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Die Leichtigkeit der Leidenschaft

Gerade wurde Sarah Deuss als Newcomer des Jahres bei den MIXOLOGY BAR AWARDS nominiert, jetzt steht ein Umzug von Bremen nach Stuttgart an. Die junge, aufstrebende Bartenderin im Gespräch über die Liebe zur Gastronomie, klassische Drinks mit einem leichten Twist und über die seltsamen Blicke, die sie noch bis vor Kurzem erntete, wenn sie für Sours ein Ei aufschlug. 

Sarah Deuss schmiss schon mit jungen 16 Jahren ihre erste Cocktail-Party. Damals hatte sie sturmfrei und es wurden „Klassiker“ wie Sex on the Beach, Caipirinha und Gin Fizz gemixt. Ihre Eltern wüssten bis heute nichts davon, erklärt sie lächelnd. Die Leidenschaft für die Bar — sie war bei Sarah Deuss schon sehr früh zu spüren. Und sie wirkt bis heute nach.

Von Punk-Kneipen bis zur gehobenen Barkultur Stuttgarts

Mit 17 fing Sarah an, in einer Rockkneipe zu arbeiten, dort servierte sie bärtigen Männern viel Whisky und Bier. Gastro-Jobs lagen ihr schon immer, da verwundert es nicht, dass sie 2008 eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem Allgäuer 5-Sterne-Haus anfing. Durch einen Berufsschulleiter mit guten Kontakten nach Frankreich kam sie so zur Bartender-Ausbildung ins Nachbarland. Nachdem der Reiz der Bar schon so früh aufgekommen war, war für die junge Sarah klar: wenn, dann auch mit 100%!

Eineinhalb Jahre lang hat sie in der Bretagne das Handwerk des Bartendings gelernt — alles auf französisch natürlich. Die Sprache beherrschte sie zu Beginn noch überhaupt nicht, lernte es aber schnell, einfach, weil es „gar nicht anders ging“. Und die Beharrlichkeit, das Engagement zahlt sich aus: zurück in Deutschland konnte die immer noch junge Bartenderin im Juni 2013 die Position als Barchefin im Blauen Fasan in der Hansestadt Bremen antreten. Der „Fasan“ hat es in den letzten zwei Jahren durch die Ideen und Impulse von Sarah geschafft, einen durchaus respektablen Posten in der deutschen Bar-Landkarte einzunehmen. Doch auch dieses Kapitel ist just letzte Woche zu einem Ende gekommen.

Von der Nordsee ins Ländle

Bei Sarah Deuss ist nun zunächst eine kurze Sommerpause angedacht, bevor sie zum Ende des Jahres hin nach Stuttgart zieht, um dort die stellvertretende Leitung der Bar in einem neuen Projekt von Alexander Dohnt, mit Markus Wolff als Geschäftsführer, zu übernehmen. Eine klassische Bar soll es werden, mit Speakeasy-Flair und einer großen Dachterrasse. Ein bisschen wurde ihre Entscheidung auch durch die Familie beeinflusst: nach 10 Jahren im Ausland und im hohen Norden zieht es Sarah doch zurück in die Nähe der Familie, die sich über diesen Schritt natürlich freut. In Stuttgart plant Deuss sich weiterzuentwickeln, mehr zu lernen und sich voll und ganz ins neue Projekt zu stürzen.

Außerhalb der Bar reist die ihn Renningen geborene Bartenderin gerne. Besonders reizen sie natrülich Städte, die eine große Cocktailkultur besitzen, New York würde sie zum Beispiel gerne sehen. Aber genauso kann sie sich eine Rum-Tour durch die Karibik vorstellen und eine Tasting-Safari durch Schottland. Meist beziehen sich ihre Reisen dann eben doch wieder auf den Beruf. Wie viele Bartender ist auch sie ein Genussmensch, geht gerne essen und legt auf schöne Dinge Wert. Gerade hat sie mit Sport angefangen und merkt, wie eine Runde durch den Park joggen dabei helfen kann, mal abzuschalten. Es ist zwar ein Prozess, an den man sich gewöhnen müsse, so Sarah. Aber einer, dem sie sich, wie allem, voll und ganz verschrieben hat.

Karte oder Klassiker?

Wenn sie selber Bars besucht, dann bestellt sie gerne von der Karte. Obwohl Sarah sich niemals einem Dirty Martini mit vielen Oliven verweigern würde, denkt sie, dass die Kollegen sich bei dem Zusammenstellen der Karte schon ihre Gedanken gemacht haben. Diese Arbeit respektiert sie und will für Neues offen sein und nicht nur in sämtlichen Bars ihre persönlichen Klassiker bestellen.

