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Miguel Fernandez Fernandez: Fernweh in Frankfurt

MIXOLOGY ONLINE hat in einem längeren Gespräch mit dem Barmanager der renommierten Frankfurter Hotelbar Roomers dessen Philosophie ergründet und seinen Werdegang aufgezeichnet.

Für die Zukunft hat Fernandez am Ende noch eine Überraschung parat.

Der Sohn eines Spaniers und einer Niederländerin ist ein eloquenter Mann. Mit westfälischem Zungenschlag macht er schnell klar, dass sein Metier die Interaktion mit Menschen ist. Der 34-Jährige hat eine ziemlich vertikale – man könnte auch klischeehaft sagen, steile – Karriere hingelegt. „Ich komme aus einem Kaff bei Kleve, das keiner kennt. Als McDonalds hier eine Filiale aufgemacht hat, war das eine Sensation. Das Lebendigste in der Gegend ist wahrscheinlich die nahe Autobahn und die Tankstellen“, scherzt er. Provinz, wie sie eben nicht trüber sein kann. Das gähnende Grauen für einen jungen Menschen mit Ambitionen.

Der Chemiebaukasten

Um seinen Weltdurst zu stillen, bricht er das Gymnasium ab und fasst den Entschluss, Koch zu werden. Daraus wurde nichts. Aber es findet sich eine Stelle als Restaurantfachmann. Abhaken und dann nichts wie weg. Vielleicht mit dem Rad nach Holland, es sind nur ein paar Kilometer bis zur Grenze, und Amsterdam ist näher als Köln. Es wird schließlich das feine Düsseldorf. Er spürt bereits sein Interesse für die Bar, und so landet er in einer Aperitifbar. „Ich erinnere mich noch an meinen ersten Drink den ich gemacht habe. Es war ein Long Island Ice Tea“, er sei noch heute irritiert, dass er nahezu alle Spirituosen, die in dieser Bar vorrätig waren, zur Herstellung jenes flüssig-fuseligen Irgendwas verwenden musste. Der Drink sei so ungefähr das Äquivalent zu einem Chemielaborkasten, den man als Junge geschenkt bekommt. Alles in ein Reagenzglas hineinkippen, was der Kasten hergibt, und dann: schauen, was passiert. Abmarsch nach Köln!

Lächelnde Barbrigade

Hier tritt Fernandez seine erste Stelle an, die so etwas wie Zukunft verspricht: im Hotel Hilton und der angeschlossenen Ice Bar. Aber zunächst ist das Restaurant seine Wirkungsstätte. Und er beobachtet Seltsames: „Während es im Restaurant doch immer etwas formal und angespannt zuging, hatten die Bartender immer ein Lächeln auf dem Gesicht, das hat mich angezogen.“

Bei einem abendlichen Besuch an der Bar kommt Fernandez mit seinem Sitznachbarn ins Gespräch und erzählt, dass er morgen hier seine erste Probeschicht habe, da es ihm besser gefalle, als im Restaurant. Und er lernt gleich seine erste Lektion – Diskretion. Wildfremden Menschen gegenüber sein Herz auf der Zunge zu tragen, ist nicht immer klug. „Als ich am nächsten Tag meinen Dienst antrat, erschien plötzlich mein Gesprächsnachbar von gestern Abend mit Anzug hinter der Bar und stellte sich als mein neuer Barmanager vor, bevor ich ihn rausbitten konnte“, schmunzelt er und fügt noch an, dass ihm seine Offenherzigkeit des Vorabends peinlich war. Aber er gehört nun auch zur Barbrigade der Lächler.

Von Ärschen und versauten Witzen

Den nächsten Schliff holt er sich im Al Salaam, „hier habe ich noch einmal viel gelernt und meine Skills als Bartender verfeinert“. Aber nach beinahe sechs Jahren ist es dann Zeit, Köln zu verlassen. Die erste Auslandsstation kündigt sich an und der Berg ruft. Als Saisonnier lässt sich Miguel in der Schweiz verpflichten: „nicht mein Ding“, sagt Fernandez heute. Aber er hat nun herausgefunden, was ihm wichtig ist an einer Bar, hält es gar für das zentrale Kriterium: „Du brauchst nur wenige Dinge, aber da greift eins ins andere. Atmosphärische Musik, Kommunikationsfähigkeit und einen Bartender mit einer Persönlichkeit. Ich vertraue eher auf eine gute Stimmung, als auf einen perfekten Drink. Ein Arsch bleibt ein Arsch, von dem will ich keinen Cocktail haben“, diktiert der Mann, dem außerdem Humor nicht fehlen darf. „Spirits und Ona Mor in Köln, Mutis in Barcelona, oder The Parlour in Frankfurt erfüllen da unter anderen meine Kriterien.“

So glaubt er, in Frankfurt den entsprechenden Platz im Gekkos, unter der Ägide von Gabriel Daun, gefunden zu haben. „Der kann zwei Stunden Nietzsche und Kant zitieren und am Ende den versautesten Witz der Welt erzählen.“ Zudem sei er ein kluger Barstratege. Für zwei Jahre bleibt das Gekkos im Hilton Miguels Heimat, bis das ebenfalls zum Unternehmen gehörende Roomers einen neuen Barmanager sucht. Next Level.

Verantwortung und Fernweh

Dort bringt er zur Anwendung, was er sich von seinen Vorbildern Edgar Fenoy Terezo, Ricardo Albrecht, Yared Hagos oder Tom Jakschas angeeignet hat. Spielt mit seinen Lieblingsspirituosen Rum, Tequila und Mezcal. Seit zwei Jahren tut er das mittlerweile als Barmanager, doch dann lässt er die Katze aus dem Sack: „Mitte Juni ist Schluss. Ich nehme mir eine Auszeit und schaue dann was kommt. Es wird aber keine eigene Bar sein, ich will mich noch mehr in der Welt umsehen und dazulernen.“ Auf die Frage, wie er denn sein Sabattical gestalten wolle, sprudelt es aus ihm heraus: „Meine Hobbys pflegen, wie Fußball – seine Liebe gilt dem FC Barcelona —, Radfahren, Fitness und vor allem Reisen.“

Fernandez war kürzlich beruflich in Australien und ist begeistert, vor allem von Melbourne und dessen Barkultur. Dort wird es ihn wohl wieder hinziehen. „Der asiatisch-pazifische Raum wird das Ziel sein, vielleicht sind auch noch Südamerika oder die Karibik drin“, freut er sich schon. Aber ihm ist nicht bange vor der Zukunft, „egal was passiert. Hätte ich studiert, wäre es irgendwas mit Kommunikation oder Sprachen gewesen. Wo könnte ich das besser, als in der Bar. Hier bin ich ständig in Kontakt mit spannenden Menschen“. Hauptsache weit weg von McDonalds.

Credits

Foto: Sandra Mann

Comments (1)

  • Thomas Domenig

    Schöner Artikel!

    reply

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