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Vom Humbug des Urheberrechts an Cocktails.

Jeder Bartender hat sie. Die Rezepte, die er selbst kreiert hat. Sei es für einen Wettbewerb, als Signature Drink für seine Bar oder die reine Freude am Ausprobieren. Ein paar Bartender sehen in diesen Rezepten etwas mehr als sie wirklich sind. Von Urheberrecht und Patenten ist dann schnell die Rede. Bringen wir ein wenig Licht in dieses dunkle Thema.

Als wir vor mehreren Monaten fragten, ob der Barmann nur eine Flasche sei, sich also um nichts als Flaschen drehen könne, echauffierte sich ein Leser – er hatte den Text wohl nicht verstanden -, dass seine eigenen Rezepte einmal seine Rente sein werden, und er diese Rezepte gewiss nicht veröffentlichen werde. Ja, bitte nicht! Er sieht sich schon jetzt um die Früchte seiner Arbeit betrogen, die erst in vielen Jahren reifen werden.

Im Zuge unserer „Made in GSA Competition“ war es ein anderer Leser, der sich nicht damit arrangieren konnte, die Nutzungsrechte an seinen Rezepten abzugeben. Als „No Go“ wurde diese Klausel bezeichnet und die Chance auf Millionen ins Feld geführt, wenn man denn seinen Cocktail ordentlich schützen und vermarkten würde.

Immer wenn diese Thematik wieder aufkocht, schwankt die Gemütslage zwischen amüsiert und fassungslos. Anscheinend hat sich kaum jemand mit diesem Thema wirklich auseinandergesetzt. Wie bitte schön stellt ihr euch denn diesen sagenhaften Reichtum eines Tages vor? Aufschreiben und geheim halten wird nicht funktionieren. Soweit sind wir uns hoffentlich einig.

Um dieses leidige Thema nun hoffentlich abzuschließen, wurde ein Anwalt konsultiert, der nicht nur einen guten Drink zu schätzen weiß, sondern auch eine gewisse Kompetenz in Sachen Patent- und Urheberrecht aufweisen kann. Und ganz abgesehen davon wusste er um die Story über Steve Took, Mitglied der Band T. Rex und Opfer einer Cocktailkirsche.

Möglichkeiten des Scheiterns

Aber stellen wir uns doch erst einmal die Frage wie man ein Rezept umsetzen kann, um es denn zu Geld zu machen.

– Variante 1: Jemand lässt sich einen Namen für einen Cocktail schützen. Dieser Cocktail und zugehöriger Name sind so gut, dass viele Bars ihn auf die Karte schreiben und dafür Lizenzgebühren zahlen.

Erfolgschance: Wenn man gar nicht so lang drüber nachdenkt, ist diese gleich Null.

– Variante 2: Aus Angst vor Nachahmern hältst du dein Rezept geheim. Gegen eine Verschwiegenheitserklärung nennst du einzelne Bestandteile, aber nie alle. Und wenn du ihn zubereitest, dann in einem entsprechend sichtgeschützten Raum.

Aussicht auf Erfolg: düster. Aber das merkt jeder selbst, oder?

– Variante 3: Das Produkt industriell herstellen, abfüllen und verkaufen.

Spontaner Reichtum: Aussichtsreichste Variante. Potenzielle Nachahmer sind allerdings nicht auszuschließen.

Ding der Unmöglichkeit

Eine kurze Beschreibung des wichtigsten Punktes. Man kann ein Rezept NICHT schützen. Das ist einfach so. Unmöglich. Den Namen ja, den kann man sich schützen lassen. Trotzdem kann jeder den gleichen Drink produzieren und verkaufen, wenn er ihn anders nennt. Das Rezept unterliegt keinem Schutz.

Das Rezept ist lediglich eine Bauanleitung, eine Beschreibung einer Zubereitung. Deren Bestandteile sind in keiner Form zu patentieren oder zu schützen.

Nun mag einer mit geistiger Leistung und geistigem Eigentum argumentieren. Aber auch hier ist die Gesetzgebung einfach und eindeutig. Das Urheberrecht bezieht sich ausdrücklich und ausschließlich auf Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Ein Cocktailrezept fällt in keine dieser Kategorien, auch wenn einige Bartender sich durchaus als Künstler betrachten.

