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Verstaubt der Cognac? Oder kommt er wieder?

In einem Städtchen mit knapp 19.000 Einwohnern in der französischen Charente wachen 275 Cognac-Produzenten über ein jahrhundertealtes Vermächtnis. Die ehemalige Handelsmetropole in der Nähe von Bordeaux und der Atlantikküste kann das elegante, traditionelle aber auch antiquierte Image ihres Erbes nicht hinnehmen. Michaela Bavandi auf Spurensuche.

Das Chateau Fontpinot, Sitz der Cognac-Dynastie Frapin in der Grand Champagne, ist grundsätzlich unbewohnt. Mal ganz abgesehen vom Schlossgeist, der sich manchmal bemerkbar macht und als menschlicher Schatten im Negativ eines Fotografen zu erkennen gewesen sein soll. „Alles beginnt in den Weingärten“, erzählt Patrice Piveteau, Frapins Kellermeister und Trüffeljäger, aus jahrelanger Erfahrung. Wenn die Weinlese der wichtigsten, widerstandsfähigen Rebsorte Ugni Blanc durch beinahe 5000 Winzerbetriebe der Weißweinzubereitung voraus geht.

Auch Laurent Nony, Destillations-Manager bei Martell & Co, Olivier Paultes, Direktor der Destillation bei Hennessy, oder Rémy Martin-Kellermeister Baptiste Loiseau betonen die bedeutsame Qualität der Trauben aus den sechs Lagen der Grande und Petite Champagne, der Borderies und den Bois-Lagen auf die eaux-de-vie.

Ein Wald an Vorschriften

Bis zum 31. März eines jeden Jahres muss die zweifache Destillation des Weißweines in den Charentaiser Brennblasen abgeschlossen sein. Doch das ist nicht die einzige Vorschrift für jenes einzigartige Produkt, dessen Absätze sich im vergangenen Jahr mit 155,6 Millionen Flaschen und einem Umsatz von 2,1 Milliarden Euro auf ein gemäßigtes Niveau begeben haben. Die Regelungen ziehen sich von in den Weingärten über eine Mindestreifezeit der Destillate, die zu Cognac reifen, von 24 Monaten bis hin zu verpflichtenden Angaben auf den Etiketten.

Ein schweres Erbe, das wenig Spielraum zu Innovation und Imagewandel für das französische Exportgut in über 160 Länder zulässt. Während Gin überall und von jedem hergestellt werden kann und derzeit hoch im Kurs steht, gibt es Cognac, nun: eben nur in Cognac.

Ist das noch Patina oder schon Staub? Vom jungen, alten Cognac…

Vielmehr vermuten besonders europäische Konsumenten in dem französischen Aushängeschild ein wenig Antiquiertheit. Cognac wird als Spirituose verstanden, die traditionell im Schwenker getrunken wird. Die Hersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen, je nach Erwartungshaltung, monetären Möglichkeiten und Marketingstrategien, das nationale Exportgut aus seinem Schattendasein zu führen.

Street Art & Sonderauflagen

Das Cognac-Haus Hennessy, das in diesem Jahr sein 250. Bestandsjubiläum feiert, lässt internationale Filmschaffende, Fotografen und Designer die Seele des Hauses in deren Werken erahnen. Das neben Martell & Co, Rémy Martin und Courvoisier führende Cognac-Haus des Konzerns Moet Hennessy Louis Vuitton kooperiert mit bedeutenden Street-Art-Künstlern wie Shepard Fairey, Os Gemeos oder Futura, um vor allem jüngere Konsumenten an Cognac und die Marke Hennessy heranzuführen.

Der amerikanische Künstler Shepard Fairey, vielen durch die Hope-Ikone des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Erinnerung, entwarf für Hennessy eine Hennessy Very Special Limited Edition mit einem Sternen-Mandala in der Flaschenmitte. „Never stop. Never settle“ wiederum entstand in Kooperation mit dem Musiker Nas ist. Mit der „Very Special Club Tour“ in deutschen Städten steht die Inszenierung der Marke in Clubs im Vordergrund.

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Hennessy Cognac Hennessy Very Special Edition Rémy Martin Rémy Martin: Kellermeister

 

 

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Parallel dazu ist es für Hennessy unumgänglich, regelmäßig Verkostungen mit Bartendern durchzuführen und bei Seminaren und Messen, wie dem Bar Convent Berlin über „die Wirkung der verschiedenen Aromen in Cognac-Cocktails auf die Geschmackssinne“ durch Bartender referieren zu lassen.

Cognac „kann“ mehr als Sazerac & Co

Verkostungen mit und Schulungen durch Bartender, die als Gastgeber den kreativen Lückenschluss zwischen Produkt und Konsumenten bilden, spielen eine tragende Rolle für die Cognac-Präsenz in der Bar-Welt. Denn Cognac kann mehr als Sazerac, Side Car oder Alexander zu beherrschen. Fashionable Cocktails sollen entstehen, und der Mut zur Neuerfindung einer Traditionsspirituose soll gestärkt werden.

