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Bar Wagemut

Die Bar Wagemut plant die Weltherrschaft

Wie das? Mit dem Ziel der größten Spirituosenauswahl Berlins, beispielsweise. Der Name ist jedenfalls Programm in der Bar Wagemut, dem neuen Projekt von Nicolas Kröger. Der Rumliebhaber frönt hier weiterhin seiner Leidenschaft, unternimmt vor allem aber einen kühnen Spagat zwischen Nachbarschaftsbar und Geheimtipp für Spirituosenliebhaber.
Wer die Bar betritt, erhält bereits eine gute, erste Vorstellung davon, wohin die Reise in der Bar Wagemut gehen soll. Die hölzernen Wandfächer sind bis zur Decke gefüllt mit Destillaten, Spirituosen, Spezialitäten. Aus Fässern wird Rum gezapft und am Tresen rasseln die Shaker, wenn fein abgeschmeckte Drinks zubereitet werden.
Bewährte Bargänger Berlins werden sich an die Vorgänger Bar erinnern: Das Team der Bar Franzotti hatte einen gemütlichen Kreuzberger Nachbarschaftstreff geschaffen und den Charme der früheren Vinothek bewahrt. Das fehlen einer Karte und der Wunsch nach einem schlichten Getränketreffpunkt der Nachbarschaft verband sich zuweilen nicht optimal mit dem mixologischen Anspruch der Bartender. Ich erinnere mich an eine Situation, als der Wunsch eines Gastes nach einem Captain-Cola mangels Verfügbarkeit in ein engagiertes, zehnminütiges Beratungsgespräch mündete. Das führte zu nichts. Außer einer Komödie innerhalb der Tragödie. Wie traurig waren aber die Stammgäste der Bar Franzotti nach deren Aufgabe.

Bar Wagemut zwischen Brennen und Mixen

Umso schöner, dass der bezaubernde Raum nun neu belebt wird. Auch heute zeigt sich, wie bunt eine Gästeschar sein kann und dass man nie vergessen darf, Gäste abzuholen. „Ich hätte gerne etwas Witziges, gerne mit Sahne“, lautet der Wunsch einer jungen Dame. Sahne ist nicht vorgesehen, und was man unter „witzig“ versteht, ist sicher eine sehr individuelle Angelegenheit. Barchef Hendrik erobert Herz und Gaumen der Dame mit einer Gin Fizz-Variation mit Rhabarber. Top.
Und auch diesmal ist wieder ein nicht unerheblicher Ehrgeiz mit am Start. Nicolas Kröger ist in der Berliner Barszene bei Weitem kein Unbekannter. Nach Stationen im Salut und im Lebensstern führte er das von Dirk Becker gegründete Rum Depot in Schöneberg. Mit großartigen Mitarbeitern und viel Elan trug er wesentlich dazu bei, die Zuckerrohrdestillate einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.
Akribisch widmete er sich nebenbei dem Handwerk und der Kunst der Destillatsherstellung, so entstand ab 2014 eine eigene Produkt-Linie namens N.Kröger Fine Spirits mit anspruchsvollem Rum, Gin, Walnusswein und einem charmanten Erdbeerrum namens „Tante Hilde“. Auch für das großartige Konzept „Freimeisterkollektiv“ wurde Kröger aktiv und trug dort zuletzt einen Pflaumen-Shrub und einen Apfel-Sellerie-Shrub bei.
Dem Rum bleibt er treu, aber das Rum Depot übertrug er an Dirk Becker zurück. Als nächstes widmete sich der destillierfreudige Rumexperte dem Jazz und übernahm die Charlottenburger The Hat Bar mit ihren Spirituosen, Longdrinks und täglichen Live Music Sessions. In die neue Kreuzberger Location zwischen Viktoriapark und Bergmannkiez fließt zudem viel Herzblut des 27-jährigen, da einige der besonderen Raritäten der Bar aus seiner privaten Sammlung stammen.

