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Plymouth Beefeater

Gin mit Geschichte: Zu Besuch bei Beefeater und Plymouth

Es ist einige Jahre her, da begann Gin, sich am Tresen zu vermehren wie ein gut gelauntes Bakterium. Zeit, mit einer Reise zu Beefeater und Plymouth zurückzublicken auf die Anfänge der Gin-Revolution. Die englischen Traditionsadressen beweisen, dass alt und schick sich nicht ausschließt.

Nein, das ist kein Bericht über die letzten fünf Gins, die das Licht der hochprozentigen Welt erblickt haben. Erstens ist diese Welt völlig überbevölkert, zweitens gibt es im Universum der Umdrehungen noch viel zu viele andere Welten und drittens entstünden während der Erstellung eines solchen Beitrags mindestens drei weitere Gins, so dass Aktualität beinah unmöglich ist. Weil uns Aktualität allerdings wichtig ist, machen wir uns auf den Weg nach Großbritannien und besuchen Traditionshäuser – da hat man einfach länger Zeit, auf dem Laufenden zu bleiben. Los geht es mit Beefeater und Plymouth Gin.

Beefeater: Die Londoner Leibgarde lässt grüßen

Außerdem ist es in London sowieso schön, besonders am Tresen der Dandelyan Bar im Hotel Mondrian. Im letzten Jahr zur drittbesten Bar weltweit gekürt, ist das Dandelyan auch jenseits seiner Bar ein Hingucker: inmitten samtener Vorhänge und rosefarbener Ledercouches, geführt von einem goldenen Geländer, strahlt eine smaragdgrüne Bar. Wüsste man es nicht besser, könnte man sich genauso gut in einer Pariser Bar der 1970er- Jahre befinden, am Tresen schlürfte Andy Warhol seinen Martini und George Sand nuckelte an ihrer Zigarre.

Wir befinden uns allerdings im Jahr 2017 in London, die Berühmtheiten reduzieren sich auf Bartender, und genau hier ist man als Bartender, als Barjournalist und überhaupt als Barfreund, ausgezeichnet aufgehoben, bestenfalls mit einem Dandelyan Sour. Der besteht aus Gin, Zitrone, Limette, Löwenzahn und hausgemachten Bitters, verziert mit farnförmigen und leicht pfeffrigem Gestrüpp, das den Drink auf dem Tresen wie einen gusseisernen Pavillon im verwunschensten Garten der Welt erscheinen lässt.

Beefeater kommt aus der Apotheke

Bei der Beefeater Destillerie selbst wird es weniger wild, dafür aber groß. Nun, wir haben es hier nicht mit irgendeinem Gin zu tun, sondern mit dem meist ausgezeichneten Gin weltweit. Wer sich immer schon einmal gefragt hat, was „Beefeater“ für ein seltsamer Name für einen Gin (und eben keinen Menschen) ist, dem sei folgendes gesagt: „Beefeater“ ist der britische Begriff für die königlichen Leibgardisten vor dem Tower of London. Für jene wiederum ist der Name recht respektabel.

James Burrough ist Schöpfer des Beefeaters und er hat gute Gründe dafür. Ausgebildet zum Apotheker, war James ohnehin mit den Zutaten dieser Welt vertraut, und nach Kauf der Chelsea Destillerie war es ihm innerhalb kürzester Zeit gelungen, eine Range von Likören, Gin-Sorten und Bowlen zu produzieren; Beefeater sollte sich dabei schnell zum Aushängeschild der Destillerie entwickeln. Wer hätte gedacht, dass der Name der königlichen Leibgarde auch noch so viele Jahre später für das leibliche Wohl der Londoner sorgt!

