TOP
cherrystem

Kirschstängel-Wermut: Wildbret mit Alex Kratena

Alex Kratena reist nicht nur für sein Projekt P(our) um den Planeten. Er serviert auch neue Kreationen in Edinburgh. Wir präsentieren die Entstehungsgeschichte sowie das Rezept für den nicht nur ungewöhnlich gemachten, sondern auch eigenwillig betitelten “Cherry Stem, Amontillado & Springbank”.

Seit dem Knalleffekt, mit dem sowohl Simone Caporale als auch Alex Kratena das mehrfach zur besten Bar der Welt gekürte Artesian im Londoner Langham Hotel verlassen haben, wurde es ein wenig still um den gebürtigen Tschechen. Die Vorbereitung seiner Bar-Denkwerkstatt (P)our, über deren Pariser Premiere bei der Cocktail Spirits MIXOLOGY ONLINE berichtete, nahm ihn ebenso in Anspruch wie diverse Reisen auf der Suche nach neuen Zutaten und Inspirationen.

Sei es im Amazonas für das peruanische Restaurant Amaz oder mit den libanesischen Barkollegen Jad Balloud and Varia Delalian im Nahen Osten, es war ein bewegtes Jahr für Alex. Doch hinter der Bar sah man ihn, abseits weniger Workshops, zum Leidwesen der Fans des ebenso freundlichen wie hoch kreativen Bartenders viel zu selten.

Doch keine Angst, es liegt nur an der räumlichen Distanz, dass dieser Eindruck entstand. Denn auch in Großbritannien sorgt Alex K. nach wie vor für Cocktail-Freuden. Zuletzt etwa servierte er drei Tage lang bei Ben Reade und Sashana Souza Zanella seine Drinks. Die beiden ausgebildeten Köche hatten zum Menü in ihr Edinburgh Food Studio (EFS) geladen. Allerdings nicht, um einmal mehr der Idee des Foodpairing zu frönen; unter dem Motto „Wild Tended“ kamen unter anderem Molke, Vetiver und Gin in den Shaker. „Im Tandem entwickelte Speisen zu den Drinks“, nennt Ben Reade das Konzept, das vor allem mit wild gesammelten Zutaten die britische Liebe zum „Foraging“ umsetzte.

Vogelbeere mal nicht als Schnaps

Zum Hirsch mit Sellerie-Püree und Birne zog Alex Kratena alle Register für einen einfach gerührten Drink, der mit ungewöhnlichen Zutaten quer über die Nordhalbkugel aufwartete. „Big, bold flavours with a long finish“, schwebten Kratena für das Hauptgericht vor, Fruchtigkeit und angenehme Säure sollten die Schotten begeistern. Die Basis für den mit nur einem Zentiliter Single Malt versehenen Drink stellte dabei ein selbst gemachter Kirschstängel-Wermut dar. Die schräg anmutende Infusion aus dem Sous Vide-Garer hat sich Kratena von traditionellen Kräutertees und Arzneien abgeschaut.

Als weitere Zutat, die herbe Noten einbringt, kommt Vogelbeer-Wein (rowanberry wine) zum Einsatz. Die alpin anmutende Bitterquelle stammt allerdings aus dem EFS-Labor direkt, „it is basically foraged rowanberries, sugar, water and yeast”, so Alex Kratena, der sich also auch am lokalen Rückbuffet bediente. Ebenfalls nicht einfach im Laden um die Ecke zu bekommen war auch die nächste Zutat, die einen Transatlantik-Flug hinter sich hatte. Gemeinsam mit einem Schuss Sherry unterstützt nämlich kanadischer Verjus das Süße-Säure-Spiel. Minus 8 nennt sich der Hersteller in der kanadischen Provinz Québec, der für seinen „Maple Verjus“ dem unreifen Traubensaft aus eigenem Anbau zwecks Süßung das nationale Elixier Ahornsirup zusetzt.

Süße, Säure und Bitterkeit finden im Wildbret-Begleiter also gleich mehrfach zusammen, womit sich nur die Frage stellt, wie Alex einen solchen Drink in der Nach-Artesian-Ära mit ihren Themen-Cocktailmenüs eigentlich benennt? Hier stand offenbar die Atmosphäre des schottischen Food-Laboratoriums bzw. moderne Speisekarten-Prosa Pate – wir präsentieren also den „Cherry Stem, Amontillado & Springbank“.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

Kommentieren