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Brewcifer – Bier aus Teufels Küche

An die Quereinsteiger hat man sich in der Bierbranche inzwischen gewöhnt: Unternehmensberater, Modedesigner, BWLer und Innenausstatter. Was solls, holen wir halt noch einen Tastenklimperer dazu. Aber aufgepasst, dieser hier hat Hilfe von ganz unten!

Der Name „Brewcifer“, den Jochen Mader (31) seinem Bierlabel gab, entstand aus einer reinen Vorliebe für Wortspiele, und dieses war eben noch frei. Ist letztlich also gar nichts Unheiliges an seinem Bier? Doch, zumindest aus der Sicht von Reinheitsgebotsdogmatikern, denn der Wahlhamburger von der Schwäbischen Alb fügte schon seinen drei Erstlingswerken mit Fichtentrieben, Rhabarber und Chilischoten nicht die gewöhnlichste Würzung bei. Im Gespräch mit MIXOLOGY verrät der gelernte Mediengestalter, woher das mit dem Bier kommt und wohin die One-Man-Show führen soll.

Jochen, wie wird man vom Mediengestalter zum Brauer?

Eigentlich habe ich diesen Beruf nie wirklich ausgeübt. Schon während der Ausbildung war ich selbständig als Musikproduzent und Komponist für Film und Werbung tätig, und verdiene damit auch heute noch meine Brötchen — oder eben meine Brauzutaten.
Zum Bier kam ich, wie viele, durchs Heimbrauen. Dann habe ich über Max und Ronald (Maximilian Marner und Ronald Siemsglüss vom Brausturm Bierverlag) Simon (ebenfalls Siemsglüss, Gründer der Buddelship Brauerei in Hamburg) kennengelernt und ihm geholfen, die ersten Gärtanks für Buddelship aufzustellen. Danach fragte ich ihn, ob ich bei ihm mal brauen könnte. Danach ging alles recht schnell.

Wie ist Brewcifer derzeit aufgestellt?

Es ist ein echtes Ein-Mann-Unternehmen, wobei mir natürlich Freunde hin und wieder unter die Arme greifen. Ansonsten sind Einkauf, Brauen, Design, Marketing, PR komplett meine Baustellen. Nur im Vertrieb konnte ich zum Glück das meiste an Brausturm abgeben.

Aber Du bist dennoch weiterhin als Musiker tätig? Klingt nach wenig Freizeit.

Stimmt, aber ich bin auch ein Arbeitstier und hätte am liebsten für beides acht Stunden mehr am Tag. Im Moment bezahlt die Musik das Brauen, wobei ich das eigentlich gern anders herum hätte.
Das Brauen geschieht im Moment noch unregelmäßig und in eher kleinen Mengen, dadurch haut das als „Nebenjob“ gerade noch hin. Wenn es sich jedoch weiterhin steigert, geht das auf gar keinen Fall mehr, insbesondere mit den Ideen für einen Tap-Room und eine eigene Brauerei. Deshalb wird demnächst eine zweite Person dazu stoßen. Auf seinen Wunsch hin möchte ich noch nicht sagen, wer es ist, denn er möchte zunächst bei seinen anderen Bierprojekten lose Enden verknüpfen. Außerdem beginnt schon die Suche nach einer dritten Person, die sich um die Finanzen kümmert.

Moment! Tap-Room? Eigene Brauerei? Wo? Wie? Warum? Wann?

Brauen bei Simon ist toll, aber das Buddelship ist ja auch sehr erfolgreich in See gestochen, und so langsam wird es knapp mit dem Platz. Deshalb soll nun der Schritt zur eigenen Brauerei erfolgen — und zwar mit Tap-Room, denn nur so ist es für mich auf Dauer vorstellbar. Im Moment ist eine schöne Location in Hafennähe in Hamburg-Altona in Verhandlung. Hoffen wir, dass es klappt.
Von heute auf morgen geht’s jedenfalls nicht: Immobiliensuche, Finanzierungspläne, Investoren finden, Anlage planen, Behördengänge… Mit etwas Glück wird es 2016 soweit sein!

