TOP
rias bar berlin

Rias Bar: Eine Frage des guten Tons

Die Rias Bar in Berlin trägt die Hommage an den „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ im Namen. Als Bar ist man jedoch in der Gegenwart verwurzelt. Zu Besuch an einem Ort, für den das Wort Nachbarschaftsbar wie geschaffen scheint.

Die Rias Bar ist eine gute Bar für erste Verabredungen. Sie ist hinreichend versteckt, um mit ihr als Vorschlag beim Gegenüber punkten zu können, gleichzeitig ist sie hervorragend zu erreichen und von der U-Bahnstation Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg gerade einmal vier Gehminuten entfernt. Essen kann man zuvor in der um die Ecke gelegenen Markthalle Neun oder in einem der vielen kleinen Restaurants im Kiez, wie etwa dem Klassiker Der Goldene Hahn oder dem hippen Asia-Konzeptladen Long March Canteen. Hier liegt das Herz Kreuzbergs, und wer für ein Wochenende Berlingäste empfängt und den Bezirk erkunden will, tut sich mit den Straßen um die Rias Bar einen Gefallen.

Rias Bar: Ein Ort für Handwerk und Geschmack

Die Rias Bar selbst ist ein länglich der Straßenfront entlang ausgerichteter Raum mit hohen Fenstern. An einem gegenüber des Eingangs gelegenen Tresen, der sich beinahe über die gesamte Länge des Raumes zieht, ist es nahezu unmöglich, sich zu verpassen. Die Holztische gegenüber des Tresens entlang der Fensterfassade sind mit Kerzenlicht etwas dunkler ausgeleuchtet, der Raum ist dominiert von einem überdimensionalen Foto mit einem Motiv der Dächer Istanbuls. Die Rias Bar ist vieles, aber kein Ort, an dem einem langweilig werden müsste. Ganz abgesehen von dem Fenster in den Bosporus, bietet die Bar im Stile der frühen 1960er Jahre alle Spirituosen, die das Herz begehrt, setzt dabei keine Schwerpunkte, sondern auf Vollständigkeit.

Raphael ist seit fünf Jahren Bartender am Rias Bar-Tresen, hauptverantwortlich für die Karte und setzt eher auf gehobene Standards denn auf Trends. Klar steht da ein Gin Mare – aber als einer von neun Gins, weshalb man nun wirklich nicht sagen kann, dass die beiden Barbetreiber Julian Arons und Marc Siebold es darauf angelegt hätten, den trendfähigen Tendenzen hinterherzurennen.

Rias Bar als Freundschaftsprojekt in Berlin

Begonnen hatte die Idee der Rias Bar eigentlich mit dem angrenzenden Studioraum. Marc und Julian, beides gebürtige Hessen, verbindet eine langjährige Freundschaft mit Höhen und Tiefen, und so hatten sie entschieden, einen Ort zu schaffen, an dem Handwerk und Geschmack, Beruf und Leidenschaft einen Raum haben sollten – einen Ort des guten Tons.

Dies erklärt auch den eigentlichen Titel der „Rias Bar GT“. Obwohl immer klar gewesen war, dass Julian und Marc eine Bar betreiben wollten, zäumten sie das Pferd zunächst von hinten auf. Erst das Studio, „unserem Raum für Quatsch und Design“, wie Julian, der früher u.a. im Club Watergate gearbeitet hat, ihn gerne nennt. Hier sollte ein kreatives Kooperationsbüro installiert werden, in dem Neues entsteht. Danach kam das anliegende Café, das „D´Espresso“ dazu – und zuletzt, Anfang 2012, die Rias Bar. Die Grundstruktur war geschaffen: ein Tages-, ein Nacht- und ein Kreativgeschäft – mehr als diese Trias braucht ein Mensch nicht.

Viele Wege führen an den Rias Bar-Tresen

Die Getränkekarte wechselt saisonal und ist mit Eigenkreationen, Klassikern und modernen Twists bestückt. So finden sich auch regelmäßig Drinks von internationalen oder nationalen Bars und Bartendern, denen man Tribut zollt, im Menü, derzeit etwa ein St Lawrence, bestehend aus Bourbon, Ahornsirup, Zuckersirup, Zitrone und Angostura Bitters. Wer auf whiskybasierte Drinks setzt, tut sich mit dieser Variation eines Sours einen großen Gefallen.

Ohnehin werden sich Menschen mit diesen Aroma-Affinitäten in der Rias Bar wohlfühlen, denn die wohl liebste Spirituose des Teams ist der Whisky – gerne rauchig, Bourbon sowieso und auch der eine oder andere Japaner findet sich im Backboard. Die Bar hat Julian im Gros selbst gebaut – er ist gelernter Tischler und Architekt. Marc hingegen hat Medien und Kommunikation studiert und lange Zeit in der Kirk Bar am Schlesischen Tor gearbeitet. Beide stehen auch heute noch regelmäßig hinter dem Tresen ihrer Bar.

