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clay ageing cocktail

Clay Ageing: Cocktails aus dem Tontopf

Hast du Töne! Während hierzulande Holzfässer allmählich von den Tresen verschwinden, widmet man sich im Fernen Osten dem Clay Ageing von Cocktails.
 Genauer gesagt: in Tianjin. Dort verwendet Tom Hogan Baijiu-Gebinde aus Ton zur Reifung seiner Drinks. Kein Wunder: Der Amerikaner ist ehemaliger Bildhauer.

Einige Bio-Winzer tun es schon und auch in so mancher Destillerie sind Tongefäße im Einsatz. Für Cocktails stellt diese Art der Reifung aber eine ziemlich Novität dar. Im großen Stil hat das „Four Seasons“ im chinesischen Tianjin das so genannte „Clay Ageing“ für sich entdeckt. Dass in der „Gusto Bar“ die Amphoren-artigen Behälter im Dutzend stehen, ist aber nur folgerichtig, wenn man seinen Blick für die (Trink-)Geschichte dieser chinesischen Region öffnet. Es hat aber auch seine Logik, wenn man den Bartender hinter diesen tongelagerten Drinks kennt.

Clay Ageing im Baijiu-Krug statt Single Malt-Fass

Der Schwerpunkt der Hotel-Bar in der nordchinesischen Hafenstadt, die als Verwaltungseinheit annähernd so groß wie ganz Schleswig-Holstein ist, liegt auf den 150 hier angebotenen Whiskys. Doch für die Erstellung der kleinen Cocktail-Karte holte man sich den „Spirits Evangelist“ der in Singapur beheimateten Bar-Betreiber und –consulter „Proof & Company“ an Bord. Tom Hogan erkannte schnell die „lebhafte Trinkkultur Tianjins, in der die Leute gerne etwas Neues ausprobieren”. Für die „Clay Aged Cocktails” des gebürtigen Amerikaners kam die finale Inspiration von der Praxis der Baijiu-Erzeugung, die in der Region ihren Ausgang genommen haben soll.

Denn auch die zaghaft im Westen rezipierte Spirituose lagerte in Tongefäßen. Dass die Ton-Reifung von Cocktails eine Pioniertat darstellt, verhehlt Hogan nicht, er sieht Clay Ageing aber pragmatisch „als Verbindungsweg zwischen unseren Cocktails und dem Land, seinen Bewohnern und der Keramik-Tradition dieser Region“.

Dazu muss man sich auch noch den Werdegang des Amerikaners in Erinnerung rufen, der vor seiner Zeit im Waldorf Astoria in Chicago (von wo er nach Singapur hinter die Bar des Fairmont Hotels wechselte) eine Ausbildung zum Bildhauer begonnen hatte. Dass die jahrtausendealte Keramik-Tradition einen Mann inspiriert, der sein tönernes Werkstück „Fat man“ stets neben dem Tresen stehen hatte, liegt nahe.

Clay Ageing für Witwen-Küsse

So stammt das finale Design der Drei-Liter-Gefäße, in denen vier Signature Drinks zwischen vier und sechs Wochen der Mikrooxidation ausgesetzt werden, von Tom Hogan persönlich: Er hat den Ton-Behältern der Hirse-Spirituose u. a. einen eleganten Zapfhahn aus Edelstahl verpasst. Mit dem „Kiss of the Dowager“ gibt es auch einen klaren Favoriten unten den Befüllungen. Der „Witwen-Kuss“ steht auf der Cocktail-Karte der Hotelbar Seite an Seite mit Drinks wie dem mit Baijiu-befeuerten und mit Reis-Jasmin-Cordial gemixten „Double Dragon“ oder dem mit Pu-Erh-Tee aromatisierten „Bixi“.

Die Kiss of the Dowager-Rezeptur kommt ähnlich wie bei den fassgelagerten Cocktails ohne verderbliche Zutaten aus. Für den Gast wird das Glas zunächst mit einem Absinth-Rinse individuell vorbereitet, ehe der Bartender dann den „Ton-Meister“ macht.

Weitere Drinks sollen in Tianjin folgen, vor allem experimentiert der operative Barchef John Wang mit Tom Hogan an länger als die derzeitigen, sechs Wochen gereiften Rezepturen. Vielleicht kann die „Witwe“ dann auch einer aromatischen Cocktail-Neuvermählung beiwohnen.

Credits

Foto: Foto via Four Seasons Tianjin.

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