Stichwort Investoren: Deshalb hast Du eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Riskant, denn bisher waren die Deutschen den Bierprojekten auf Startnext.de gegenüber mal gewogen, mal gnadenlos.

Naja, selbst bei den erfolgreichen Kampagnen waren die gesteckten Ziele, sagen wir, vorsichtig kalkuliert. Auch ich kann mir mit 55.000 € keine komplette Brauerei in eine neue Location stellen. Aber für mich ist es auch eine Art Stimmungsbarometer für das, was in Deutschland gerade machbar ist. Und es würde mir laufendes Kapital verschaffen, was wiederum die Verhandlungen mit weiteren Investoren erleichtert.

Wie bist Du an die Belohnungen für Crowdfunding-Teilnehmer heran gegangen? Für viele sind kreative Ideen ein Spendenargument.

Ich habe zwar auch ein paar Goodies wie T-Shirts und Gläser dabei, im Allgemeinen wollte ich aber Belohnungen, die sich am erfolgreichen Projekt, also an der Brauerei und dem Tap-Room, orientieren. Man kann die Zutaten für den Crowdfunding-Sud mitbestimmen, sich einen Braukessel gravieren lassen oder sich dauerhaften Rabatt im Tap-Room erspenden.

Klingt alles gut, aber wie steht es denn um die Biere? Wie gehst Du ans Brauen heran? Und auch auf die Gefahr hin, jetzt esoterisch zu klingen: Gibt es für dich einen Punkt, an dem sich Komponieren und Brauen ergänzen?

Hm… ich hab die Musik für das Crowdfunding-Video selbst komponiert. Gilt das?
Ansonsten lasse ich gern Grenzen verschmelzen, und das trifft natürlich aufs Brauen ebenso zu wie auf die Musik. Beides scheinen auf den ersten Blick grundverschiedene Tätigkeiten zu sein, aber ich ziehe aus beiden Inspiration für die jeweils andere. Der Übergang von Ideen zu Bier oder zu Klängen ist letztlich gleich. Es gibt eine kreative und eine handwerkliche Seite, und beide muss man beherrschen.

Das hast Du schön gesagt!

Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass es schon genug große wie kleine Brauereien gibt, die uns mit sehr guten Standardsorten beglücken, egal ob es dabei nun um Pilsener oder Imperial IPAs geht. Da muss ich nicht auch noch groß mitmischen. Ich braue Biere, die mir schmecken, mit einem Funken Wahnsinn — wie zu Hause in der Küche. Und das macht mir nur Spaß, wenn ich mich von Konventionen frei mache. Damit werde ich nie die breite Masse erreichen, aber das ist auch gar nicht mein Ziel. Dennoch war die Resonanz bisher stets besser, als ich selbst erwartet hatte, und damit kann man gesund wachsen, denke ich.

Was darf man in Zukunft denn neben den besprochenen großen Plänen noch erwarten? Sind Kollaborationen geplant? Welche Brauer wären dafür interessant?

Alexander Himburg vom Braukunstkeller und Christian Hans Müller von HansCraft machen tolle Biere, und mit beiden habe ich recht konkrete Pläne. Zudem würde ich gern mal mit Michael Schwab (Brewbaker) und Johannes Heidenpeter in Berlin tätig werden. Außerdem zieht es mich irgendwie immer in die Niederlande sowie nach Großbritannien oder Irland.

Warum dahin?

Ich hatte da stets tolle Trinkerlebnisse. In Irland kannst Du auch in irgendein Loch an den Klippen gehen, im nächsten Dorf ist garantiert eine Brauerei. Das fehlt hier einfach noch. Oder wieder.

Lieber Jochen, danke für das Gespräch und dieses erbauliche Schlusswort!

Credits

Foto: Claudia Gödke

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