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Top 10: Die innovativsten Traditionsbrauereien 2015

Von wegen Helles: auch die Traditionsbrauer aus dem deutschsprachigen Raum werden immer kreativer. Riegele und Schneider auf dem Treppchen. Doch wer liegt ganz vorne? Unser Bier-Experte Peter Eichhorn mit der unbestechlichen, einzig wahren Liste über die spannendsten, kreativsten und besten Traditionsbrauereien der vergangenen 12 Monate.

Die Craft- und Kreativbier-Welle rollt und rollt weiter. Und sie beschert der Biergenießer-Gemeinde allerlei Köstlichkeiten und kuriose Braukreationen aus den Sudkesseln der Craft-Spezialisten. Aber gerade der deutschsprachige Raum verfügt über eine große und bewährte Brauhistorie, und so entdecken auch viele Traditions- und Familienbrauereien den Reiz, die ausgetreten Pfade der Klassiker rings um Pils-Weizen-Helles zwar nicht zu verlassen, aber zu erweitern.

Hier die Top-10-Empfehlungen zu jenen Brauereien, die für aromatische Vielfalt im Kessel und köstliche Abwechslung im Glas sorgen, ohne dass sie all ihr braukreatives Tun mit dem Begriff „Craft“ brandmarken müssen.

Platz 10) Brauerei Zwönitz

Mit dem Gründungsjahr 1997 ist die Brauerei Zwönitz zwar die jüngste Brauerei in dieser Auswahl, aber sie knüpft an die lange Brautradition des Städtchens im Erzgebirge an, die zuvor 75 Jahre lang im Dornröschenschlaf verharrte. Unfiltriert und unverfälscht präsentiert die Brauerei mit angeschlossenem Gasthof ihre Spezialitäten.

Obwohl die Brauerei ausgerechnet ihre Biere auf der Homepage nicht wirklich umfassend vorstellt (kurioserweise eigentlich gar nicht), sollten diese doch Erwähnung finden. Neben einem für die Region traditionellen Schwarzbier, einem (Ziegen-)Bock und Pils bringen die munteren Sachsen ein India Pale Ale, ein Stout oder ein Rauchbier in die Flaschen. Auch das Design der Etiketten wurde jüngst modernisiert. Brauen ist ja tatsächlich viel sinnvoller als URL-Optimierung.

Platz 9) Distelhäuser

Mehr als 20 verschiedene Biersorten kommen aus den Kesseln der Brauerei im Taubertal in Nordbaden, deren Wurzeln bis ins Jahr 1811 zurückreichen. Die Verwendung von regionalen Produkten und Dienstleistungen sowie die besondere Struktur, die von starker Mitarbeiterbeteiligung geprägt wird, machen das Unternehmen besonders. Dazu kommen natürlich die Biere, die bereits zahlreiche Medaillen bei allerlei Wettbewerben einheimsten.

Vier Weizenbier-Sorten sind für eine Braustätte außerhalb Bayerns schon ein ehrgeiziges Konzept, dazu kommt ein bemerkenswertes Dinkelbier und das kaltgehopfte „Distel Blond“. Dass man sich in der Fecht-Hochburg Tauberbischofsheim auch den neuen Stilen der Kreativbier-Welt nicht verschließt, beweisen weitere schmackhafte Brauwerke, etwa das „Loch Ness Stout“ oder das „Lucky Hop India Pale Ale“.

Platz 8) Riedenburger Brauhaus

Gelegen im niederbayerischen Landkreis Kelheim im Altmühltal, ist das Riedenburger Brauhaus in den Regalen der Bio-Märkte deutschlandweit eine feste Größe. 1866 beginnt die Brautradition der Familie Krieger, deren Brauhaus heute von Michael Krieger in vierter Generation fortgeführt wird. 1989 ist er einer der ersten, der begreift, dass im Zeitalter der Industriebrauereien – das zahlreiche Familienunternehmen hinwegfegt – neue und authentische Konzepte, Nachhaltigkeit und besondere Aromen die Lösung sein könnten, um sich in dem schwierigen Markt zu behaupten. 1989 beginnt die Umstellung auf einen Bio-Betrieb, seit 1994 arbeitet die Brauerei komplett mit ganzheitlichem Bio-Konzept.

Lange vor der Craft-Welle sorgten die Urgetreidebiere von Riedenburger für Aufsehen. Der Autor dieser Zeilen ist ein bekennender Fan des Einkorn-Edelbieres, aber auch das 5-Korn-Urbier, Emmer-Bier oder Hirse-Bier lohnen einen Schluck. Unter der Marke „Doldensud“ ergänzen die Bio-Spezialisten ihr Sortiment seit Kurzem mit wechselnden, teils saisonalen Spezialitäten, wie dem „Bavarian IPA“, dem „Dolden Dark Porter“ oder dem „Dolden Sommer Sud“.

