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Bar Trends 2017

FÜNF! flüssige Trends für 2017

Was haben Genever, Aquavit, Madeira und Clairin gemeinsam? Sie alle könnten 2017 zu wichtigen Themen an der Bar werden. Doch es kommt noch mehr! Nutzen wir den Jahresbeginn, um FÜNF! möglicherweise wichtigen Trend-Themen für 2017 unsere Aufmerksamkeit zu schenken. 

Neues Jahr, neues Cocktailglück. Eine der schönsten Eigenschaften der Bar ist, dass sie sich ständig nach neuen, interessanten Dingen, Produkten, Ideen und Tendenzen umschaut. Dass es sich dabei in den seltensten Fällen um wirkliche Neuheiten im eigentlichen Sinne handelt, sollte auf der Hand liegen – zu groß und erschöpfend ist doch bereits das Angebot an Kategorien und Rubriken. Dennoch gibt es noch genügend Getränkefamilien, denen die Entwicklung und Explosion von Gin, Vodka oder American Whiskey noch nicht widerfahren sind.

Dennoch: Derzeit sind die Importeure und Distributeure extrem aktiv. Die Bars hierzulande können auf einen stetig wachsenden Reichtum an Produkten und damit auf immer feinere, komplexere Aromen zurückgreifen. Das hält die Barwelt lebendig und vital. Schauen wir uns heute daher einmal FÜNF! Themen und Produktkategorien an, die das Bar-Jahr 2017 im deutschsprachigen Raum nachhaltig beeinflussen könnten.

1) Aquavit & Genever

Der eine ist der Urahn des Gins, der andere im Prinzip dessen nordischer Bruder. Und tatsächlich macht es beinahe Sinn, Genever und Aquavit in freier Manier gemeinsam zu rubrizieren: Beide setzen auf unterschiedliche Getreidedestillate, teils gereift, teils ungereift, und beide werden durch Botanicals abgerundet. Der Unterschied besteht in deren Zusammensetzung – Wacholder als dominantes Element beim Genever, Gewürze wie Dill, Kümmel oder Anis beim Aquavit. Der große gemeinsame Nenner dabei sind Brände mit hoher Komplexität, Zugänglichkeit und einer unglaublichen Mixability.

Während Genever im Zuge der Gin-Renaissance durchaus einige Schritte auf dem Bar-Parkett getan hat – vor allem, wenn es darum geht, alte Rezepturen umzusetzen –, ist Aquavit hierzulande zwar im Gespräch, aber immer noch ein absolutes Nischenprodukt in Cocktails. Anders, natürlich, bei unseren skandinavischen Nachbarn, die dieses traditionelle Produkt inzwischen fest in ihrer Barkultur verankert haben. Aber auch in den USA, besonders in Houston, das eine riesige norwegische Community hat, ist der Gewürzgeist bereits mehr als nur ein Strohfeuer an den Bars. Die Einsicht, dass Aquavit extrem reichhaltige Möglichkeiten für Cocktails bietet, könnte diese Begeisterung im vor uns liegenden Jahr auch nach Deutschland schwappen lassen. Und der Genever könnte sich endgültig von seinem wesentlich gefragteren Bruder, dem Gin, als eigenständiges Segment emanzipieren.

2) Alte Küchentechniken

Flaschen- und Fassreifung von Cocktails, Cold-Drips, Sous Vide oder gar die hochwissenschaftliche Optimierung von Spirituosen und fertige Cocktails im Rotationsverdampfer – diese Techniken sind nur einige derer, die in den letzten Jahren zwar nicht zum Standard, aber gängig geworden sind.

In der jüngsten Vergangenheit wiederum zeichnet sich eine neue Hinwendung von Bartendern zu alten Techniken der Küche ab. Dabei handelt es sich meist um Methoden, die ursprünglich – oder immer noch – der Konservierung dienen, die aber auch jenseits dessen für tolle neue aromatische Möglichkeiten sorgen: Einwecken, Eindicken oder Fermentation verschiedenster Couleur bei Gemüsen und Früchten sorgen dafür, saisonale Waren das ganze Jahr über in naturbelassener Weise zugänglich zu machen, überdies kommen hochinteressante Geschmacks- und Texturkomponenten hinzu. Parallel dazu bahnt sich derzeit eine erneute Beschäftigung mit der klassischen Milchfiltration an, die schon vor Jahrhunderten praktiziert worden ist, etwa um Punches zu klären. Das bedeutet nicht, dass klassische Sirups oder der Sous Vide-Garer 2017 plötzlich im Keller verschwinden. Aber sie werden möglicherweise in zahlreichen Bars Gesellschaft aus vergangenen Zeiten bekommen.

