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Der moderne Cocktail ist tot — es lebe der Blue Orgasm!

Weltweit reden sich Bartender bei der Beratung ihrer Gäste den Mund fusselig, rühren sich die Finger wund, und dann müssen sie sich auch noch verspotten lassen, bloß weil ein Tropfen zu viel Bitters ins Rührglas gefallen ist. Doch muss das sein? Richtige Cocktailkultur sieht anders aus, meint unser Gastautor Brian Flanagan. Ein Plädoyer.

 

Was nun folgt, ist vielleicht kein letzter Abgesang, aber zumindest die kleine Dokumentation des Niedergangs der echten Barkultur. Nicht wenige derzeit noch als Entrepreneure der Barrevolution gefeierten Bartender und Barbetreiber haben daran einen entscheidenden Anteil. Es bleibt zu hoffen, dass sie den Weg hierher gekennzeichnet haben, und ihn später zurückverfolgen zu können.

Wo ist die Qualität, wo die Verlässlichkeit?

Zugegeben, es war vielleicht nicht alles Gold, was in den 80er und 90er Jahren in Cocktailgläsern geglänzt hat, aber es hat Spaß gemacht und die Taschen der Barbetreiber waren gut gefüllt. Und das Schönste zu der Zeit war, dass man sich auf seine Cocktails verlassen konnte: Egal ob man seinen Sex on the Beach in Hamburg, Berlin oder New York bestellte, man bekam nahezu immer denselben Mix und einen bekannten Geschmack ins Glas. Einen richtigen Cocktail eben.

Und heute? Heute muss man meist lange suchen, bis man einen Bartender findet, der einem einen Sex on the Beach überhaupt zuzubereiten gewillt ist. Schon lange greift der Trend immer weiter um sich, dass Cocktails, die lange Jahre weltweit sehr erfolgreich waren, in — sogenannten — guten Bars überhaupt nicht mehr angeboten werden. Ein Zustand, der in etwa vergleichbar wäre damit, dass in allen Hotels der Welt plötzlich kein einheitlicher, neutraler Filterkaffee mehr serviert würde.

Ein Evergreen bleibt ein Evergreen

Was seinerzeit groß gefeiert wurde, nämlich die Beerdigung der klassischen und allseits beliebten Cocktailkirsche als Garnitur durch den Hamburger Barbetreiber Jörg Meyer beispielsweise, könnte sich bald zu einem Bumerang entwickeln. Eine klassische Garnitur, die sich auf der ganzen Welt in allen Bars größter Beliebtheit erfreute, lässt sich nicht einfach beerdigen. Und: die Zeit wird kommen, in der auch ein Gin Basil Smash mit diesem süßen Leckerbissen dekoriert werden wird.

Frische vs. Effizienz

Ein weiteres Virus, der in „modernen“ Bars derzeit überall grassiert, ist der Wahn nach frischen Zutaten. Frisches Obst, frisch gepresste Säfte und sogar Kräuter und Gewürze dürfen nicht mehr als Sirup in den Drink, sondern müssen frisch gepflückt und verarbeitet werden — am besten direkt vom Feld und dann auch noch in Bioqualität. Ein nur schwer zu kalkulierender Aufwand, wenn man einmal Verderblichkeit der Waren und die zusätzliche Arbeitszeit mit einbezieht. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn man sich wie früher auf die einfach zu beziehenden und geschmacklich konstanten Sirupe und aromatisierten Spirituosen konzentrieren würde?

Wo sind all die tollen Flavoured Vodkas, Sirups und bunten Liköre hin, die früher die Barregale zierten? Ersetzt durch überteuerte Edelspirituosen, für die sich nur selten ein Interessent findet und die sich schon gar nicht zum Mixen eignen. Nicht nur wegen des Preises, sondern wegen ihrer übertriebenen Aromatik, die sich jedem Cocktail aufdrängt und ihn geschmacklich verfälscht.

Ein Aufruf an die Bartender dieser Welt

Es ist an nun wahrlich an der Zeit, sich diesem Trend entgegenzustellen, und wieder sowohl wirtschaftlich als auch im Sinne der Gäste zu denken, und ihnen etwas anzubieten, mit dem sie auch dann noch glücklich sind, wenn sie den Cocktail auf einem anderen Kontinent bestellen. Geschmack muss wieder einheitlich werden! Doch wie? Nun, da gibt es reichlich Möglichkeiten. Mann muss sich nur auf die guten alten Zutaten verlassen. Hier ein Beispiel eines Cocktails, der sicherlich das Potenzial hat, auch in zehn Jahren noch die Massen zu begeistern.