Platz 7) Stiegl

1492, was für ein Gründungsdatum! Kolumbus entdeckt Amerika und in Salzburg beginnt eine Brautradition, die an einem kleinen „Stieglein” beginnt, also einer winzigen Treppe von der Gstättengasse zum Almkanal, wo die ursprünglich Braugaststätte stand. Eine Urkunde vom 16. Juni 1492 erwähnt jenes „Prewhaws“, also Brauhaus. Das Bier wird immer beliebter und sogar Wolfgang Amadeus Mozart lernt es hoch zu schätzen, wie ein Tagebucheintrag beweist.

Die klassischen Stiegel-Biere von Goldbräu bis Paracelsus-Zwickel erreichen eine treue Fangemeinde, aber in der letzten Zeit kamen einige neue und innovative Spezialitäten hinzu. So beispielsweise der „Sonnenkönig“, ein kraftvolles Double-Wit nach belgischer Machart, welches durch Fassveredelung mit einem Tequila-Finish versehen wird. Dazu kommt die spannende „Wildhut“-Serie mit selbst angebautem Ur-Getreide. Jüngst kamen zwei weitere Biere zur Familie, die als Kollaborations-Sude mit der Brauerei Maisel entwickelt wurden: ein Smoked Baltic Porter und ein Bordeaux-Weizen.

Platz 6) Pyraser Landbrauerei

Bierparadies Franken. In dieses kam als Religionsflüchtling aus Oberösterreich nach dem 30-jährigen Krieg der gelernte Brauer und Mälzer Hanns Bernreuther und begründete ab 1649 eine Dynastie von Gastwirten und Brauern. Die Gründung der Pyraser Landbrauerei geht übrigens auf einen tückischen Schmetterling zurück: den Nonnenfalter. Jener Falter, auch Lymantria monacha genannt, ist ein fieser Forstschädling und fraß einen Großteil der mittelfränkischen Wälder kahl. Auch der „Angerwirt“ Adam Bernreuther war vom Kahlschlag betroffen und konnte nicht anderes unternehmen, als die Bäume zu fällen und das Holz zu verkaufen. Als selbst sein Bierlieferant nichts davon kaufen wollte, beschloss der verärgerte Wirt, eine eigene Brauerei zu gründen.

Seit 2010 leitet nun mit Marlies Bernreuther eine junge und energische Dame die Geschicke der Brauerei. Bewährte Sorten – wie das Rotbier, das 6-Korn-Bier oder das Hopfenpflücker Pils – sorgen für ein umfangreiches, klassisches Sortiment, das seit 2012 durch die „Herzblut“-Serie ergänzt wird. In eleganten Großflaschen mit Korkverschluss verbergen sich echte Spezialitäten, beispielsweise das „Oaked Whiskey Ultra“, ein Doppelbock, der fast 12 Monate in Bourbon-Fässern veredelt wird. Oder die „Liebe im Kornfeld“, für die Braumeister Helmut Sauerhammer Weizen-, Dinkel-, Gersten-, Roggen-, Hafer- und Emmermalz zu einer eleganten obergärigen Spezialität mit cremiger Textur vermählt.

Platz 5) Maisel & Friends

Jeff Maisel ist und bleibt der Weizenbier-Tradition seiner Familie verpflichtet, die seit 1887 vor den Toren Bayreuths dem Lieblingsbier der Bayern huldigt. Neugierde und Innovationsbedürfnis brachten Maisel 2012 dazu, gemeinsam mit befreundeten Braumeistern eine Sonderedition von drei Bieren in Großflaschen unter der Marke „Maisel & Friends“ aufzulegen.

Aus dem ersten Projekt entstanden zahlreiche weitere, die bislang allesamt in hohem Maße überzeugen konnten. „Jeff’s Bavarian Ale“ bleibt ein vielseitig einsetzbarer Klassiker. Immer wieder überraschen die Aromen und die Kollaborationen mit anderen Brauereien, wie zuletzt mit Stiegl in Österreich. Herrlich erfrischend und absolut empfehlenswert: das „Citrilla Wheat“. Ein Weizen-IPA, eingebraut mit den Hopfensorten Citra, Herkules und Amarillo, als Gemeinschaftsprojekt mit dem Team von Ratsherrn in Hamburg.

