 1968er Delamain Cognac glasweise serviert wird, aber auch die limitierte Version Havanna Club hinter dem Tresen steht. Neben 42 Positionen Champagner wohlgemerkt.

Vodka-Shots aus der Honigwabe

„Wir haben wenig Platz an der Bar, aber dafür können wir die komplette Küche mitnutzen“, freut sich Penker über den Gourmet-Background des Hauses. Saft von gerösteten Limetten, Brennessel-Saft und Algen-Sirup finden sich bereits auf der Cocktail-Zutatenliste, doch die Phantasie des Bar-Chefs schweift weiter aus. Selbst der Vodka soll stilvoll fließen, wenn es denn sein muss – und das kann er ja auch “als Cold Drip durch Bienenwaben mit Manuka-Honig“.

Viel lieber serviert Penker aber „vergessene Drinks“ oder einen schulmäßigen Sazerac. Auch Sous Vide wird 2017 ein stärkeres Thema werden. Denn auch, wenn kein Sirup eingekocht wird, gehört der Drei-Hauben-Koch Christian Rescher zu den wichtigsten Ansprechpartnern der Bar. Whisky-Menüs sind in Planung, aber auch zu den täglich wechselnden Gerichten gibt es mittags und abends eine Cocktail-Empfehlung.

Doch es ist nicht nur die Hardware an Flaschen und Apparaturen, die für den Neustart steht. Auch der Barchef selbst bringt einen frischen Wind mit. Zwar ist Penker Profi genug, Stammgästen in „Austria’s Leading Boutique Hotel 2016“ auch den Wunsch nach einem gesmoketen Gin & Tonic zu erfüllen. Doch sanft führt er auch zu eigenen Kreationen wie dem Vendetta’s Blood hin.

Mit zahlungskräftiger Klientel weiß der Neo-Arlberger zweifellos umzugehen. Ehe er als Barchef in Lech anfing, umsorgte er die Gäste im Döllerer, dem hoch dekorierten Gastro-Gesamtkunstwerk aus Metzgerei, Weinhandel und Gourmetrestaurant im Salzburger Land. In der Stadt Salzburg mixte er zunächst für die Sterne-Esser im Hangar 7, dem einzigartigen Red Bull-Fernsehstudio mit wechselnden Welt-Köchen, ehe er im Little Grain am Brett stand. Nun also der Arlberg.

Auch die Kinder wollen Cocktails

Gefordert wird man als Barchef in dieser Liga schon von den Jüngsten. Als zwei Dreikäsehochs explizit alkoholfreie Cocktails bestellten, musste selbst Penker grübeln. „Im Little Grain gab es nur Cocktails und selbstgemachte Limonaden.“ Doch dank der eigenen Sirup-Produktion fand sich schnell etwas für die kleinen Kenner. Und auch das alpine Ambiente inspiriert offenbar: Der Gin & Tonic wird mit Hagebutten-Infusion serviert, Berg-Kräuter finden sich in gleich mehreren Signature Drinks. Aktuell experimentiert der Licca Lounge-Barchef („ich liebe Apfelsaft“) mit leicht fermentierten Bergapfel-Säften von Thomas Kohl aus dem nahen Südtirol. „Die Ananasrenette erhält so ein fasst malziges Aroma, das mit der Gärkohlensäure auf natürlichem Weg ein Mittelding aus Cider und Bier ergibt“, schwärmt Penker vor dem knisternden Kamin. Experimente wie diese liebte er schon im Little Grain, wo fallweise auch Kälbermägen als Reife-Gefäße herhalten mussten („meine Freundin hat das nicht so gefreut“).

Wichtig ist David Penker im Hochgebirge auch der Anschluss an die Cocktail-Welt. Gast-Schichten von Dennis Zoppi, Mario Kappes oder Falco Torini sind bereits gebucht, im Kapitel „Modern Art of the Cocktail“ finden sich Drinks von Jörg Meyer, Klaus St. Rainer, Kan Zuo oder Florian Saxinger. Und schon demnächst auch mehr Eigenkreationen – denn die bis Ende April dauernde Saison ist ja noch jung in Lech.

Credits

Foto: Foto via Roland Graf.

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