Obwohl Sarah in den vergangenen Jahren viele große Namen aus der Szene kennen und schätzen gelernt hat, so hegt sie doch die größte Ehrfurcht noch immer für ihren französischen Mentor und Lehrmeister: Yoann Demeersseman werde in Paris oft belächelt, da er seine Schule in Rennes betreibt — also an einem Ort, in dem so gut wie keine Cocktailkultur zu finden sei, meint Sarah. Seit Jahren macht er sich dort dafür stark, gute Drinks zu servieren und junge Bartender zu unterstützen. Während seine Kollegen in Paris ihn als Witzfigur darstellen, kämpft er täglich in seiner Schule dafür, Menschen die Kunst des Mixens beizubringen. Seine Motivation und Stärke findet Sarah ansteckend und inspirierend. Wenn sie von ihm spricht, verändert sich ihre Stimme und wird einen Tick kräftiger. Als ob sie sich für Yoann einsetzt, so wie er sich für gute Drinks. Die Nachhaltigkeit einer Lehrer-Schüler-Beziehung sollte eben nie unterschätzt werden. Genau diesen bescheidenen, geschulten Blick in die Vergangenheit scheint Sarah die Jahre über beibehalten zu haben und auch weiter beibehalten zu wollen

Sarah hat sich auf klassische Drinks mit einem leichten Twist spezialisiert, das macht ihr Spaß und wird ihr von ihren Gästen auch als Stärke zugewiesen, wie sie zugibt. Oft erkennt sie, was der Gast möchte, bevor dieser es überhaupt selbst weiß. Wie auch immer man es nennen möchte — Charme oder Intuition — es passt auf die junge Frau Deuss. Das, gekoppelt mit ihrer sicheren Hand hinter der Theke, macht ihre Arbeit aus.

Leidenschaftsgastronom

Die Nominierung als Newcomerin des Jahres bei den kommenden MIXOLOGY BAR AWARDS 2016 hat sie zu Beginn gar nicht für voll genommen: „Vieles ist gleich geblieben. Nichtsdestotrotz ist es schön, meinen Namen dort zu lesen. Als ich vor zwei Jahren angefangen habe in Bremen zu arbeiten, war es ein Cocktail-Niemandsland. Da hat es den Gästen noch gegraut, als ich ein Ei aufgeschlagen oder Rosmarin gepflückt habe. Die Barkultur in Bremen hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert, sie ist stark gewachsen. Ich habe immer wieder Tastings organisiert, Bartender an einen Tisch geholt und Leute motiviert, mitzumachen. Ich finde es schön, dass meine Arbeit honoriert worden ist.“

Konkrete Pläne für die fernere Zukunft hat Sarah momentan noch nicht. Als Nächstes geht es nach Stuttgart. Das war zwar vorher nie geplant, aber Sarah freut sich dennoch, dass es so gekommen ist. Sie selbst beschreibt sich als spontaner Mensch, der die Zukunft auf sich zukommen lässt. In 10 Jahren wird sie sicherlich immer noch eine Arbeit verrichten, die mit Spirituosen und Gastgebertum zu tun hat. Die Gastronomie ist ihre Leidenschaft, und so schnell bekommt man sie davon auch nicht mehr weg. Am wichtigsten ist ihr dabei die innere Ruhe. Den Rest wird die Zukunft schon richten.

Credits

Foto: Sarah Deuss bei der Academía del Ron 2015 via Havana Club. Fotograf: Torben Köster.

Comments (2)

  • jan

    Schöner bericht!…und noch schöner dass eine gute bertenderin den weg nach stuttgart findet. Gibt es zufällig empfehlung für cocktailbars in der bretange ?
    ..dahin mache ich mich namlich nächste Woche auf den weg und meine Recherchen diesbezüglich waren von wenig erfolg gekrönt….
    Mfg Jan

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  • Thomas

    Die Künste von Sarah in allen Ehren aber Bremen als Cocktail-Niemandsland vor Sarah zu bezeichnen kann nicht wirklich ihr ernst sein und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass Sie das ernsthaft einigen Kollegen so direkt ins Gesicht sagen würde die sich in Bremen schon lange vorher um Bar-Kultur verdient gemacht haben.

    Diese Heititeiti Cocktails begeistern in der Regel Menschen die keine Ahnung von den Spirituosen haben die sie verzerren, die früher oder später jedem Trend folgen, egal ob in Bremen, Hamburg oder Stuttgart und dich abfällig anschauen wenn Du “nur” einen Campari-Soda oder deinen Lieblingswhisky mit Cola bestellst aber selbst einen Rhum nicht von einem Whiskey unterscheiden können. Hochmut kam schon immer vor dem Fall und last but not least: Woher will Sarah eigentlich wissen das Bremen ein Cocktail-Niemansland war?

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