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It’s Tea-Time: Fünf Fakten über Tee

Smoking Gun, Cold Drip oder Infusion – die rezenten Bartechniken lassen sich allesamt auch mit Tee praktizieren. So vielfältig die Möglichkeiten sind, so dürftig ist das Wissen um den Aufguss: Denn der Grat zu schal ist schmal.

Selbst der Deutsche Teeverband hat in seinem jährlichen Wirtschaftsbericht einen neuen Liebling der Bars ausgemacht: „Tee erhält erfreulicherweise einen neuen Stellenwert“, so Vorsitzender Jochen Spethmann, „er belebt heute als spannende Zutat Bars und Küchen.“ Doch es ist wie im wirklichen Leben – nur allzu oft kennt man das Objekt seiner Begierde schlecht. Dann fehlt nach dem Beziehungsende plötzlich die Kreditkarte, Reifen sind zerstochen oder den Autolack ziert ein krakelig geritztes „Slut“ oder „Saukerl“. Tee-Unkenntnis hat zumindest keine solche Folgeschäden. Sie führt statt Zoten-Ergüssen aber zu toten Aufgüssen. Und die kann man an der Bar nicht brauchen, weshalb wir uns mit einer Tasse Tee in der Hand dem Fakten-Check widmen.

Ein Ostfriesen-Witz: Tee-Muffel Deutschland

Wer das Wörtchen „Teetied“ kennt, kann sich über Rest-Deutschland nur wundern. Denn Friesland stellt mit 300 Litern pro Kopf (!) im Jahresverlauf weltweit die größte Teetrinker-Region dar. Ein knappes Drittel des landesweiten Verbrauchs von rund 19.370 Tonnen Tee wird rund um Emden verzehrt. Zwar beträgt der Import rund die dreifache Menge, doch Deutschland verarbeitet einfach viel Tee, trinkt selbst aber mit 28 Litern pro Kopf und Jahr wenig. Vor allem in der Gastronomie, mit einem Anteil von nicht einmal fünf Prozent am Gesamtkonsum laut Deutschen Teeverband e. V., herrscht Ebbe in der Tee-Kanne.

Zwei Dinge lassen sich also festhalten: Der Norden ist die Tee-Hochburg, was neben den Friesen vor allem an den wichtigen Häfen Hamburg (70% der Importe laufen hier ein) und Bremerhaven liegt. Und von den beiden Varianten des „echten“ Tees, also Grün- und Schwarztee, gewinnt vor allem der als gesund geltende grüne an Boden. 30% beträgt sein Anteil in Deutschland, 2005 waren es noch 20%. Doch bei allen Exporterfolgen bleibt man im globalen Maßstab – hier wurden im Vorjahr 5,4 Mio. Tonnen geerntet – ein Teezwerg.

Harte Sache: Der Tee als Longdrink

Wer nun an der Bar mit Tee – sei es für Infusionen oder als aromatischer Filler – arbeiten will, sollte aber vor allem im zweiten Falle eines wissen: Tee, der mit Wasser aufgegossen wird, verhält sich ähnlich wie ein Longdrink. Denn das Wasser trägt zum Geschmack ebenso bei wie ein zu süßes Tonic im Gin & Tonic. Den Härtegrad des Wassers zu kennen ist dabei unumgänglich, warnt Rainer Schmidt von Hanse-Tee. Seit 1964 widmet sich der in Schleswig-Holstein ansässige Händler dem Tee. Seine 53-jährige Erfahrung hat er im „Kleinen Teebuch“ (Braumüller Verlag) gebündelt und benennt eine der übelsten Kombinationen aus Teeblättern und Wasser: „Afrikanischer Tee und das Moorwasser Schleswigs funktionieren nicht gut; es sorgt für einen unangenehmen metallischen Geschmack.“

Angesichts der Tatsache, dass Kenia den weltgrößten Exporteur von Tee darstellt und Tee aus Afrika Platz drei (hinter China und Indien) am deutschen Markt stellt, empfiehlt sich ein genauer Blick auf das Etikett und die Wasserhärte. Denn je mehr Kalk das Wasser enthält, desto mehr Geschmack des Tees „schluckt“ das Wasser. Speziell Leitungswasser wie in Frankfurt (27 Grad deutscher Härte bzw. °dH) oder Stralsund (35°dH) eignet sich ohne Wasserfilter nicht für Tee-Zubereitungen. Idealerweise sollte weiches Wasser – unter 1,5 Millimol Calciumcarbonat/Liter bzw. nicht über 8,4 deutschen Härtegraden – verwendet werden. Wer den Unterschied schmecken will, sollte mit seinem Tee nach Göttingen, Essen, Wittenberg, Ilmenau, Bremen oder Altona reisen. Dort gibt es weiches Wasser mit fünf bis sieben °dH.

