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Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde Oktober 2016

Ernsthaft? Zweimal Vodka in einer Verkostungsrunde? Doch, diesmal schon: Wyborowa Ziemniak und Abyme aus Berlin zeigen die Vielfalt des Segments. Dazu gibt es hanseatischen Cider, klassischen Gin aus dem Hause Conker, den neuen Geniestreich von Giuseppe Gallo sowie einen jungen, aber alles andere als jugendlichen Cognac von Larsen.

Dass es das einmal geben würde: Gleich zwei Vodkas werden in dieser herbstlichen Runde verkostet. Zudem haben wir den neuen Bergamotte-Likör von Ex-Martini-Ambassador Giuseppe Gallo betrachtet und fragen uns, warum die Cognacs von Larsen so schwer zugänglich sind. Erstmal schauen wir jedoch nach Hamburg, wo es perlt und sprudelt.

Lazy Fox Cider

Aus Hamburg kommen seit Kurzem die beiden innovativen Cider-Abfüllungen unter dem Label Lazy Fox. Der faule Fuchs verspricht neuartigen, zeitgemäßen Genuss im wachsenden Cider-Segment. Beide Sorten basieren auf der klassischen Apfel-Variante, die eine Abfüllung mir der Ergänzung um Cranberry und Minte, die andere – hier getestete – nimmt mit den Aromagebern Ingwer und Basilikum zwei der in letzter Zeit populärsten Geschmackskomponenten der Getränkeszene auf.

Der Lazy Fox steht mit leuchtendem Gelb und grünlichen Reflexen im Glas, die Perlage zeichnet sich nur leicht an der Wand ab. In der Nase sind der Ingwer und der Basilikum nur Hintergründig vorhanden, es dominiert eine kraftvolle, leicht kompott-artige Apfelnote. Ein schöner erster Eindruck. Im Mund ist der Cider relativ süß, zumindest im Vergleich mit anderen aktuellen Neuerscheinungen, jedoch keinesfalls zu süß. Gleichzeitig fehlt dem Lazy Fox nach Ansicht der Tester-Runde ein klein wenig die erwartete, pikante Note der beiden zusätzlichen Zutaten – diese dürften gut und gerne noch etwas mehr Präsenz bekommen. Abseits dessen darf der Lazy Fox, der noch vom Hersteller selbst in Hamburg und Umgebung (für 2017 wird eine überregionale Verfügbarkeit in Richtung Berlin angestrebt), als eine schöne kleine Alternative für Bars gelten, die ihr Angebot im Bier- und Wein-Bereich erweitern wollen.

Italicus Rosolio Bergamotte

Alles andere als ein Unbekannter ist das Gesicht hinter dem Anfang September offiziell vorgestellten Italicus Rosolio-Likörs: Niemand geringeres als Giuseppe Gallo, der Jahre lang als globaler Markenbotschafter für Martini & Rossi in der Branche unterwegs war, zeichnet verantwortlich für den Likör auf Basis von Bergamotte, Zeder und anderen Botanicals, der in der herrlich schönen, an eine antike Säulenstruktur erinnernden Flasche auf den Markt kommt.

Die Gattung Rosolio ist ein traditioneller Likör aus dem norditalienischen Raum, seit vielen Jahrzehnten jedoch ist das Segment mehr als ruhig. Mit dem Italicus will man das ändern, und die Chancen stehen gut, dass das in Bezug auf die Barszene auch gelingen könnte: Der Likör steht stabil und viskos im Glas, er ist ganz leicht eingetrübt und verströmt ein volles, frisches und sehr komplexes Aromenprofil, in dem die zitralen, ätherischen Noten der Bergamotte dominieren. Mit der Zeit drängen sich Lavendel und Enzian mit dazu. Geschmacklich überzeugt er mit einer ausgewogenen Süße und toller Cremigkeit. Dabei bleibt die zitral-blumige Frische vorhanden, der Likör entwickelt zudem ein beachtliches Volumen am Gaumen. Ein tolles, vielseitig einsetzbares Produkt, das derzeit in Deutschland noch über keinen Vertrieb verfügt, aber problemlos und zu einem fairen Preis online erhältlich ist.

Wyborowa Ziemniak Limited Edition

Noch gar nicht lange ist es her, dass der Vertrieb der unter Kennern beliebten polnischen Vodkamarke in Deutschland von der Destillerie Kammer-Kirsch übernommen wurde, da kommt bereits die zweite Neuerscheinung im laufenden Jahr: Mit dem „Ziemniak“ (polnisch „Kartoffel“) bringt Wyborowa eine Limited Edition heraus, die zu 100% auf dem Erdapfel basiert und damit ein traditionelles, mithin aber immer weniger bespieltes Feld im Vodka-Bereich bedient. Packaging und Label sprechen die bekannte, elegante Sprache des Hauses, auch der Preis ist mit ca. 14 Euro für den halben Liter mehr als fair.

Der Ziemniak selbst besticht durch ein überraschend volles, komplexes Bouquet mit Tönen von Holz, Mineralität und dunklem Brot. Nach längerem Nosing tritt eine klare Note von weißem Pfeffer hinzu, die im weiteren Verlauf schon mit der feinen Süße, dem milden Gesamteindruck und der schön gebundenen, leicht alkoholischen Textur harmoniert. Eine feine, darüberhinaus günstige Vodka-Alternative mit Ecken und Kanten.

