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Der Smutje vom Donaukanal: Marcus Philipp und die „Spelunke“

Marcus Philipp hat zwar keine Kapitänsmütze auf in der Wiener Spelunke, doch der ehemalige Barchef der Albertina-Passage sorgt für Volldampf. Den Matrosen serviert man hier weniger Rum, dafür raucht der Chipotle im legeren Bar-Restaurant. Roland Graf hat sich auf – nicht ganz so hohe – See gewagt.

Die „Mazzesinsel“ nannten die Wiener den Zweiten Bezirk einst, als ihn Donaukanal und der Strom selbst umflossen. An die Urban-Insulaner-Vergangenheit schlossen bislang die Anlegestelle des Schnellboots nach Bratislava und das (allerdings fest vertäute) Badeschiff an. Mit der „ersten Hafenkneipe“, wie Moni Wlaschek und Werner Helnwein ihr neues Restaurant-Bar-Projekt beschreiben, lebte die maritime Tradition aber auf der „richtigen“ Seite des Kanals wieder auf – der Leopoldstadt. Vom Grafitti-Foto-Beton-Wandbild Akira Sakurais’ lächelt nun in der Spelunke ein zahnloser Sailor, am Tresen steht eine an Jules Verne erinnernde, alte Taucherglocke – und Marcus Philipp.

Barmann, lass das träumen …

Er heuerte nach seinem Sommergastspiel am „Sonnendeck“ in der Spelunke an. Denn neben den frittierten und gegrillten Fischen soll auch die Bar einen wesentlichen Schwerpunkt im Erdgeschoß des NEWS-Towers bilden. Österreichs Finalist der World Class 2017 hat den Humor der neuen Wirkungsstätte schnell inhaliert. „Meine Kopfhaut wird es mir danken“, kommentiert er die legere Dienstkleidung mit Basecap. Wer jetzt erwartet, dass unter den Augen des gemalten Seemannes auch der Rum in Strömen fließt, kennt das Logbuch von Marcus Philipp zu wenig. Denn da findet sich mit dem Mai Tai gerade ein Zuckerrohr-Klassiker, „unsere Gäste stehen sehr auf Whisky“, stellt der Barchef fest. Wenn sie nicht gerade Champagner zum „teuflischen Preis“ (66,60 Euro) ordern. Oder ein Tankbier aus dem kupfernen Steampunk-Behälter verlangen.

Dann warten etwa der „Vindobona Negroni“ mit dem Wien-Gin der „Kesselbrüder“ (11,50 Euro) oder die Moscow Mule-Variante „Ariba ariba“ am Donaukanal. Neun Highballs (zu 9,50 Euro), inspiriert vom Boilermaker-Erfolg aus Hamburg (ah, Hafenstadt!), und eben so viele Cocktails hat Marcus Philipp auf die neue Karte gesetzt. Vor allem die leichten Drinks kommen gut an. Vieles erkennen die Gäste gleich beim Lesen wieder, etwa den „Mausi Martini“ mit Lillet Blanc und Lemon Bitters. Auch der „Spelunken Cosmo“ bringt mit einem Portwein-Cranberry-Sirup und dem dazu gereichten Frucht-Leder mehr als die Erinnerung an eine Fernsehserie und bessere (?) Zeiten. „Wir wollen bewusst die Drinks nicht zu sehr garnieren“, gibt der Barchef die Devise für das Lokal aus.

Marcus Philipp serviert in der Spelunke mexikanischen Marine-Mezcal

Am besten sieht man diese Verbindung aus Convenience und Komplexität beim Espresso Martini, bei dem hier ein Vodka-Cold Drip eine wesentliche Rolle spielt. Im voll besetzten Lokal Espresso zu brühen und zu kühlen, muss ja nicht sein, so der Pragmatiker. Bis die genaue Menge des Kaffees für den Vodka – der in Wien ob seiner Cremigkeit geschätzte „Green Mark“ – stand, wurde eben viel experimentiert. Dafür läuft der Drink aber mittlerweile auch. Und was soll man sagen: Die Version der Spelunke ist kein Wachmacher-Shot, wenn man schon alles und noch einen mehr hatte, sondern ein cremig-vielschichtiger Drink.

