TOP
Salopp Bar

In der Wiener Salopp Bar von Andreas Trattner ist der Name Programm

Lange hat Andreas Trattner nach einer eigenen Wirkungsstätte gesucht. Der ehemalige „City-Thai“ erwies sich als Glücksfall und heißt nun auf kurze Zeit Salopp Bar. Der Raum ist so groß, dass hier vieles Platz hat. Denn Konzepte werden überschätzt: Besuch in einer wunderbaren „Anything goes“-Bar mit Ablaufdatum.
Ja, auch das ist noch der Erste Bezirk. Verwinkelte Wohngassen rund um die Reliquien-Kirche des Stadtpatrons Klemens Maria Hofbauer haben mit dem Gedrängel der Einkaufsstraßen nichts zu tun. Der Heilige war es auch, der seinerzeit dem Kaiser den „Passauer Hof“ als Sitz seiner Kongregation abschwatzte. Nur, falls sich in Bayern jemand wundert, warum der nach seiner Stadt heißt.
Es läuft aber auch nach dem Eintritt in die Eck-Bar, die einmal „City-Thai“ hieß, einiges anders als am „Graben“: Statt handtuchgroßer Stehtisch-Bars mit vergoldetem Interieur, dominiert diese 160m² große Spielfläche ein Wandgemälde, das an die kippbaren Kugellabyrinthe erinnert. [Notiz an Nachgeborene: Damit spielten Kinder, als man noch keine Pac Mans auf Fruchtjagd durch elektronische Gänge schickte.]

Caymans, Dachboden, Passauer Platz

Doch die Bar von Andreas Trattner heißt ja nicht „Analog“, sondern „Salopp“. Dafür steht diese von Bartenderin Katharina Schwaller gewählte Wandmalerei, die neben dem Tresen der einzige echte Blickfang der Salopp Bar ist. Denn hier ging es um das lang ersehnte Aufsperren, nicht das Millimeter-Feilschen beim Lampeneinfassungsdesigner. Wie man Stimmung mit Getränken zaubert, das kennt Trattner von seinen bisherigen Stationen: Für die „Silver Palm Lounge“ auf Grand Cayman gewann er 2014 die „World Class“-Teilnahme. Nach dem Seven Mile Beach kehrte er nach Österreich zurück – zunächst nach Graz, dann in die luftige Höhe des „Dachbodens“ am 25hours-Hotel.
Von dort stammt das Gros der Crew, die heute an der historischen, elf Meter langen Holz-Bar wirkt. Der L-förmige Tresen ermöglicht den Bartendern Kathi Schwaller, Radu Ardelean und Siawash Sebhi trotz der Größe einen guten Überblick, wer gerade mit dem roten Esel winkt. Und sie sind motiviert bis in die Haarspitzen (die beim Chef Andreas Trattner gern ein Basecap verdeckt).

Andreas Trattner will den Gast so lassen, wie er ist

Denn alles, was man hier tut, ist ein großes Ausprobieren. Kommt die Trinkstätte bei der mahnend durchs Fenster herüberschimmernden Kirche „Maria am Gestade“ an, wird man weitersehen. „Ende April treffe ich die Entscheidung“, so Andreas Trattner. Bis dahin holt er mit dem unbekümmerten Zugang alle ab. Die Polterabend-Runde wird viel Spaß mit den roten Stoli-Eseln von „Meister Eder und sein Esel“ haben, wer unbedingt „Homemade“ in seiner Zutatenliste stehen haben muss, ordert eher einen „Granny’s Cure-it-all“ mit der Hafermilch-Pfeffer-Haube über der Cherry Heering/Jägermeister/Mohn-Mischung.
Die Eigendefinition der Bar auf Zeit ist nämlich einfach. Man will „ein Platz für jeden sein, der sich in ganz ungezwungener und in entspannter Atmosphäre dem guten Geschmack hingeben möchte“. Der Gast soll sich nicht verändern oder gar verbiegen müssen; es gibt zwölf Klassiker bis hin zum Last Word (13 Euro), es gibt aber die leicht getwisteten „Unique Highballs“ und es dazu servieren sie Käsekrainer und Toast als Barfood.

Andreas Trattner führt keine mixologische Privat-Klinik

Kurz: Hier amtiert der Heilpraktiker gegen die täglichen Wehwehchen mit seinen Tinkturen. Die „Gerätemedizin“ der mixologischen Privatklinik überlässt man anderen. Was nicht heißt, dass Trattner, der kurzfristig auch eine Shrub-Produktion als Start-up angeleiert hatte, nicht auch die aromatisch-invasive Therapie beherrschen würde. Ganz im Gegenteil, einen Parmesan Fat Wash, wie er im Gin-Cocktail „Cheese Selection“ (zu 12,50 Euro) ins Glas kommt, muss man in Wien länger suchen.
Semantisch gesprochen, kommt sogar die Barkarte diesem Nicht-Konzept entgegen: Man kann Drinks einfach des witzigen Namens wegen („Ying and Young“) bestellen, ohne sich in die Finessen im Kleingedruckten – Shitake-Infusion beim Rum, Maronen-Infusion beim Tequila – zu versenken. Das will der Bar-Nerd dann schon kosten und stellt fest, dass Milchsäure und Zwettler Bier zusammen wie ein Lambic funktionieren, das dem Tiki-esken „Banane*kch“ Spritzigkeit verleiht. Auch die aus einem Catering heraus entwickelte Kombi Marone mit Blanco-Tequila passt bestens, wie auch der eine oder andere Fachkollege an seinem freien Tag (weniger „salopp“ hält man es bei den Schließtagen – es gibt keine!) feststellen konnte.

Salopp Bar: Was wird die Zukunft bringen?

Besonders verdienstvoll ist die Sektion „Tasting Flights“: Denn natürlich baut in jeder Generation jemand seinen Geschmack erst auf. Österreichische Gins, Premium Rum oder ein „Best of Islay“ schlagen mit 14 Euro für drei Shots zu Buche. Hier ist (guter) Stoff zum Diskutieren, eine Selbst-Lernmethode in Sachen Spirits, die man sich nicht oft genug wünschen kann – zumal, wenn sie zum gleichen Preis wie ein Drink angeboten wird. Das Interieur unterstützt den Wohlfühlfaktor bzw. nimmt Schwellenängste. Es wirkt gewachsen wie ein gutes Pub, zeigt auch etwas Patina, was man mit dem Gründungsjahr 1984 (damals als „Echo“) aber auch darf. Und natürlich ergäbe die Küche einige Phantasien, wenn der kommende Monatsumsatz Andreas Trattner das „Go“ einer Fortsetzung erteilt.

Credits

Foto: Salopp Bar

Kommentieren