Mise en Abyme Vodka

Berlin ist schon immer Vodka-Territorium. Das wahrscheinlich jüngste Mitglied der hauptstädtischen Familie ist Mise en Abyme Vodka aus dem Bezirk Neukölln. Mit reinem Berliner Wasser auf Trinkstärke gebracht, dreifach gebrannt und auf Weizen basiert, verspricht der Brand mit dem simplen, minimalistischen Packaging in Schwarz-Weiß einen milden Genuss, ohne in die Beliebigkeit abzugleiten.

Besonders im direkten Vergleich mit dem polnischen Platzhirsch zeigt sich, wie stark auch innerhalb des oft als neutral verschrienen Segments die Unterschiede zwischen zwei Destillaten sein können: Der Abyme zeigt eine floral-fruchtige, sehr zurückhaltende Nase. Besonders Nuancen von Veilchen, Quitte und etwas Marille sind deutlich zu identifizieren. Später dann sehr zugänglich und weich, bleiben die Fruchtnoten im Vordergrund, der Vodka hinterlässt insgesamt einen verspielten und positiven Eindruck. Preislich wie geschmacklich besonders gut geeignet für Einsteiger, sollte für den gelungenen Bar-Auftritt evtl. noch an der Beschaffenheit der Flasche, auf jeden Fall aber an jener des Verschlusses nachgebessert werden. In Berlin gut im Fachhandel verfügbar, jedoch ebenfalls online.

Conker Dorset Dry Gin

Auf halber Strecke zwischen den beiden Gin-Hochburgen London und Plymouth liegt die Region Dorset. Die dortigen Brenner von Conker Spirits brüsten sich daher stolz, die ersten Gin-Destillateure in Dorset zu sein, das unter Bar-Freunden ansonsten wohl eher bekannt aufgrund des berühmten Dorset Square in London, zentral gelegen zwischen Hyde Park und Regent’s Park. Zumindest äußerlich jedenfalls muss sich der Conker Gin auch vor einem solch mondänen Umfeld nicht verstecken: Flasche und Design bekommen eine glatte „Eins“, vom kupferfarbenen Verschluss über die breite Flasche mit der angeschrägten Schulter bis hin zu den edlen Etiketten in Goldgelb und Altweiß samt Kupferprägung.

Und ebenso zeigt sich der Gin geschmacklich erstklassig und, vor allem, eigenständig: Einerseits nimmt er eine präsize und crispe London Dry-Stilistik mit Aromen von Pinie, Wacholder und pikantem Zitrus auf, gleichzeitig treten waldige Aromen von Moos und Ginster (eines der Botanicals) sowie ölige Bergamotte-Noten auf. Die sehr komplexe Nase geht über in einen stringenten, spitzen und angesichts der moderaten 40% Vol. sehr voluminösen Eindruck an Zunge und Gaumen, besonders die frischen Komponenten stehen nun im Vordergrund. Ein wunderbarer Gin und einer Zierde fürs Rückbüffet, der sowohl in Martini und Negroni, aber auch im G&T eine elegante, kraftvolle Figur machen dürfte. Bei einem Preis von knapp über 40 Euro zudem in seiner Preisklasse ein Tropfen, der sich vor niemandem verstecken muss.

Larsen Winter Blend Cognac

Das Cognac-Haus mit den norwegischen Wurzeln will neue Wege gehen. Zu diesem Zwecke wurden von Larsen vor wenigen Wochen zwei neue Brände ohne Age Statement bzw. ohne die cognactypische Klassifizierung herausgebracht, mit denen die Marke mit dem Wikingerschiff besonders die Mixologen von heute in den Fokus rückt: Sowohl der „Summer Blend“, ein junger, nur kurz gereifter Eau-de-Vie, als auch der „Winter Blend“, ein veritabler Cognac, sind aus 100% Ugni Blanc destilliert. Der hier vorliegende Winter Blend erhält dann seine Reife in leichten Eichenfässern, was dem traditionell fruchtbetonten Geschmack der Larsen-Blends entgegenkommt.

So überrascht das knackige Aromenprofil des Winter Blends auch nicht: Neben Apfel und Traube mischen sich zudem viel Trockenobst, Konfitüre und eine gute Portion Holz unter. In den Mund tritt er zunächst mit einer spitzen, etwas flachen Frische, in Richtung Gaumen jedoch kommen die Fruchtnoten wieder sehr schön zum Vorschein, bevor das tolle, an Kaffee und Karamell gemahnende Finish das Ruder übernimmt. Mit Sicherheit ein interessanter, junger Mixing-Cognac, wie sie das Segment derzeit dringend braucht, um an der Bar spannend zu bleiben. Leider ist die vertriebliche Situation bei Larsen sehr diffus, online ist der Winter Blend allerdings für knapp 40 Euro erhältlich.

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Credits

Foto: Foto via Sarah Liewehr.

Comments (2)

  • JGATSBY

    Über welchen Shop kann man den Italicus online beziehen?
    Klingt sehr interessant!!

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