Zweimal Sechs

Und das wird es auch in der Beefeater-Destillerie selbst. Nachdem Beefeaters Markenbotschafter Ryan Adair durch das Brennblasen-Arsenal geführt und sämtliche Lebern im Duft des bis zur Decke voll von Wachholder zerberstenden Raum gereinigt hat, geht es zum Tasting. Geleitet von keinem geringeren denn Master Distiller Desmond Payne, werden sechs Gins verköstigt, die Reihenfolge ist Beefeater London Gin, Tanqueray London Dry Gin, Bombay Sapphire, Plymouth Gin, Beefeater 24 Dry Gin und Hendrick’s Gin.

Beefeater London Gin ist der zitrusreichste, Hendrick’s der herbste, Plymouth der lang anhaltendste, Bombay Sapphire der am wenig markanteste und Beefeater 24 Dry Gin der neueste auf dem Markt. Zur späteren Verköstigung des in ehemaligen Lillet-Eichenfässern gereiften Burrough’s Reserve reicht Desmond Blauschimmelkäse und Trockenobst. Es ist 13 Uhr und der Tag schon jetzt in trockenen Tüchern. Dass ein Mittagessen mit Desmond und ein Pre-Dinner Espresso-Martini mit Burrough’s Reserve im Dandelyan die Sache nicht mehr ins Wanken bringt, braucht man wohl nicht anzumerken. Weshalb in dem sehr hochklassigen Kaspar’s Seafood Bar & Grill des Savoy das Gros der Gin-basierten Drinks mit Bombay Sapphire gemixt werden, versteht man nun noch ein klein wenig weniger.

Ebenso voller Tradition: Gin aus Plymouth

Weil man, wenn schon einmal in Großbritannien, so viel wie möglich verstehen will, geht es weiter nach Plymouth, in die Plymouth Gin Destillerie. Hier gibt es abermals die bereits verköstigten sechs Gin am Tasting Tresen, allerdings blind. Mithilfe aller sich in den Gins vorfindlichen Botanicals zur Seite und einer Nasenklammer, sind die Näschen jedoch spitz und die Zuordnung fällt leicht. Mit der Klammer beweist uns Master Distiller Sean Harrison, dass wir ohne Nase nichts schmecken können. Nicht einmal einen Teelöffel voll Zimt.

Die Brennblasen in Plymouth sind wesentlich größer als bei Beefeater. Wohingegen der erste Blick darauf beinah motiviert, den Putzkräften vor Ort ein wenig unter die Arme zu greifen, verbucht man die offensichtliche und intensive Nutzung der Blasen unter „Industrial Charme“ – von Berlin aus geht das ganz leicht.

Fish’n’Chips & Gin’n’Tonic

Höhepunkt bei Plymouth ist gewiss die Produktion eines eigenen Gins, auch für 40 Pfund und zweieinhalb Stunden zugänglich für alle Besucher. In die Mikro-Destillerien wird eine Mischung eigens vermengter Kräuter in Neutralalkohol gegossen und destilliert. Das schmeckt dann gut, in der Refectory Bar der Destillerie allerdings schmeckt es deutlich besser.

Vielleicht liegt das daran, dass in Plymouth alles ein klein wenig schöner ist als anderswo. Gesetzt den Fall, man hat Glück mit dem Wetter, besteht die Welt aus himmelblau, grasgrün und Pink Gin. Schwer zu sagen, ob das am Destillerie-Flair liegt, ob an der Remoulade im Fish’n’ Chips-Restaurant Platters oder an dem Gin & Tonic dazu. Gewiss aber ist die Aussicht von dem Hafen in Plymouth, von dem die Mayflower nach Amerika aufbrach.

London und Plymouth: Gin mit Geschichte

Wieso sich am Ende mit einem neuen Gin pro Tag in Stress versetzen lassen, wenn man auch Geschichte erleben kann? Natürlich, weil es eine Pressereise ist – einerseits. Und andererseits, weil wir finden, dass nicht immer nur alles gut ist, was neu ist und in einem schicken Design verpackt. Alt und schick geht auch.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

Comments (1)

  • Waldemar Bornemann

    Danke für dein Artikel!
    LG

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