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The Dunhill: Reverse another Way

Wie viele Mischgetränke außer dem Martini fallen Ihnen ein, die mit einer Olive garniert werden? Wie viele Martini-Variationen braucht die Welt? Und wie kommt es, dass Sherry zur Geheimwaffe für lange Abende wird?

Ein häufiges Kuriosum ließ sich neulich – im Zusammenhang mit der jüngsten Verarbeitung von Ian Flemings Werk – wieder gut beobachten: Gäste, die nicht oft eine Cocktail-Bar besuchen, aber ohne mit der Wimper zu zucken den trockensten Martini auf Erden bestellen. Der erste Schluck, und die Tragödie beginnt: Der Gast bemerkt, dass kalter Gin auf leeren Magen keine gute Idee ist. Aber zu sehr hat er sich schon gegenüber der Begleitung als Kenner und Bond erster Güte inszeniert, als dass er jetzt aufgeben könnte. Also noch einen Martini, mit polnischem Wodka, so wie es sich gehöre. Und der Abend ist zu Ende, bevor er sich überhaupt entfalten konnte.

Geheimagent auf Entzug

So etwas wäre dann wohl eher ein Fall für einen Martini mit weniger hohem Alkoholgehalt: Der Dunhill. Das ist auch der Name eines englischen Luxuswaren-Hauses für Herren, das von Tabak über Uhren zu Feuerzeugen alles herstellt, was man braucht. Gut zu wissen: Sean Connery, der erste Bond, trat in „007 jagt Dr. No“ mit einem solchen Dunhill-Feuerzeug auf.

Doch nun zum Getränk selber: Die Crux mit tiefprozentigen Mischgetränken ist, dass sie oft nicht besonders komplex sind, auf reichlich Zucker als Geschmacksträger zurückgreifen und sich dann eben sehr zügig trinken. Sherry ist hier ein Segen, denn er bringt eine Aromenfülle vergleichbar mit der einer Spirituose auf den Tisch, halbiert aber die Volumenprozent.

Sherry als Segen

Der Dunhill ist in diesem Sinne ein Reverse Martini, bei dem der Wermut mit Sherry geteilt wird, und durch Absinth und Curaçao an Komplexität gewinnt. Tatsächlich trinkt er sich sogar spannender als ein Martini: Die Nase wird vom Absinth angeführt, im Mund beginnt der Gin dann, mit seinen Zitrusnoten einen Bogen zu den nussigeren Tönen vom Sherry zu schlagen.

Das vorliegende Rezept basiert auf dem „Dunhill’s Special“ aus dem Savoy Cocktail Book von 1930. Dort steht nichts über die Art des Sherry, doch empfiehlt es sich hier aus Gründen der Balance, einen trockenen Sherry zu nehmen, also einen Fino oder Amontillado.

Der Fino Sherry mit seinen Aromen von Zitrus und grünen Äpfeln lässt den Dunhill einem Martini ähneln. Ein Amontillado hingegen, eher in der nussigen Richtung angesiedelt, lässt den Drink wiederum einem trockenen Martinez ähneln. Der Autor bevorzugt letzteres, und empfiehlt passenderweise einen Gin, der Mandeln als eines seiner Botanicals ausweist und sich hier besonders gut ins Bild einfügt.

Die Sache mit der Olive

Dann ist da noch die Sache mit der Olive. Der Cocktail wäre nicht komplett, er hätte nicht das gewisse Etwas, wenn man die Olive wegließe. Ob durch die Rückstände von Salzlake oder durch die Assoziation im Kopf des Trinkers, dass die Olive jene leicht maritimen Noten des Sherry raus brächte, wodurch die leichte Süße des Getränks ausbalanciert wird. Übrigens auch eine gute Gelegenheit, sich schöne Oliven zuzulegen.

Eine letzte Kuriosität gilt es noch zu erwähnen: Das Savoy Cocktail Book schlägt vor, das Getränk erst zu rühren und dann zu schütteln. Der Versuch zeigt, was der Geist schon denkt: Das ist keine gute Idee. Der Cocktail wird zwar bemerkenswert kalt. Jedoch wird er durch die zusätzliche Verwässerung vom Absinthe überlagert und eindimensional. Wie bei vielen Mischungen, die Sherry enthalten, bringt hier das Werfen die Aromen am besten zur Geltung.

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