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Modern Classics: Art of the Choke

Es ist wichtig, sich an der Tradition zu orientieren. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass jede Regel eine Ausnahme hat. Kyle Davidson aus dem The Violet Hour in Chicago erklärt seine Cynar-basierten Art of the Choke.

Letzte Woche wurde hier bereits über die Modern Classics berichtet, also Cocktails, die in jüngerer Zeit aufgekommen sind und es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht haben. Dabei wurde mit dem Paper Plane ein Vertreter vorgestellt, der sich dadurch auszeichnet, dass er zum Experimentieren und Variieren einlädt. Eine Eigenschaft, die für einen Klassiker unentbehrlich ist.

Heute soll ein weiterer Aspekt dieser Klasse von Cocktails beleuchtet werden: das Novum. Das Bahnbrechende. Das Unkonventionelle. Ein Cognac-Negroni beispielsweise ist keine schlechte Idee – aber nicht sonderlich innovativ. Ein moderner Klassiker muss etwas Neues auf den Tisch bringen, um sich eine Daseinsberechtigung zu schaffen. Vorhang auf für den Art of the Choke.

Die Kunst, zu schockieren

Dabei war zu Beginn noch nichts Besonderes an der Sache: Ein Gast in The Violet Hour in Chicago fragte nach einem bitteren Rum-Drink, und Barmann Kyle Davidson mischte daraufhin einen Manhattan mit ungelagertem Rum, Cynar und grünem Chartreuse. Die Innovation kam, als Kyle Minze und Limettensaft zur Hand nahm, um die Kräuter-Aromen im Chartreuse zum Leben zu erwecken, wie er erklärt.

Trotzdem ist dadurch kein Sour entstanden, denn vom Limettensaft kommen nur Tropfen zum Einsatz. Es geht hier also nicht darum, eine Süß-Sauer-Balance zu schaffen, sondern lediglich um diesen leichten Pfiff. Darum wird auch nicht geschüttelt, sondern gerührt.

Nun, jeder weiß: rühren bei klaren Zutaten; alles mit Säften, Rahm oder Eiern wird geschüttelt. Das ist das sakrosankte Mantra, das jede Barschule seit ihrer Eröffnung verkündet. Es ist faszinierend, welches Zögern, welcher Widerwille den Barmann überkommt, wenn der Limettensaft ins Rührglas soll. Doch so muss es sein, und der Geschmack belohnt den Mut!

Kyle erinnert sich an seinen Vorgesetzten Toby Moloney: “Er verlangte, sich an den Klassikern und an der Tradition zu orientieren, aber dabei nicht zu vergessen, dass jede Regel eine Ausnahme hat.” Ja, der Art of the Choke ist keine Manhattan-Variation, keine Sour-Abwandlung und kein Mojito-Verschnitt, sondern ein eigenständiger Cocktail!

Und wem geht’s an die Kehle?

Kyle sagt selber, dass es ihn stört, wenn die Menschen sich darüber beklagen, dass der Rum nicht zu schmecken sei. Er kontert: “Der Rum gibt Körper, Struktur und Stärke, während der Spaß beim Cynar und beim Chartreuse passiert, die ums Finish kämpfen. Die anderen Zutaten sind in dieser Show nur Nebendarsteller.” Eindeutig, es geht um den Cynar in diesem Getränk.

Oft hört man, dass Cynar ein Artischocken-Brand sei. Es soll an dieser Stelle erklärt werden, dass Cynar ein italienischer Amaro ist, der eine Vielzahl von verschieden Zutaten enthält, wovon die Artischocke eine ist. Wie dem auch sei, Cynar nimmt die Hauptrolle in diesem Cocktail ein, und der Name trägt diesem Umstand trefflich Rechnung.

Ab auf die Spielwiese

Dementsprechend ist der Cynar auch das einzige, an dem sich nicht rütteln lässt. Kyle sieht seinen Art of the Choke als Schablone, bei der er gerne den Chartreuse durch Falernum oder Absinth ersetzt, oder den ungelagerten Rum durch dunklen Rum, Mezcal oder Gin. Die einzige Warnung, die Kyle zum Abschluss gibt: “Augenmerk sollte man vor allem darauf legen, nicht zu viel Limettensaft zu verwenden. Getränke, die sowohl Säure haben als auch bitter sind, können eine unangenehme Sache sein.”

Credits

Foto: Artischocke via Shutterstock.

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