Wenn es um’s Meer geht, könnte man vielleicht den alten Marine-Chef, Erzherzog Maximilian, ins Treffen führen. Denn seinem Sterbeort Mexiko, wo er nur kurz als Kaiser amtieren durfte, sind gleich auffällig viele Cocktails gewidmet. Der Grund liegt aber in keinem K.u.K.-Brückenschlag vom Donaukanal nach Triest und Vera Cruz. „Es wurde einfach viel danach gefragt“, hat Philipp die komplette Liste seiner in Mexico servierten World Class-Drinks auf der Karte platziert. „Mosquito brutal“ etwa war sein eigener Kampfname beim Wettbewerb, der Drink dazu (12 Euro) stellt einen rauchigen Tequila-Daiquiri dar.

Dass an diesen Rezepten lange gefeilt wurde, merkt man ihren ausbalancierten Aromen an. Der auf Frida Kahlos Biographie und ihrem On-off-Verhältnis zu Diego Rivera basierende Old Fashioned-Twist „Frida y Diego“ nimmt mit seinem Kakao-Chipotle-Sirup Bezug auf das legendäre Mole-Rezept der Malerin. Er spiegelt aber auch, salzkaramellig und chili-rauchig zugleich, das bitter-süße Liebesleben des Paares wider. Auch der „Diego Hunter“ bringt die in der Küche geräucherten Chilischoten, diesmal im Verein mit Mezcal, Whisky und Jägermeister, zur Geltung.

Damned! Ein dekonstruiertes Dany Sahne in Wien

Wer mit derlei überseeischer Intensität hadert, sollte sich einmal nach den Lieblingssüßigkeiten von Marcus Philipp und seiner Tochter erkundigen. Die grüne Hälfte des „Twinni“-Eises hat es noch nicht auf das Drinksmenü geschafft, das vanillige Dany Sahne hingegen schon. Die Dekonstruktion der Puddingcreme war ein persönliches Anliegen. „Ich wollte unbedingt auch einen Dessert-Drink auf der Karte haben“, so Marcus Philipp. Doch die Umsetzung klappte erst mit einem Mix aus Mango und Buttermilch. Neben dem „Mausi Martini“ stellt das „Dany Sahne“ den aktuellen Bestseller der Spelunke-Drinks dar. Das (mehrheitlich weibliche) Medien-Volk hat sich hier schnell seine „Kantine“ eingerichtet.

An Ideen, wie sich die eben eröffnete Bar im Sommer präsentieren wird, mangelt es nicht. Wenn die Türen zum Donaukanal offen stehen und in den blau-weißen Strandkörben gelümmelt werden kann, wird es sowohl Cocktails to go geben, als auch Punch Bowls. „Das passt ideal zu unserem Sharing-Konzept“, meint Marcus Philipp zur Zukunftsmusik auf dem Schiffer-Klavier (die letzte Nautik-Metapher in diesem Text, versprochen!). Denn die Spelunke-Lockerheit samt Werner Helnweins „generellem Siez-Verbot“ verpflichtet auch an der Bar. Nebenan fragt ein Gast gerade, ob man hier denn auch an der Theke etwas essen dürfe. Antwort Marcus Philipp: „Du darfst nicht, du musst.“ Das könnte man auch über den Tresen pinseln.

Credits

Foto: Fotos via Akira Sakurai.

Comments (2)

  • Marco Estate

    Der Bericht trifft es auf den Punkt! War jetzt 3x in der Spelunke und bin jedes Mal mit einem guten Gefühl wieder hinausgegangen. Marcus Philipp ist ein überaus netter Seemann hinter dem Tresen, ist mir am Sonnendeck damals gar nicht so aufgefallen. Die Qualität der Drinks sind sehr gut und die Atmosphäre (gute Musik!!) sowieso.
    Herrlich auch das Rauchverbot im Lokal – so kann man die Abende noch mehr genießen.

    reply
  • Marco Estate

    Der Bericht trifft es auf den Punkt! War jetzt 3x in der Spelunke und bin jedes Mal mit einem guten Gefühl wieder hinausgegangen. Marcus Philipp ist ein überaus netter Seemann hinter dem Tresen, ist mir am Sonnendeck damals gar nicht so aufgefallen. Die Qualität der Drinks sind sehr gut und die Atmosphäre (gute Musik!!) sowieso.
    Herrlich auch das Rauchverbot im Lokal – so kann man die Abende noch mehr genießen.

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