Die Kombination aus Café und Bar, ja die verschiedenen Wege, welche das Team zur Rias Bar, wie sie heute ist, geleitet haben, spiegelt sich auch in den Drinks wider. Espresso Martini-Variationen gehören zu den meist bestellten Cocktails, und auch Kreationen wie Marcs „Joschka“, ein Drink aus Cuate Rum, Verjus, Limette, Agaven-und Holundersirup, werden dankend angenommen.

Freitag Abend in der Rias Bar…

Die Bar füllt sich, wie es sich für einen Freitag Abend gehört, und inzwischen sitzt auch Helena am Tresen, der jüngste Zuwachs im Team. Im Service begonnen, hatte sie schnell Lust auf mehr bekommen, und die Jungs haben der Schottin, die erst vor kurzem nach Berlin gezogen ist, diesen Raum gegeben. Den Blick auf die Flaschen hinter dem Tresen gerichtet, macht sie sich Notizen und bereitet sich auf ihre Schicht vor. Frauen im Team sind häufiger Thema gewesen, und so ist man allseits froh, die ehemalige Medizinstudentin an Bord zu wissen. Sie und alle anderen sind von Julian und Marc explizit dazu eingeladen, die Örtlichkeit für Veranstaltungen zu nutzen, sie mit Ideen, Projekten und Leben zu füllen – und sich auch immer an der Karte mit einzubringen. Bereits jetzt nutzen ehemalige Bartender des Hauses den Ort für Lesungen, für Zusammenkünfte des guten Tons eben.

Es gibt viele Gründe, die Rias Bar aufzusuchen – und einen, zu gehen, nämlich wenn man den Weg zur Toilette, der über eine einigermaßen steile Treppe am Ende des Raumes führt, nicht mehr allzu gut hinbekommt. Wer es schafft, dabei nicht versehentlich in den Studioraum oder von den Treppen zu stolpern, der gönne sich jedenfalls einen Bloody Nail –  nur zu empfehlen und von Zachary Nelson aus dem The Continental Room entliehen. Raphael mag seinen Bloody Nail jedoch gerne etwas rauchiger und hat ihn darum wie folgt abgewandelt.

5 cl Johnny Walker Black Label

1 cl Laphroaig

1,5 cl Drambuie

1,3 cl Cherry Heering

2 Dashes Orange Bitters

Auf Eiswürfeln rühren, im Old Fashioned Glas auf frischem Eis servieren und mit einer geflammten Orangenzeste garnieren.

Die Rias Bar GT gehört so

Die Rias Bar ist nicht nur ein hervorragender Ort, um einander kennenzulernen, sondern zeigt auch Berlin von einer angenehm zeitgemäßen Barkultur-Seite, die sich nicht bemühen will, so manch bekannte Münchener oder auf der Dresdener Straße gelegene Adresse zu kopieren, sondern auf den engen Austausch mit dem Gast und den darauf basierten Eigenkreationen setzt. Es ist eine Nachbarschaftsbar, die nicht nur so tut, als wäre sie eine; so hat beispielsweise der Motz-Verkäufer, der regelmäßig ein Freibier bekam, hier einen Job gefunden – und ist jetzt Lieferant für einen Spirituosen- und Weinvertrieb.

Das Paar im Eck liegt sich mittlerweile eng umschlungen in den Armen, Helena trinkt mit ihrer Freundin einen Mezcal Sour, und unter dem Istanbul-Bild gibt es Gin Basil Smash. Nebenan findet eine offensichtlich erstmalige Verabredung statt, es wird wenig gesprochen, nervös mit den Knien gewippt und Raphael erklärt, was es mit Namensgebung und Geschichte des Aviation auf sich halt: dankbares Nicken.

Berlin – Istanbul – Berlin

Für die Zukunft der Rias Bar haben Julian und Marc zunächst einmal keine großen Änderungswünsche. Das Publikum überschneidet sich in Teilen mit der Schwarzen Traube zwei Straßen weiter, die Rias Bar besitzt jedoch ein seit Jahren gewachsenes Stammpublikum – und die Gäste mit Türkei-Bezug freuen sich jedes Mal über das Istanbul-Bild, erklärt Julian.

„Die besonderen Raum- und Spannungsverhältnisse an diesem Ort machen es schwierig, ihn neu zu überdenken oder gar woanders hinzugehen“, so Julian. „Diese Bar gehört einfach genauso, wie sie ist.“

Credits

Foto: Foto via Rias Bar.

Kommentieren