Lokale Zutat: Warten auf deutschen Tee

Vor allem für Mixgetränke mit portugiesischen oder schottischen Spirituosen eröffnen sich da einige Möglichkeiten. Denn sowohl in Großbritannien als auch auf den zu Portugal gehörigen Azoren wird Tee angebaut. Erweitert man den Europa-Begriff, zählt das wichtige Tee-Land Türkei ebenfalls dazu. Anbieter wie Dalreoch Farm in Perthshire, die englischen Pioniere von Tregothnan in Cornwall oder die schottische Wee Tea Company aus Amulree werden im Brexit-Land zu durchaus stolzen Preisen von bis zu 200 Pfund (pro 100 Gramm) gehandelt.

Während die schnell wachsende Scottish Tea Growers Association mittlerweile zwölf Mitglieder zählt, sind es im ältesten EU-Anbaugebiet gerade zwei Plantagen. Auf der Azoren-Insel São Miguel kam der Tee im 18. Jahrhundert aus der Kolonie Macao. Nach einer desaströsen Markt-Situation für Orangen startete man 1880 im großen Maßstab mit dem Tee-Anbau. Chá Gorreana ist einer der verbliebenen Hersteller der einst gut 40 Azoren-Pflanzer. Interessant für die Bar: Neben dem an Darjeeling (blumig im Aufguss, wenig Bitterkeit) erinnernden Insel-Schwarztee gibt es auch einen mit Azoren-Ananas aromatisierten Grüntee: It’s Tiki-Tea-Time!

Und auch in Deutschland wird mit Camellia sinensis experimentiert: Am Kaiserstuhl wurden unlängst 20.000 Tee-Samen ausgepflanzt, bis zur ersten Ernte wird es aber noch Jahre dauern.

Timing ist alles: Die Bitterkeit des Tee-Lebens

Der internationale Sprachbrauch unterscheidet deutlich zwischen echtem Tee (tea bzw. thé) und Kräuteraufgüssen (infusions bzw. tisanes). Hierzulande wird auch vom Früchte- bzw. Kräutertee gesprochen, was streng genommen nur zulässig wäre, wenn die Basis grüner oder schwarzer Tee darstellt. Der Unterschied ist aber nicht nur semantischer Natur. Die in Gin & Tonics beliebten, färbenden Mischungen auf Malven- oder Hibiskusbasis unterscheiden sich im Umgang nämlich von den meisten Tees. Aber auch Cold Drips mit Kräutern (z. B. Kamille), wie sie etwa in der Die Goldene Bar in München Teil der Signature Drinks sind, funktionieren anders als die Warm-Mazerate vom Schwarztee. Der bittert nämlich in den meisten Fällen nach, wenn die Ziehzeit zu lange währt. Eine Ausnahme stellt der Milky Oolong dar, dessen Butterkeks-Geschmack eine interessante Alternative bildet, wenn man Toffee-Aromen, aber keine Süße im Drink braucht.

Ansonsten sollten bei der Extraktion mit heißem Wasser die Wassertemperatur und Ziehzeit laut Packung beherzigt werden, für intensivere Aromatik empfiehlt sich eine höhere Menge des entsprechenden Tees. Langsame Kaltmazeration, wie sie auch für die industrielle Eistee-Herstellung verwendet wird, eignet sich gut für Grüntees, vor allem solche mit Aromatisierung (z. B. Sencha mit Zitrusfrüchten). Dafür einfach kaltes Wasser mit den Teeblättern über Nacht in den Kühlschrank geben – und am besten gleich verkatert nach der Schicht in großen Mengen probieren. Das ist Detox in der Prep Kitchen.

Sophisticated: Der Eis(tee)-Würfel

Dass ein mit Wasser aufgegossener Aromageber wie der Tee auch in gefrorener Form funktioniert, stellt eine physikalische Trivialität dar. An der Bar sieht man diese einfache, aber wirkungsvolle Möglichkeit dennoch eher selten. Zumal die Auswahl auch eines Eiswürfels schon eine ziemlich fortgeschrittene Wahl für den Gast darstellt. Wer das „nerdy“ findet, sollte einmal vier unterschiedlich gefärbte große Eiswürfel vor sich haben, um zu sehen, wie stark sich schon die Optik von „Würfel-Tee“ unterscheidet.

Eine der schönsten Varianten davon servierte übrigens Tim Philips (Dead Ringer, Sydney) 2012 in Rio de Janeiro. Der spätere, globale World Class-Gewinner brachte zu seinem Perfect Serve vier Eiswürfel aus gefrorenem Tee mit. Jeder davon stand für eine Geschmacksnuance des Whiskys, den er damit kühlte. Lapsang Souchong verstärkte die Rauchigkeit, Grüntee hob die kräutrigen Noten hervor, Earl Grey die Zitrusaromen usw. Der Australier führte durch das langsame Anschwellen der Aromen auch das generelle Wirken von Tee im Cocktail vor – es geht um Subtilität. Dafür ist es letztlich egal, ob sich der im Teeblatt gespeicherte Geschmack sichtbar in der Tasse verbreitet oder aus dem vereisten „Brüh-Würfel“ in den Tumbler abschmilzt.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

Comments (1)

  • Der Mixxer

    Der Artikel war interessant, ich hatte jedoch erwartet mehr über den Moseley Tea Service oder andere berühmte Tee Drinks zu lesen. Vielleicht könntet ihr dies in einem künftigen Artikel nachholen?

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