Platz 4) Private Landbrauerei Schönram

Lederhose und Cowboyhut am Braukessel. Mit Eric Toft verantwortet ein Braumeister aus Wyoming die Sude, der amerikanische Inspiration mit bayerischer Tradition geschmackvoll verbindet. Schon lange vor der Craft-Welle lohnte sich ein Schluck seines Schönramer Pils, um zu begreifen, dass selbst Pils einen geschmacklichen Unterschied machen kann. Der Lieblingsbierstil der Deutschen hatte sich zu jener Zeit so arg einheitlich verlangweilt, dass der Ami in Oberbayern gerade zur rechten Zeit den Beweis antrat, wie herausragend und köstlich ein untergäriges Gebräu munden kann.

Mittlerweile ergänzt die Brauerei ihr Sortiment mit einer Spezialitätenlinie, zu der Bierstile wie Imperial Stout und India Pale Ale zählen. Besonders köstlich und stets allzu rasch ausgetrunken: das saisonale Grünhopfen Pils mit erntefrischem Hopfen.

Platz 3) Schneider Weisse

Die Weissbier-Spezialisten aus Kelheim rings um Georg Schneider und Hans-Peter Drexler fertigten vor einigen Jahren etliche ihrer Weissbier-Spezialitäten ausschließlich für den amerikanischen Markt. Nun darf sich auch der deutsche Biertrinker auf eine köstliche Reise in die Vielfalt dieses Bierstils einlassen und sich durch die verschiedenen „Tap“-Abfüllungen probieren. Herrlich etwa das „Tap 4 – Mein Grünes“ mit erfrischendem Cascade-Hopfen.

Besonders bemerkenswert sind die alljährlichen Tap-X-Sondersude, bei denen mit kuriosem Hopfen, besonderen Fässern oder speziellen Verfahren experimentiert wird. Mittlerweile sehr rar, aber manchmal noch erhältlich: „Tap X – Meine Porter Weisse“. Ein vollmundiger Hybrid aus Weizenbier und Porter. Herausragend zu leicht scharfer asiatischer Küche.

Platz 2) Brauhaus Riegele

„Schönes Leben hier!“ lautet das Motto der Brauerei aus dem genau so schönen Augsburg. Seit 1884 pflegt die Familie Riegele das Brauhandwerk in Bayerisch-Schwaben, fünf Generationen später leitet Sebastian Priller-Riegele die Geschicke des Unternehmens. Er selbst errang 2011 den Titel als Weltmeister der Bier-Sommeliers und bewies seine fachliche Kompetenz und seine ausgeprägte Sensorik, wenn es um beste Brauwaren geht.

Ein solcher Titel verpflichtet natürlich seinen Träger und so waren die Erwartungen hoch, was für Biere aus den Sudkessel von Riegele fließen würden. 2013 folgte dann die Brauspezialitäten-Serie mit zunächst acht neuen Sorten, die sofort zu überzeugen wussten. Sei es das kraftvoll gehopfte Amaris 50, das Dulcis 12 im Stile eines belgischen Dubbel oder das Noctus 100, ein wundervolles Imperial Stout. Zuletzt begeisterte der fassgereifte Sondersud Magnus15 die MIXOLOGY-Redaktion. Aber auch für den klassischen Pils-Trinker bietet Riegele mit dem „Augsburger Herrenpils“ ein wunderbares Bier, das sich deutlich vom langweiligen Massen-Pils-Geschmack abhebt.

Platz 1) Brauerei Rittmayer

Das historische und opulente Wappenschild der Brauerei wurde vom Grafen von Kulmbach verliehen, der die Brauwaren der Familie Rittmayer zu schätzen wusste, deren Brautradition bis ins Jahr 1422 zurückreicht. Das historisch-nostalgische, heraldische Symbol darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass im oberfränkischen Hallerndorf Tradition und Innovation gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Bock, Weizen und Kellerbier aus handwerklicher Herstellung haben zuletzt köstliche Gesellschaft erhalten in Form einer Edition, die unter dem Namen „Kraftbier“ den aktuellen Trend mit einem gelassenen Augenzwinkern aufgreift. Mit dem „Bitter 42“ und dem „Bitter 58“ beweisen die Braumeister ihre Kompetenz, den untergärigen Stil nach Pilsner Brauart vielfältig zu interpretieren. Besonders kraftvoll – und zu würzigen Rippchen oder Lammkarree bestens zu empfehlen – sind die Rauchbiere von Georg Rittmayer, beispielsweise sein „Smoky George“.

Credits

Foto: Brauerei via Shutterstock

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