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Fakten über Katerdrinks

Wundermittel gegen den Kater kommen ständig neu auf den Markt. In letzter Zeit sind es besonders spezielle Softdrinks, die um die Gunst der Leidenden buhlen.  Philipp Gaux hat sich für uns im Dschungel aus Elektrolyten, Vitaminen und Koffein umgesehen. Inklusive Selbstversuch.

Sie tragen verheißungsvolle Namen wie „Konterbrause“, „Superdrink“ oder „Freigeist“. Ihr Versprechen? Den Morgen nach der Party-Nacht möglichst erträglich zu machen und dem Körper als Schutzschild im Kampf gegen den Alkohol tatkräftig zur Seite zu stehen. Doch was ist das eigentlich, ein Regenerationsdrink? Wer hat’s erfunden? Und warum?

1) Die Idee

Wir kennen das alle. Es wurde mal wieder spät, das Long-Island-Karussell der Nacht drehte sich unentwegt mit vollem Schwung und jetzt — am Morgen danach — ereilt uns das Schwindelgefühl dafür umso mehr. Unsere Symptome: Unbehagen und Kopfschmerzen. Unsere Medizin: Aspirin und Co. Damit jedoch soll jetzt Schluss sein! So jedenfalls die Idee einiger Jungunternehmer, die vor nicht allzu langer Zeit Zaubertrank-ähnliche Drinks auf den Markt brachten, deren Namen „Konterbrause“, „Superdrink“ oder auch „Kreutzbergs Regenerativum“ meist selbsterklärend sind. Regenerative Drinks also. Katerdrinks. Doch was bedeutet das überhaupt?

2) Biologie für Anfänger

Regeneration (lat. regenerare: „wieder erzeugen“): In unserem konkreten Fall ein Prozess, bei dem der Körper abhanden gekommene Vitamine und Mineralstoffe wiedererlangt, seinen Haushalt quasi erneuert, aus speziellen Drinks neue Lebenskraft schöpfen soll. Und das muss er auch, denn: der anregenden, enthemmenden und berauschenden Wirkung von Alkohol dürften wir alle wohl schon einmal begegnet sein. Auch sind uns seine gesundheitlichen Folgen mehrheitlich bekannt. Doch was passiert während unserer spätabendlichen Trinklaune eigentlich im Körper so genau? „Alkohol gleich Ethanol gleich giftig“, so die Faustformel eines jeden Trinkers, die jene toxischen Effekte des Nervengiftes auf Gehirn und andere Organe nur allzu gut umschreibt.

Bei übermäßigem Konsum kapituliert selbst unsere sonst so verlässliche Leber, und eine Störung des Fettstoffwechsels ist vorprogrammiert. Auch das Herz leidet enorm an den Abbauprodukten und die Gefahr der Herz-Rhythmus-Störung steigt wie der Promille-Wert seines Besitzers. Doch keine Sorge! Um solch langfristige Schäden davonzutragen, bedarf es schon einer Trinksucht, die wir als Wertschätzer der Destillation mit unserer Ehrfurcht des Dargebotenen sowieso nur aus Geschichten kennen.

3) Das Prinzip

Obwohl bekanntlich nur der exzessive Alkoholkonsum solche Begleiterscheinungen produziert, so greift das Feuerwasser den unbeholfenen Gelegenheitstrinker noch viel mehr an. Wird bei chronischen Trinkern der Alkohol zusätzlich und verstärkend noch über das mikrosomale, Ethanol verstärkende System abgebaut, so ist unser Party-Trinker gänzlich aufgeschmissen. Der Körper verliert Wasser- und Mineralstoffe, die Leistungskurve sinkt, Sodbrennen gesellt sich zur einsetzenden Übelkeit.

Vorhang auf für die Regenerationsdrinks! Diese sind Elektrolyte-Mix und Vitaminbombe in einem. Durch die verstärkte Elektrolytmischung werden dem Körper wichtige Mineralien zugeführt, die beim Rehydrieren helfen. Die zahlreich im Drink vorhandenen B- und C-Vitamine hingegen unterstützen ihn bei der Normalisierung der Körperfunktionen. Dabei ist die Mineralstoffzufuhr deutlich entscheidender als die der Vitamine, deren Hauptaufgabe eher das Verhindern von Oxidation und vor allem die Verbesserung des Geschmacks ist. So vereinen sich hier zum Beispiel Magnesium (für die Darmanregung), Carbonat (gegen Sodbrennen) und Natriumchlorid zur Schadstoffbekämpfung.