Der Blue Orgasm wird jedem Gast gefallen, denn er hat alles, was ein guter Cocktail braucht: er ist süß, cremig wie ein Eisbecher, fruchtig, hat eine tolle Farbe und außerdem schmeckt man den Alkohol so gut wie gar nicht. So geht Bar heute. Cheers!

 

Comments (13)

  • Sebastian

    Pfff, das nennt ihr Cocktail? Ohne Bananendelfin, tztztz… noch soviel Platz am Glasrand….

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  • Whiskydrinker

    Amen!

    Bei den Edelspirituosen in Verbindung mit Cocktails muss ich wieder an die Worte eines Bekannten und Maltpuristen in einer — sogenannten — guten Bar denken, als er die Karte studierte: “Ich zahle doch keine 15 Euro, dass mir ein Barkeeper in den Malt für 9 Euro zwei Tropfen Bitters schüttet und dreimal umrührt. Da bestell ich lieber gleich den den Malt für 15 Euro. Das ist einfach eine Frage des unverfälschten Charakters.”

    Leider kann ich mich nicht mehr an die Marke des Malts erinnern. Es war aber so eine Konstellation mit “der eher durchschnittliche 12er” bei den 9 Euro und “der bei Kennern durch die Bank geschätzte 18er” bei den 15 Euro.

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  • yoruba76

    Es hat auf jeden Fall seine Vorteile, das die “Barkultur” sich weiterentwickelt hat. Die Gäste haben auf jeden Fall über die Jahre die Schnauze voll, immer die selbe EINHEITSPLÖRRE zu trinken.
    Es ist lobenswert das die “modernen” Barkeeper dieser Welt den Gast weg vom typischen “Viel Alkohol, Sirup-und Saft Syndrom” weggetrieben haben.
    Es war einfach an der Zeit das die Barszene und ihre Drinks sich endlich mal neu definiert und das die klassische Happy-Hour nicht mehr vorrangig ist, um einen Grund zu haben eine Bar aufzusuchen.

    Natürlich ist es wie bei allem im Leben so, das irgendwann ein Punkt erreicht ist wo man die ganze Sache mit der Neubesinnung einfach nur übertreibt. Es ist schon sehr arrogant das sich gewisse Barkeeper weigern bestimmte Drinks zu mischen, weil es ihnen nicht angemessen genug erscheint…
    Die Barkeeper sollten mal einen Gang zurückschalten und auch mal wieder sich zurückbesinnen auf die fancigen Klassiker.
    Es kann nicht sein das man den Gast ständig Vollbart warum er dies oder warum er das nicht trinken sollte.

    Liebe Bartender, Eure Kunst ist es auch Eure Gäste weiterhin zu befriedigen und nicht nur das Hauptmerk darauf zu richten wie toll Eure selbstgekochten Sirups sind und wie exklusiv euer Gin ist.

    Lucky

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  • Askeladd

    Geschmack soll wieder einheitlich werden? Wie soll man sich mit solchen Drinks dann noch von der Masse abheben? Was bringt es wenn alle das gleiche machen? Ich werde solche Drinks gewiss nie auf die Karte nehmen. Einem Gast, der einen solchen Drink jedoch bestellt, der bekommt ihn selbstredend, wenn auch mit leicht knirschenden Zähnen 😉

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  • WILLI

    Ist das ein April-Scherz?

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  • douglas caughlin

    well done brian

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  • Stefan

    Hahah Sebastian, du hast mir grad den Tag versüsst!

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  • dominik mj

    Ja, ja – der erste April…

    Erst war ich ja ein wenig schockiert…. eigentlich sollten geschriebene Aprilscherze am zweiten oder dritten wieder verschwinden…

    Hoffentlich sind die meisten davon ueberzeugt, dass die Barkultur wirklich einen Sprung nach vorne getan hat. Ich habe immer dafuer gefochten, dass die Bar dieselbe Anforderung wie Restaurants bekommen – frische Produkte sind in beiden Konzepten Schluessel fuer Qualitaet…

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  • Markus

    Hahaha ich lach mich kaputt auf den Witze trink ich heut einen 😉

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  • Sinan

    Was, den habe ich schon 2001 getrunken, im Urlaub in Italien. Wir so soll der jetzt modern sein?? -.-

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    • Redaktion

      Lieber Sinan,

      schau doch mal auf das Veröffentlichungsdatum des Textes

      Viele herzliche Grüße aus der Redaktion
      // Nils Wrage

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