Endlich ein echter Tresen

Gäste betreten die Bar durch den schmalen Eingang, der gleichsam ein Spalier edler Flächen präsentiert. Im vorderen Raum sorgen bequeme Sessel für gemütliche Aufenthaltsqualität und verströmen zugleich moderne sowie Vintage-Schwingungen. Eine enorme Verbesserung gegenüber der Vorgängerbar ist der Tresen. Zuvor verhinderte ein niedriger Weintresen das Sitzgefühl eines echten Bartresens, wie ihn sich Barflys nun einmal wünschen. Der Tresenbereich wurde entsprechend erhöht und soll auch noch etwas großzügiger erweitert werden, wie Barchef Hendrik Ratzmer verrät.
Der erfahrene Barmann sammelte reichlich Erfahrung im Amano Grand Central, der Bar Prinzipal und zuletzt in der Orania Bar. Zufrieden blickt er in seine stolze Flaschenauswahl und möchte für jeden das passende Destillat ausschenken, vom preiswerten Einsteigerprodukt für ein paar Euro bis zur erlesenen Rarität für Kenner. „Wir wollen hier kein Museum sein. Jede Flasche soll aufgemacht und getrunken werden!“ erklärt der Bartender.
Die Spezialitäten glänzen verlockend in den Regalen. Vom Black Tot Rum über alten Booths Gin bis zu erlesenen Whiskys von Talisker, Ardbeg oder zahlreichen unabhängigen Abfüllern. Dazu das spannende Freimeisterkollektiv-Sortiment oder Kuriositäten wie Falckner Whisky, eine der Whisky-Marken aus DDR-Zeiten.
Als charmante dritte Tresenkraft im Bunde wirkt Charlotte Fedtke mit, die mit Kreuzberg eng verbunden ist, durch Tätigkeiten etwa in der Schwarze Traube und im Das Tier in Neukölln.

Ritter des Erdbeerrums in der Bar Wagemut

Der hintere Raum verrät ein wenig von der Ernsthaftigkeit des Konzepts. Ihn durchzieht eine lange Tafel mit 14 Plätzen, die danach ruft, für exklusive Tastings genutzt zu werden. An ihrem Ende thront eine Ritterrüstung, als wolle man die unerschrockene Verkostungsbereitschaft wagemutig untermalen. In einer seitlichen Nische ruhen die exklusiven Fässer mit den hauseigenen Rumspezialitäten. Ein weiteres Projekt von Nicolas Kröger ist die Selected Cask Community, eine Art Abonnementservice für Rum-Liebhaber, die zu einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis allmonatliche Rumabfüllungen beziehen können. Der jeweilige Rum des Monats wird in der Bar auch ausgeschenkt. Und Krögers Rum-Erdbeer-Leidenschaft darf ebenfalls probiert werden.
Gedämpfter Kerzenschein, fröhlicher Old School Jazz sowie ein fröhliches und zugleich kompetentes Team sorgen für gute Atmosphäre und ein ausgedehntes Verweilbedürfnis. Das Sortiment reicht von 152 Ginsorten über eine Cocktailauswahl, die insbesondere auf Klassiker (auch vergessene) mit individuellem Pfiff aufbaut, einem wohlsortierten Humidor sowie ein Angebot für jeden Geschmack, vom sonderbaren Bas-Armagnac der Domaine du Bruch bis zum Herrengedeck mit Underberg und Flensburger Pils. Faire Drink-Preise um die 11 Euro runden das Ganze ab.

Bar Wagemut wagt den Spagat

Die Bar Wagemut kommt herrlich entspannt und kühn daher. Sie hat das Zeug zur vortrefflichen Nachbarschaftsbar und zum lauten Geheimtipp für Spirituosenliebhaber. Eine spannende neue Adresse, die den Cocktailkiez zwischen Großbeerenstraße und Marheinekeplatz trefflich bereichert.

Credits

Foto: Bar Wagemut

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