TOP
Wagner Bar

Wagner Bar & Bistro in Berlin: Im Auge des Panoptikums

Ein vierteiliges Cocktailmenü, viel Wein, geteiltes Essen und ein sehr bewusst gestaltetes Raumprogramm definieren das Wagner Bar & Bistro in Berlin. Zu Besuch an einem gelungenen Ort, der sich aus vielerlei Perspektiven als Hybrid versteht.
Im alten Umspannwerk, neben dem Restaurant Volt, ein paar Ecken entfernt vom Lode & Stijn und gute fünf Minuten zu Fuß vom La Lucha – kurzum: an der Champs-Élysées von Kreuzkölln – liegt das Wagner Bistro & Bar. Und das in guter Cocktailgesellschaft mit dem Bürkner Eck, das vor kurzem neu eröffnet wurde, und der Bellmanns Bar an der Glogauer Straße.
Eröffnet wurde Mitte November 2017 offiziell, und das Konzept des Wagner Bar & Bistro ist eine Kombination aus Frühstücksangebot, Abendbetrieb mit Speisekarte und Bar.

Wagner Bar & Bistro Berlin: Gastgarten und Omakase

Über der Tür des Wagner Bar & Bistro prangt ein altes Schild, das von einem Spielzeugladen stammt. Daher übrigens auch der Name, Wagner, denn lange konnten sich Ramses Manneck, einer der beiden Initiatoren des Projektes zusammen mit dem Koch Thomas Hedde-Leitner, Tuan Anh Nguyen als Bartender und Sébastien Saris als Sommelier einfach nicht einigen, wie sie ihren Laden nennen sollten. Bis einer das Schild in einem Altmöbelladen fand. Der Würfel war gefallen, in diesem Fall nun folgt der Name dem Schild und nicht umgekehrt. Nur beleuchtet werden darf das Schild nicht, denn das Umspannwerk – anno 1925 erbaut – ist denkmalgeschützt.
Im Inneren des Wagner Bar & Bistro fällt der Blick zuerst auf die Bar mit dem reduziert gehaltenen Backboard; handgefertigte Stücke aus Wildeiche und Eisen dominieren. Das Barkonzept wurde von Anh Nguyen ersonnen, der zuvor einige Jahre im Tier war und davor wiederum im Becketts Kopf: „Das Prinzip ist eine Art Gleichberechtigung an der Bar. Uns fiel schon immer auf, dass die Barflys immer sofort an die Bar gehen und dort auch kleben bleiben wollen. Die, die ein bisschen Privatsphäre haben wollen, wollen soweit weg wie möglich sein. Das Blöde ist nur: Wenn sie soweit weg sind, weiß man nicht, ob sie etwas bestellen wollen, weil man sie nicht sehen kann. Wir haben uns also darauf konzentriert, ein Panoptikum zu erstellen, also einen Punkt, von dem man alles überblicken kann.“
Damit gemeint ist dieser eine Punkt an der Bar, von dem man auf jeden Tisch blicken kann und man wiederum von jedem Tisch im Raum gesehen werden kann. Ganz im Stil des Panopticon, eine Bauweise für Gefängnisse, entwickelt vom britischen Philosophen Jeremy Bentham, sowie nach Michel Foucault, der das Prinzip wiederum „als das moderner Überwachungsgesellschaften“ bezeichnete. Im Wagner Bar & Bistro liegt der Vorteil beim Gast, denn der bleibt immer im Fokus.
Auch auffällig – der Tresen ist oberhalb der Barstühle. Das ist etwas ungewohnt: „Das wurde inspiriert vom japanischen Omakase-Stil, der Tresen ist zum Beispiel auch in den Izakayas oder Nudelhäusern in Japan oberhalb der Gäste, so dass man sich die Sachen selbst greifen kann. Indem man das Level runtergesetzt hat, konnten wir alle anderen Plätze hoch setzen.“

Auch beim Essen gilt: Sharing is Caring

Die Speisekarte des Wagner Bar & Bistro bietet neben Kleinigkeiten zum Drink wie karamellisierte Nüsschen und Oliven auch größeres wie Austern, weiter bis zur Kalbsmilz über Burrata und hin zu geräucherten Pommes. Das Sharing-Prinzip steht im Mittelpunkt, daher soll auf der Karte miteinander kombiniert werden. In der Küche war mit Thomas Leitner bis vor Kurzem noch ein Teil des Gründerteams, der ist aber mittlerweile weitergezogen.
Im Flüssigen liegt der Fokus ganz klar auf Wein und Cocktails, das Bier ist in nur zwei Ausführungen sehr zurückhaltend auf der Karte vertretend. Über den Wein weiß Jan Hugel Bescheid, der seines Zeichens vorher nur ein paar Straßen weiter im Wild Things wirkte; er operiert in Partnerschaft mit LaDiDa Wines, deren Büro praktischerweise an das Wagner Bar & Bistro angrenzt. Das Wild Things wiederum gehört im weitesten Sinne ebenfalls zum Wagner-Orbit, schließlich steckt Ramses Manneck dahinter, der vor einigen Jahren auch das Industry Standard an der Sonnenallee eröffnete. Dieses ist mittlerweile allerdings wieder geschlossen.

Wagner Bar & Bistro: Vier gewinnt auch in Berlin

Für das Barmenü zeichnet Tuan Anh Nguyen verantwortlich, die Drinks auf der Karte sind in die Kategorien „Tight“, „Slick“, „Classy“ und „Fancy“ geordnet. Die kurzen Namen spiegeln den Stil der Drinks wider und sollen den Gästen einen roten Faden zur Orientierung bieten.
„Tight“ im Sinne von „leicht, augenöffnend, frisch“ wird es zum Beispiel mit einem „Picon Punch“, dem „Sakura“ mit Sake, Kirschwasser und Lillet Blanc oder dem Algonquin Cocktail mit Rye, Wermut und Ananas. „Ausbalanciert und kompakt“ wird es bei den slicken Cocktails wie dem Ford Cocktail 1.2., die Zahlen hinter dem Drink verweisen auf eine Idee von Anh Nguyen, der seine Drinks immer wieder selbst einem Update unterzieht und die Abänderungen entsprechend benennt.
Die Vorbilder? „Ich habe durch Beobachtung viel von Oliver Ebert gelernt, sowie von Gonçalo de Sousa Monteiro aus dem Buck & Breck. Bei Gonçalo ist es die absolute Coolness, diese Slickness im Sinne von Schnittigkeit, die ich mir als Vorbild genommen habe für diese Bar.“
Das Wagner Bar & Bistro lebt im Dazwischen, zwischen dem Bar-sein und zwischen dem Restaurant-sein. Es ist heller beleuchtet als eine Bar und dunkler als ein Restaurant, sieht sich selbst weder als reines Restaurant, noch nur als Café oder Bar. Das Wagner Bar & Bistro bewegt sich aus vielerlei Perspektiven auf dem schmalen Pfad des Hybriden. Es geht um die Balance.

Credits

Foto: Wagner Bar

Kommentieren