In der Regel ist es also das ausgeklügelte Zusammenspiel jener beiden Komponenten, die den Drink vervollständigen: Der gesundheitsfördernde, aber auch der geschmackliche Aspekt. Letzterer darf beim Regenerativum keinesfalls zu kurz kommen. Ob interessante Kombinationen (Grüntee, Apfelsaft, Kokoswasser) oder Elektrolyte-Mix mit Calamansi-Püree (reich an Vitamin C). Nichts scheint unmöglich, wenn es um das Wohl des Körpers geht. Häufig sind es also jene Vitamine, aber auch Taurin und andere Koffeine, die dem schwächelnden Nachtschwärmer zu neuen Kräften verhelfen sollen. Die Formel ist einfach: Vitamine + Mineralstoffe = Drink

4) Wie, Wann und Wo?

Wie und wann? Durchaus zwei nicht unerhebliche Fragen, die es sich zu stellen gilt. Man denke gar an die Gefahr, als „Party-Pooper” durchzugehen, sollten die präventiv-getroffenen Maßnahmen schon am Vorabend durch eine Flasche jener Superdrinks in der Hand aufgedeckt werden. Auch ein frühmorgendlicher Konsum sollte gut durchdacht sein, man weiß ja nie, wie schnell das Elixier seine Wirkung zeigt.

So unterschiedlich die Zusammensetzung der Getränke, so auch ihr empfohlener Konsum. Das reicht von zwischenzeitlichem Nippen bis zur angepriesenen Ingredienz im Cocktail selbst. Auch bieten einzelne Hersteller gleich zwei aufeinander abgestimmte Drinks — einen für den Abend, den anderen für den Morgen danach. Wichtig ist den Herstellern vor allem der Geschmack. Denn neben einem guten Effekt auf Körper und Geist soll das Regenerativum ja schließlich auch gut schmecken.

5) Vertrieb und Marketing

In Deutschland ist die Erscheinung des ‚regenerativen Getränks’ noch relativ neu. Die meisten Katerdrink-Start-Ups wurden nach intensiver Vorbereitungsphase erst 2014 gegründet, einige gibt es auch erst seit 2015. Doch auf der anderen Seite des Atlantiks sieht das anders aus. Wie so häufig, sind es die USA. Hier hat sich besagte Getränkekategorie schon ausgiebig etabliert und die bunten Drinks scheinen bereits in vielen amerikanischen Köpfen fest verankert zu sein. Genau diese Aufbauphase, zu deren Zeuge wir momentan werden, hat auch Einfluss auf die Vertriebswege. Zumeist sind die Getränke übers Internet zum Preis zwischen 2 bis 3 Euro à Flasche zu beziehen, in manchen lasterhaften Metropolen findet der geneigte Trinker sie auch mit Glück schon vereinzelt im Handel.

Beworben wird derartige Drinks, dem Beispiel des amerikanischen Counterparts und großen Bruders folgend, dann gerne im jugendlichen Gewand mit Popkultur-Assoziationen („Die Welt ist Super“, „Supermusic, Superkreativ, Superfit“) oder auch durch redewendungstypische Bilder („fit wie ein Turnschuh“). Sprachrohr nach außen sind zumeist die sozialen Medien, über die jene dem Drink zugetane Zielgruppe erreicht und Informationen rund um das Getränk propagiert werden sollen.

6) Daumen hoch, Daumen runter?! Ein Fazit

Man stelle sich nun vor, der Autor dieses Textes — dem Alkohol stets abstinent — hätte sich der Wissenschaft zur Liebe als Proband zur Verfügung gestellt, die Wirkung dieser Getränke einmal hautnah zu erleben. Schon beim ersten Schluck fällt auf: Vitalisierend soll es sein! Auch zeichnet sich durchaus die für den Körper als besonders wohltuend erdachte Geschmackskomposition mit Magnesium-Noten oder Vitaminmischung ab. Ob es jedoch die erwünschte Wirkung in ähnlicher Form wie die althergebrachte Tablette erzielt, hat mitunter vielleicht auch etwas mit der in den Drink gesetzten Erwartung und der Verfassung des Partygängers zu tun.

Es handelt sich bei regenerativen Getränken also in erster Linie um einen relativ neuen Trend, von jungen Menschen für eine vermeintlich modern denkende junge Schicht von Hipstern und Partyvolk erschaffen, die diese Erscheinung zumeist vorerst in Großstädten feilgeboten bekommt. Letztlich stellen sich auch hier die Fragen: Muss das sein? Brauchen wir Katerdrinks? Und diese Fragen müssen, wie so häufig, individuell beantwortet werden. Eine prickelnde Alternative zur Bloody Mary ist es schließlich allemal, das Regenerativum.

Credits

Foto: Flasche, Lupe & mann via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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