„Cognac ist ein anspruchsvolles und vielseitiges Getränk, das sich an alle Generationen wendet und in Bars auf verschiedene Arten genossen werden kann. In Longdrinks gleichermaßen wie in Cocktails“, sagt Frédéric Dezauzier, Global Brand Ambassador des seit 1863 unabhängigen und familiengeführten Hauses Camus. Die Familie schätzt daher die Zusammenarbeit mit Bartendern wie Stephen Martin – kein Unbekannter in der französischen Cocktail-Szene und bester Mixologe Frankreichs im Jahre 2009. Martin hat mit dem „Blinker“ Camus‘ neuen Signature Cocktail als Apéritif kreiert, dessen Zutaten etwa Camus V.S.O.P. Elegance, Grapefruitsaft, Limettensaft, Zucker- oder Himbeersirup sowie frische Himbeeren lauten.

Ohne Dogma schmeckt es besser

Gelassener nimmt es der junge Pierre Buraud, der die Geschicke des seit 1776 bestehenden Maison Dudognon lenkt und die Familientradition pflegt. „Drink Cognac as you like“, empfiehlt er, dessen Brennblase nicht mit Gas, sondern noch mit Holz befeuert wird. Brennzeiten und Temperaturen werden akribisch genau auf einer Tafel notiert. „Es ist nicht neu, Cognac für Cocktails zu verwenden, doch es wird trendiger“, weiß der studierte Informatiker.

Das Wichtigste sei, dass Cognac getrunken werde. „Für Bars, die Cocktails favorisieren, haben wir eine spezielle Cognac-Selektion hergestellt. Ein nur zwei bis drei Jahre junger Cognac mit 44 Prozent Alkoholgehalt, der seinen Geschmack beibehält“, so Buraud, dessen Bar-Produkt in der Bar Agricole und im Trou Normand in San Francisco auf das Gemenge wartet. Der „gute, alte“ Cognac hingegen könne nur ohne Zutaten genossen werden, um die aromatische Vielfalt erfahrbar zu machen.

„Hier in der Gegend der Charente trinken wir Cognac gerne mit Tonic“, so der Fachmann. Cognac in Cocktails sei ein Weg, das Produkt zu genießen, und hilfreich, den Blickwinkel zu verändern. Vielleicht werde dadurch die Neugier erweckt, auch ältere Cognacs zu verkosten. Nachfrage nach seinen Produkten käme vorwiegend aus den USA.

Der Markt liegt nicht zuhause

Cognac ist mit einer 98-prozentigen Exportzahl weltweit präsent. 38 Prozent der Ausfuhren gehen nach Nordamerika, 30 Prozent in den Nahen Osten und 25 Prozent ins übrige Europa Europa. Kein Wunder also, dass gerade amerikanische Rapper wie beispielsweise Busta Rhymes mit „Give me the Henny, … but pass the Courvoisier“, das eau-de-vie beschwören.

Unterstützt werden die Produzenten durch das Bureau National Interprofessionnel du Cognac (BNIC). Der Interessenvertretung ist durchaus bewusst, dass nachhaltige und langfristige Maßnahmen notwendig sind, um das Image des Cognacs zu verändern. Schulungen, Wissensvermittlung in Seminaren mit Fachleuten der Wein- und Spirituosenbranche, Bartendern und Auszubildenden an den Hotelfach- und Sommelier-Schulen, Cognac-Degustationen mit Meinungsführern und Bartendern sind unerlässlich. Denn sie alle sind Botschafter und sollen zur Imageveränderung des Cognacs in den Köpfen der Endverbraucher beitragen.

Das BNIC unterstützt auch die Bar-Szene, z.B. durch Seminare im Rahmen von Messen oder auch bei Event-Reihen wie der Pariser „Cognac Cocktail Connexion“, bei der in fünf Szenebars Cognac-Cocktail-Soirées stattfinden. Im Rahmen der „Tales of the Cocktail“ werden Workshops in New Orleans veranstaltet, um das geschützte Herkunftsgebiet und die Cocktails noch bekannter zu machen.

Ein Kurswechsel lässt sich schnell einschlagen, doch um das traditionsreiche Markenimage Cognacs auf zeitgemäße Schienen zu legen, bedarf es langfristigen Handelns. Cognac ist das Resultat von Zeit. Die Rohbrände brauchen mitunter Jahrzehnte in den bis zu 450 Liter fassenden Eichenfässern, um zu Cognac zu reifen. Geben wir dem Cognac also jene Zeit und Chance, die er für seine Weiterentwicklung benötigt.

 

Offenlegung: Pressereise

Credits

Foto: Anstoßen via Shutterstock

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