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Als Gastgeber auf der Bühne: Maximilian Heidenreich

Der gebürtige Hannoveraner Maximilian Heidenreich ist vor einem Jahr in Berlin gelandet. Seither tobt er sich bei Jean-Pierre Ebert in der rivabar als Bartender aus. In der kreativen Barwelt fühlt er sich wie Zuhause, sein spiritueller und kulinarischer Horizont ist grenzenlos. 

Maximilian Heidenreich ist in der Nähe von Landshut aufgewachsen. Schon während seiner Gymnasialzeit in Bayern verschlägt es den Hobby-Gitarristen in die Welt der Bars. Natürlich um das Taschengeld aufzubessern, vor allem aber um Erfahrungen „der anderen Art“ zu sammeln und erste Eindrücke vom Leben in der kreativen Getränke-Gastronomie zu gewinnen.

Vom Buch zur Bar

Fachbücher, Magazine und vor allem das Internet weiten seinen Blick über den Tellerrand und gestatten ihm einen Fernblick von Landshut auf die Entwicklung der Barkultur und ihrer Protagonisten. Im Selbststudium vertieft er sein Fachwissen über klassische Drinks, deren Aufbau, Profil und Geschichte und klinkt sich in die Bar-Community ein. Heute ist der 24-Jährige selbst ein Mitglied dieser. „Einen Kulturschock“ im Sinne einer Bereicherung hätte er bei seiner Ankunft in Berlin erlebt. „Aber ich war sofort da und wurde an der Hand genommen. Eine kleine, eingeschworene Gemeinde ohne Konkurrenz“, erinnert er sich an den herzlichen Empfang in der Berliner Barszene.

Eine gesunde Portion Neugier auf alles, was die Stadt zu bieten hat, lässt jeden Tag für ihn und seine Freundin Juliane zu einem Abenteuer werden. Juliane ist ihm nachgefolgt, arbeitet als Krankenschwester und bringt dadurch ein Grundverständnis für Max‘ Arbeitszeiten mit.

Das Motto heißt dranbleiben

Gemeinsam betreiben sie „Bar-Hopping“ zu Max‘ Kollegen. Schließlich sei man unter Freunden, müsse aber stets auf dem Laufenden und über das Bar-Geschehen informiert sein. „Wie viele andere Bars haben wir sonntags und montags geschlossen. Dann genieße ich meine Ruhe“. Nicht unbedingt Barbücher, denn diese kennt er bereits, sondern Fantasy-Romane lassen ihn „abschalten und sich für kurze Zeit verlieren“.

In der rivabar verwirklicht er sich als Bartender in einem sechsköpfigen Team. Heidenreich schätzt die Möglichkeit, hier seine grenzenlose Kreativität ausleben zu können. Dafür bedient er sich gerne der Kräuter-Hochbeete im Gastgarten, der auf den Fernsehturm blicken lässt. Rosmarin, Minze, Melisse: Alles da. Heidenreichs Favorit aber ist Lavendel, der in Wermut-Kombinationen oder Daiquiris nicht fehlen darf. „Und natürlich Basilikum für die Hamburger und ihren Gin Basil Smash“, fügt er keck hinzu. Seiner Fantasie in der Neugestaltung von Drinks sind keine Grenzen gesetzt: „Ich kann mich hier richtig austoben“. Und so passiert es, dass das durchwegs gemischte Publikum in den S-Bahnhöfen am Hackeschen Markt von Kreativ-Kompositionen des leidenschaftlichen Hobbykochs wie „einer Messerspitze Feigensenf in Beerenschnaps gerührt“ überrascht wird. „Ein Bartender, der nicht gerne kocht, kann eigentlich kein guter Bartender sein“, findet der ‚absolute Genussmensch‘.

