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Angekommen

We are gypsies – no more: Die Jungs von Beer4Wedding eröffneten am Wochenende offiziell ihre eigene Brauerei, die Berliner Bierfabrik in Berlin-Marzahn.
Irgendwann reicht’s. Das Rumgetingel, das unstete Leben. Irgendwann will man einfach irgendwie ankommen. Das ist so, wenn man sich einen Backpackertraum erfüllt, zwei Monate Thailand, über Laos, Kambodscha nach Australien – aber dann? Irgendwann nervt das Leben aus dem Rucksack und man wünscht sich, endlich mal wieder ein wirklich sauberes, gebügeltes Hemd aus dem Schrank anziehen zu können.
Traum von der eigenen Brauerei
In der Liebe läuft das übrigens ähnlich. Alles ausprobieren, mal hier knutschen und mal da und überhaupt bloß nicht fest binden, so many fish in the water, das ist super – aber irgendwann hat man einfach genug davon. Und wünscht sich den oder die eine, zum bleiben (ob man das zugeben mag oder nicht).
Und unter Craft Beer Brauern ist das ganz genau so: Das mit dem Gypsy Brewing ist toll – für den Anfang. Keine großen Startinvestitionen, volle Flexibilität, die Chance von Gastgebern immer Neues dazuzulernen. Bis dann eines Tages der Traum von der eigenen Brauerei obsiegt.
Die Berliner Craft Beer Pioniere, die sich früher Beer4Wedding nannten, träumten diesen Traum schon recht lange. Vor ziemlich genau zwei Jahren brachten die drei Brauerei- und Getränketechnologie-Studenten von der TU Berlin ihr erstes Bier zum Verkauf auf den Markt, das „Wedding Pale Ale“. Eingebraut bei und mit Thorsten Schoppe. Bei dem brauten sie von da an regelmäßig, ihr kleines Craft Beer Label, das sie ganz Start-up-mäßig groß und größer zogen, lief gut. Von den knapp 4000 Litern Bier, die sie im Jahr brauten, blieb eigentlich keiner unverkauft. Es gab auch Brau-Gastspiele in Dänemark und Oberbayern, aber immer erzählte Sebastian Mergel, wenn man ihn traf, dass es dabei nicht bleiben sollte, sondern dass sie an einer eigenen Brauerei arbeiteten.

Neuer Name, neue Heimat
Das Schwierigste war, eine geeignete Location dafür zu finden. In Berlin. Letzten Endes ist es Marzahn geworden.  Irgendwie auch Berlin, aber halt anders. Der alte Name, der sich auf Berlin-Wedding bezogen hatte, hat nicht mehr funktioniert, und Beer4Marzahn wollten sie dann doch nicht werden. Also nannten sie sich um in Berliner Bierfabrik.
Unter neuem Namen brauen sie nun also seit ein paar Wochen in der „Alten Börse“, einem Gelände, das um 1900 herum einmal ein Viehhandelsplatz war, später von der Roten Armee eingenommen wurde und wo die NVA lange ihre Militärparaden abhielt. Heute arbeiten dort vor allem Künstler, es gibt eine kleine Wirtschaft und einen Club. Rings herum schießen kleine Einfamilienhäuser wie Pilze im Nieselregen aus dem Boden.
Nigelnagel neu, glanzfein und silbern steht in einer flachen Halle die 1000-Liter Brauanlage. Alles ist recht flexibel gehalten, keine festen Rohre, alles kann hin und her bewegt werden, je nachdem, was ein verrückter neuer Bierstil im Werden so braucht. Dazu drei quasi gerade erst ausgepackte Gärkessel, zwei für Lagerbiere, einer für Obergäriges, 12 liegende Doppelmantellagertanks und bald auch noch eine Menge alter Holzfässer, die Mergel aus seiner Zeit als Winzer besorgt hat, um im Bier-aus-dem-Barrique-Business mitmischen zu können – so schaut’s aus in der Berliner Bierfabrik.
Ein Maple Walnut Stout (in Zusammenarbeit mit der Spent Brewers Collective) haben Sebastian Mergel, André Schleypen und Julian Schmidt hier schon gebraut. Und ihr „Signature-Bier“, ihr Pale Ale. Und wenn sie bald ihr Weißbier namens „Heimat“ hier brauen, dann, spätestens dann sind die drei Gypsies wohl ganz und gar angekommen.
 

Credits

Foto: Foto via Hopfenhelden

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