Was soll man also tun? Das Einzige, was unter einem rechtlichen Schutz steht, ist die Sammlung. Sagen wir ein Buch mit Rezepten. Dieses Buch ist geschützt. Allerdings nur so weit, als man nicht ganze Teile dieses Buches reproduzieren darf. Soll heißen, ein Rezept aus einem Buch kopieren und veröffentlichen, das geht. Ein ganzes Kapitel zitieren und veröffentlichen hingegen nicht.

Da könnte der Bartender seine Rezepte also zusammentragen, in einem Buch sammeln und veröffentlichen. Diese Zusammenstellung steht dann unter einem Schutz. Bringt einen aber im Zweifel auch nicht weiter. Das einzelne Rezept, oder auch zwei, kann trotzdem von jedermann kopiert, genutzt und veröffentlicht werden.

Künstlerisch tätig werden ist die nächste Möglichkeit. Wenn die Formulierung des Ganzen über dem Inhalt steht, greift das Urheberrecht. Also, wenn das Rezept zu einer Kunstform wie einem Gedicht oder besonders poetisch geschrieben ist, so ist diese Form wiederum geschützt. Zum Beispiel: „Mit einer filigranen Bewegung einer Pinzette lässt man drei Würfel gefrorenen Wassers in einen Teil eines Mixbechers fallen, um diese sodann mit Gin und Wermut zu benetzen und mittels einstudierter Rührtechnik daraus einen wohlschmeckenden Martini zu zaubern.“ Diesen exakten Satzbau schützt das Urheberrecht. Wenn jetzt aber jemand schreibt „Gin und Wermut auf Eiswürfeln kalt rühren.“ dann ist der gleiche Inhalt abgebildet und gleichzeitig das Urheberrecht unberührt.

Also noch einmal für alle. Ein Rezept KANN MAN NICHT schützen.

Geht mit dem Rezept hausieren

Stattdessen sollte man seine Rezepte in die Welt hinaustragen. Man stelle sich einmal vor, 2008 hätte Jörg Meyer den „Gin Basil Smash“ gemixt, das Rezept für gut befunden und aus Angst vor Nachahmern nur heimlich in sein Buch geschrieben. Wir wären um einen tollen Drink und eine witzige Story ärmer. Er hätte auch das Rezept veröffentlichen können und sich gleichzeitig das Markenrecht am Namen „Gin Basil Smash“ sichern können. Dann wäre der Drink heute vielleicht genau so berühmt, aber er hätte einen anderen Namen, und es hätte ihm persönlich nichts gebracht.

Sollte es doch Möglichkeiten geben wie man mit Cocktailrezepten unglaublich reich werden kann, freuen wir uns über vielfältige Anregungen in den Kommentaren. Auch wenn man der Meinung sein könnte in den letzten 100 Jahren hätte schon einmal jemand diese Möglichkeit genutzt, wenn es diese denn gäbe.

Comments (1)

  • Jean-Pierre Ebert

    Nicht so sarkastisch Herr Beier, “Jeder Mensch ist ein Künstler” laut Joseph Beuys. Der muss es wissen …

    Variante 3 ist deutlich erfolgversprechender als Variante 1 und 2. Allerdings trotzdem stringend erfolglos, zumindest mit den finanziellen Mitteln und dem Vetriebsnetz eines Barmanns (oder Besitzers ;).

    Erfolgversprechender ist die beschriebene Variante der Veröffentlichung – natürlich so, dass klar ist, woher der Drink stammt – und gekonntes Marketing. Der sekundäre Mehrwert kann ganz beträchtlich sein, sofern man das zu nutzen weiß und möchte, siehe Jörg Meier. Aber auch das ist schwieriger als gedacht, dafür braucht man ein Händchen, einen langen Atem und etwas Glück. Letzteres gestehe ich jedem zu, die beiden ersten beiden Punkt nicht.

    Zusammengefasst heißt das. Jeder hat das gute Recht, Rezepte oder den einen bzw. anderen Trick zum Gelingen des Drinks für sich zu behalten. Die angeführten, abstrusen Begründungen allerdings sagen nichts anderes als: Es hätte nicht geschadet, aktiver am Schulunterricht teilzunehmen.

    Beste Grüße

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