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Biermixe: Mea Culpa!

Es geht also doch. Nachdem MIXOLOGY seit dem ersten Tage gegen Biermischgetränke gewettert hat, kommt von Störtebeker aus Stralsund eine Alternative, die überzeugt. Frucht und Bier in einer Liaison, die ohne Zuckerkeule und Farbstoffquast auskommt. Und: das Bier, es ist zu schmecken. Ein Verkostungsbericht.

Biermixgetränke sind das Vodka-Energy der Brauwelt. Zuckerplörren mit synthetischem Fruchtgeschmack, dessen Richtung sich dem Trinker meist nur dann erschließt, wenn er nach dem Blick aufs Etikett sieht, welches Obst ihm dort vorgegaukelt werden soll. Über Jahre hinweg hat MIXOLOGY klar den Standpunkt vertreten, dass Biermixgetränke in einer ernsthaften, auf Qualität und natürlichen Geschmack bedachten Getränkewelt nichts verloren haben.

Der Modern Talking-Effekt.

Ein wenig ist es bei Biermischgetränken wie mit Modern Talking: die meisten Konsumenten machen sich darüber lustig, dennoch bleiben die Regale der Einzelhändler meterweise bestückt mit Lemon, Cherry, Orange oder gar Curuba. Kaum eine Frucht, die verschont bleibt, kein Bier, das unverdünnt bleibt.

Doch meist kommt irgendwann der Fall, dass jemand das Instrument zwar nicht neu erfindet, aber immerhin einen Weg, um neu auf der Klaviatur zu spielen. Einen solchen Weg scheint man nun in Stralsund gefunden zu haben, der Heimat des Störtebeker Brauhauses. Schon seit einigen Jahren braut man dort handwerkliche Biere in Bio-Qualität und hat sich unter Bierfreunden — auch jenseits der eingefleischten Craft-Szene — einen sehr guten Ruf erarbeitet.

Ausgerechnet Störtebeker? Die positive Überraschung

Umso mehr gingen in der Redaktion die Augenbrauen verwundert bis erschrocken nach oben, als Muster der neuen „Strandräuber“-Serie unangekündigt per Post eintrafen. Biermixe für den Sommer! Nun auch von Störtebeker? Doch die anfängliche Verwirrung musste beiseite treten zugunsten der Erkenntnis: es geht!

Denn die Befürchtung, dass die Stralsunder Piraten nun verspätet auf jenen ungeliebten, klebrigen Zug aufgesprungen seien, wird auf die einzig sinnvolle Weise widerlegt — durch die Biere. Denn wer bei den Strandräubern stereotyp an die „Biere“ der großen Konkurrenz denkt, der liegt vollkommen falsch. Wir revidieren also einen jahrelangen Standpunkt und sagen ausnahmsweise: solche Biermixe haben ihre Berechtigung.

Angeboten werden die Strandräuber-Mischungen in vier Sorten: neben dem Klassiker mit Zitrone gibt es außerdem noch jene Varianten auf Basis von Kirsche, Quitte und der nordischen Trendfrucht Sanddorn. Beim Blick aufs Etikett fällt positiv auf, dass man sich im Brauhaus auch Gedanken gemacht hat, welches Bier zu welchem Obst passt. So werden Sanddorn und Quitte mit Hefeweizen zusammengeführt, während die kräftigen Aromen von Zitrone und Kirsche ihren Weg in das beliebte Kellerbier von Störtebeker finden.

Keine Trockenfrüchte, aber trockene Frucht!

„Ahoi“, denken wir uns also und lassen die Mischungen ins Glas und durch die Kehlen fließen. Direkt beim Einschenken und ersten Schnuppern wird deutlich, dass hier wie gewohnt auf trübe, ungefilterte Biere sowie auf hochwertige Fruchtlimonaden gesetzt wird. Der Duft ist bei allen Sorten fein, unaufdringlich und mit natürlichen Fruchtnoten, die sich zu frischen Malztönen gesellen. Besonders bei der Kirsch-Variante fällt die nicht übertriebene Farbgebung auf, die daran gemahnt, dass es auch ohne Farbstoffe zu gehen scheint. Wir wittern in allen Sorten eine zarte Würzigkeit von Kräutern, beim Kirsch kommen prägnante Aromen von Veilchen und Nelken hinzu, die einen leichten Eindruck einer Konfitüre hervorrufen.

Ihr eigentliches Können spielen die Produkte dann aber am Gaumen aus: denn wo die fruchtige Nase wohl bei den meisten Konsumenten nun ein süßes Getränk erwarten lässt, zeichnen sich die Strandräuber durch eine hervorragende Dryness mit nur feiner, schön eingebunderer Süße aus, die absolut Natürlich wirkt. Damit gehen die Strandräuber vor allem in jene Richtung des traditionellen „Shandy“ aus dem angloamerikanischen Sprachraum, bei dem helles Bier mit säuerlicher Limonade gemischt wird. Einen tollen, zeitgemäßen Merksatz formulierte vor einigen Jahren der US-Bar-Held Jeffrey Morgenthaler aus der Cocktailmetropole Portland, als er sagte: „Ich dachte jahrelang, dass es beim Shandy darum ginge, das Bier süß zu bekommen. Aber das ist vollkommen falsch: es geht darum, Trockenheit in die Limonade zu bekommen!“

Der neue Anspruch — aber nicht für jeden

Und genau jenem Anspruch werden die Strandräuber von Störtebeker gerecht: in allen Sorten lassen sich die Bestandteile herausschmecken, sowohl das Bier als auch die Fruchtkomponenten treten deutlich zutage. Dabei dominiert nicht die Bitterkeit des Kellerbieres, sondern eher der schlanke, erfrischende und trockene Malzkörper. Die Limonaden, auch komplett in Bio-Qualität, steuern hintergründige Fruchtnoten bei, ohne dabei in jene grausigen Gefilde der gängigen Premixes abzugleiten.

Der Kern der gängigen Biermixe ist es, Bier — oder etwas bierähnliches — für Menschen zugänglich zu machen, denen schon ein leichtes Lagerbier zu streng schmeckt. Es geht um Geschmackscamouflage bei gleichzeitiger Alkoholzufuhr. Genau jenen Menschen wird die neue Range von Sörtebeker nicht gefallen. Allen anderen aber, die sich an heißen Tagen oder tagsüber nach einem „bierigen“ Schluck sehen, der ein wenig leichter daherkommt, bieten die „Strandräuber“ eine echte erfrischende und — sagen wir es ruhig — sommerliche Alternative, die das Sudhaus als ihre Herkunft nicht verklärt. Und das bei gerade einmal 2 Volumenprozent. Das nächste Hochdruckgebiet darf also kommen!

Credits

Foto: Quitte und Störtebecker via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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