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Die Sharlie Cheen Bar in Berlin-Mitte steht für ausgelassene Bar-Abende

Sharlie Cheen Bar: Liquide Laszivität für Lebeleute

“Sheening” bezeichnet in den USA Abstürze in extreme Rauschwelten. In Berlin steht es vielleicht bald für den Besuch einer bestimmten Bar. Die Sharlie Cheen Bar ist benannt nach einem fiktiven Playboy, der 1915 geboren wurde. Ein Besuch in der ausladenden Lokalität zeigt jedoch rasch, dass sie im Hier und Jetzt verankert ist.

Bitte nicht verwechseln! Sharlie Cheen ist nicht Charlie Sheen. Letztgenannter ist einer der am höchsten bezahlten Seriendarsteller der TV-Historie mit einer Liste an Filmauftritten, die in etwa die gleiche Länge hat wie seine Einträge in polizeiliche Anklageregister und die Anzahl skandalöser Momente in Verbindung mit Drogen und Pornosternchen. Die Vokabel “Sheening” bezeichnet in den USA Fälle von übermäßigem Drogenmissbrauch und daraus resultierenden Abstürzen in extreme Rauschwelten. Die Berlin-Abwandlung “Juhnken” wäre dagegen wohl eher als harmlos zu bewerten.

GOODBYE, MOTHERFUCKER

Sharlie Cheen hingegen ist der der Name eines fiktiven Playboys, der 1915 geboren wurde, irgendwo in Europa, irgendwann im August. Das Cocktailmenü der Bar begleitet mit hübschen Geschichtchen und den passenden Drinks durch die Lebensgeschichte dieses Mannes. Ein Beispiel: “1960 war ein hässliches Jahr. So viel Schmerz zu erdulden, so viel Ärger zu bewältigen. “Goodbye, Motherfucker!” waren die letzten Worte, die sie mir entgegen schmetterte, bevor sie sich mit dem Kerl aus New York davon machte. Ich sah sie nie wieder. Aber ich fand einen Weg, mit der Situation umzugehen: Tanqueray Gin, Campari, D.O.M. Bénédictine, Orange Twist.”

So führt die Karte durch die Jahrzehnte, auch die Räumlichkeiten bieten unterschiedliche Atmosphären, je nach Lust und Laune. Von außen ahnt der Besucher zunächst nicht, welche Dimensionen die Bar im Inneren aufzuweisen hat. Schwarze Kordeln vor der Tür sollen ein elegantes Entree betonen, das in den dunklen, fast schwarzen Raum führt, der mit einer illuminierten Design-Decke aus 1000 hexagonal geformten Waben gekrönt wird.

Einige weitere ungewöhnliche Objekte zieren die Wände. Die beeindruckende Kunst im Tape-Art-Stil stammt von der Berliner Künstlergruppe “Klebebande”. Das gewaltige, sechsstufige Backboard mit reichhaltiger Flaschenfülle ist ebenfalls ein faszinierender Blickfang. Rasch wird deutlich, dass Gin und Whisk(e)y die Steckenpferde der beiden Betreiber, Dustin Render und The Anh Nguyen, sind. Nach ihren Konzepten für erfolgreiche Party-Locations wie der China Lounge, dem Café Moskau und dem E4 Club am Potsdamer Platz widmen sie sich nun mit ihrer neuen Bar stärker der Cocktail-Kultur.

SHEENING, DRINKING, INFUSING

Verantwortlich für die Drinks zeichnet Barchef Marius Döring. Seit zehn Jahren arbeitet der Autodidakt am Tresen und entwickelte mit Hilfe des Schumann’s Barbuch sein Know-How und seine eigenen Kreationen. Für eine Bar dieser Größe von knapp 200 Quadratmetern ist es nicht selbstverständlich, alle Säfte frisch zu pressen und eine Vielzahl von selbst gekochten Sirups und eigens mit Kräutern infusionierten Destillaten vorzubereiten. Durch den geschickten Einsatz von Spiegeln wirkt die Bar sogar noch größer. Engagiert und extrem freundlich umsorgt das Barteam jedoch die Gäste und führt sie an das Getränkekonzept heran.

Eine Bar von diesem Ausmaß will gefüllt werden, und so soll vom Biertrinker über den Longdrink-Einsteiger bis zum Cocktail-Aficionado jeder Besucher von Sharlie Cheen zufrieden gestellt werden. Dazu dienen dann ein “Apple Pie Julep” mit Bourbon, Ahornsirup, Limette und Apfelsaft genauso wie ein “The Flying Caligraph” mit Ayuverda-Tee infusioniertem Bombay Sapphire, selbst gemachtem Zitronengrassirup, Limette und Red Bull. Die Preise liegen zwischen neun und zehn Euro.

SWEET MOTHERFUCKER!

Einige der Drinks sind schon eher auf der süßen Seite positioniert. Das mag dem Kundengeschmack geschuldet sein, oder womöglich auch ein wenig dem sakralen Befolgen der Anweisungen aus dem Schumann’s-Lehrbuch, DEM Bar-Standardwerk der 1990er-Jahre. Bei der Bestellung eines Old Fashioned werden demnach Zitrone und Orange und entsprechender Zucker im Drink inkludiert. Heute nicht mehr unbedingt zeitgemäß, aber nach Schumann absolut korrekt. (Wie es sich anfühlt, den nächsten Schritt zu wagen, erinnert sich der Autor dieser Zeilen sehr genau. Das Durchstreichen der Zutat ‘Zucker’ in der White Lady im Schumann’s Barbuch fühlte sich ein wenig wie die Schändung der heiligen Schrift an.) Heute trinkt man in Berlin die Cocktails nicht mehr ganz so süß, aber gut zu wissen, dass es genau zwischen Buck & Breck und Amano Bar einen Ort gibt, wo der Extraschuss Süße noch möglich ist. Für Biertrinker gibt es Franziskaner Weizen vom Fass und Beck’s, inklusive der neuen Bierspezialitäten mit Pale Ale und Amber Lager.

GELUNGENER RE-LAUNCH

Insgesamt ist der Neustart der Bar extrem gelungen. Wertige Spirituosen gesellen sich ins Regal, ansprechende Gläser und Dekorationen erfreuen das Auge, und die frischen und selbst hergestellten Zutaten sorgen für die besondere Note. Als i-Tüpfelchen wurde jüngst in eine Hoshizaki-Eismaschine investiert, so ist für bestes Eis gesorgt. Geplant sind DJ-Sets und aus New York inspirierte Day Parties mit Samstags-Brunch.

Das Team arbeitet akkurat an dreieinhalb Mixstationen. Bartresen und Loungebereich laden zum angeregten Gespräch oder zum romantischen Rückzug. Dazu kommt ein weiterer, dezenter Raum, an dessen Wänden die “Wall of Stars” gesellige Promi-Trinker aus Politik und Showbiz zeigt. Ist der Namensgeber dabei? Egal, wer braucht schon Two and a Half Men, wenn er auch zweieinhalb Drinks haben kann. Also auf zu Sharlie Cheen, in eine Bar, die von Größe und Design eine andere, abwechslungsreiche Note anbietet und sich so von vielen aktuellen Bar-Designs unterscheidet. Und in der ein sympathisches Team den Gast womöglich sogar noch zu dreieinhalb Drinks überzeugen kann.

Credits

Foto: Sharlie Cheen

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