Die Gretchenfrage

Nach seinem Abschluss der Hotelfachmann-Ausbildung war er sich nicht ganz sicher: Gastgeber sein oder doch lieber Tellertaxi im Service der Sterne-Hotelgastronomie. Maximilian Heidenreich entschied sich für die Gastgeberschaft und das Handwerk hinter der Bar, wo er beide Leidenschaften ausleben kann. Dennoch hat er viel aus der Service-Praxis mitgenommen: „Schnelligkeit und Präzision, das hilft für Improvisation und Ordnung. Und man wird abgehärtet und erfahren im Umgang mit Menschen“. Sein Beruf bedinge den Willen zum Gastgeben, der für ihn „Zurückhaltung gepaart mit natürlicher Herzlichkeit“ bedeutet.

Er hat sich für das Handwerk hinter der Bar entschieden. „Aber was bringt es, wenn ich mich dahinter verschanze? Wir arbeiten von Mensch zu Mensch, ich darf mich nicht der perfekten Drink-Zusammenstellung widmen und den Gast verlieren“, betont er die Bedeutung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Handwerk, Gastgeberrolle und Service.

Klassiker und Qualität auf der Bühne

Eine Bar sei wie eine Bühne für alle Mitwirkenden. „Wir treffen neben der Bartätigkeit die Musikauswahl, beachten Hintergrundgeräusche und steuern die Lichtverhältnisse für unser Publikum“, sagt Heidenreich. Die Nachfrage nach Qualitätsprodukten, das Interesse an Cocktail-Zutaten, die Kenntnisse über die regionale Bandbreite an Spirituosen und der Wunsch nach diesen verändere auch die Ansprüche und Erwartungen des durchwegs gemischten Publikums.

Stammgäste, Touristen, junges urbanes Publikum, unterschiedliche Charaktere treffen in der Bar aufeinander. „Sie ist Treffpunkt, ein Rückzugsort und manchmal auch Aufenthaltsort zwischen Terminen“, so Heidenreich. Ob ein Gast nun etwas auf den Leib geschneidert oder einen „unverhandelbaren Klassiker“ wünscht, eine Empfehlung erwartet, sich überraschen oder einfach nur fallen lassen will, das will der Wahlberliner ziemlich schnell herausgefunden haben. „Das ist meine Aufgabe“, sagt er. Das müsse man als Gastgeber erkennen. Zurückhaltend, aber eben herzlich. „Wir kommunizieren von Mensch zu Mensch, nur im Service kann man den Kontakt zu den Gästen auch leben“. Er selbst mag es am liebsten einfach: „Einen Old Fashioned oder gute Biere. Da bin ich aus Bayern verwöhnt. Es muss nicht immer Craft Beer sein“.

Das Brett, das die Welt bedeuten kann

In die Selbstständigkeit zieht es den jungen Bartender nicht. „Das Unternehmersein muss für mich wirklich sehr gut durchdacht sein, sonst funktioniert das nicht. Es braucht viel Zeit und muss nicht sein“, sagt er. Mit seinen 24 Jahren steht er allerdings am Beginn seiner Laufbahn und schüttelt Ideen für ein eigenes Lokal aus dem Ärmel. Sein Motto hieße: Reduktion. Das Spirituosensortiment würde nicht mehr als 20 Flaschen betragen. Gäste würden in seiner Karte jede Woche ein neues Cocktail- und Getränke-Menü mit einfallsreichen Kompositionen vorfinden. Und „frische Ware, die direkt am Tresen für den Gast verarbeitet wird“.

Seine Entdeckungsreise geht weiter. Die Mentalität, Gastronomie und Sprache Russlands interessieren ihn besonders. Auch in Frankreich, „dem Geburtsland der Gastronomie“, oder in London könnte er sich vorstellen, sein Glück als Bartender zu suchen. „Deswegen habe ich mich unter anderem für diese Ausbildung entschieden“, sagt er. Maximilian Heidenreich tobt sich also aus in Berlin. Er ist angekommen, nicht aber verwurzelt. Muss er auch nicht sein, immerhin ist er Teil des Bühnenensembles und kreiert grenzenlos „auf den Brettern, die die Welt bedeuten“.

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