3) Verstärkte Weine

Komplett neu ist dieses Thema nicht. Zu sehr läuft schon das Grundrauschen in Bezug auf verstärkte Weine. Angefangen mit der Nachfrage nach hochwertigem Wermut vor einigen Jahren, um Drinks wie Martinez, Manhattan, Vieux Carré oder Martini in neue Sphären zu heben, haben auch die ungewürzten Gattungen Sherry und Portwein sowie jüngst auch Madeira und Marsala an der Bar und unter Weinfreunden an Fahrt aufgenommen. Das betrifft nicht nur die Verwendung in klassischen, spirituosenbetonten Drinks, sondern auch neue Kreationen, die direkt auf den hocharomatischen Weinen aufbauen und ihre Aromen inszenieren. Besonders, aber nicht nur, zum Aperitif.

Damit kommt die Großkategorie der mal würzigen, mal süßen, oft bitteren „Südweine“ oder „Fortified Wines“ auch der derzeitigen Nachfrage nach „Medium Cocktails“ mit geringerem Alkoholgehalt entgegen – und das ohne Aromenverlust! All das bekommen auch die Importeure und Vertriebe mit: Das Angebot neuer oder schlicht neu verfügbarer, traditioneller Marken ist in den letzten Jahren bereits stark gestiegen, ein Ende scheint nicht in Sicht. Freuen wir uns darauf, dass der Sommer 2017 die Saison der Porto-Tonics, Sherry Cobbler und Madeira Swizzles werden könnte!

4) Mehr Konzept!

2016 war das Jahr, an dessen Anfang niemand geringerer als Jeffrey Morgenthaler sagte, es sei endgültig das Jahr, in dem Bars und Bartender nicht mehr so tun dürften, als sei 1922. Er meinte damit eine Abkehr von der teils religiösen und mitunter unreflektiert sowie verklärend scheinenden, ausschließlichen Hinwendung zu Ideen, Looks und Rezepten, die aus der Zeit der Prohibition oder davor stammen. Klar, die Gründerzeit der Bar hatte ihr Revival verdient, aber irgendwann ist auch mal gut. Schließlich gibt und gab es auch danach noch viel Reizvolles zu entdecken.

Und in der Tat hat vor allem 2016 gezeigt, dass sich die Barwelt konzeptionell zu diversifizieren scheint. So sagte auch Jim Meehan in einem Interview im April, er sehe vor allem Bars im Aufwind, die sich den Gästen mit einem eindeutigen Profil präsentieren. Wie unterschiedlich dies sein kann, mag von vielen Faktoren bestimmt werden und sich in zahlreichen Aspekten äußern: Design oder Ausstattung, musikalisches Profil, Drink-Schwerpunkt, ein spezieller kommunikativer Ansatz, Bezug zur Nachbarschaft, Ergänzung durch ein klares Speisenkonzept, regionaler oder nationaler Schwerpunkt, Innovationsdrang. In jedem Fall aber wird dem Gast dadurch stärker gezeigt, was er zu erwarten hat. Und noch etwas äußert sich dadurch: Es wird von Monat zu Monat, von interessanter Neueröffnung zur nächsten, immer deutlicher, dass es die Bar an sich nicht gibt. Der verstärkte Einzug des Konzepts in die Barszene illustriert aufs Angenehmste, dass die Branche floriert und den Verbraucher auf die Reise mitnimmt. Sicherlich auch 2017.

5) Zuckerrohrbrände

Im Sommer 2016 führte MIXOLOGY-Autorin Marianne Strauss eine große Umfrage unter aktuellen und ehemaligen Juroren der MIXOLOGY BAR AWARDS und damit unter einigen der führenden Bartender und Barbetreiber im deutschsprachigen Raum durch. Die Frage: Welche Spirituosengattungen könnten demnächst zum Trend an der Bar werden und für innovative, aufregende Drinks sorgen? Das überaus interessante Resultat: Ein erschlagender Anteil der Befragten brachte Destillate aus Zuckerrohr oder Melasse ins Spiel.

Interessant und überraschend ist dies vor allem insofern, als dass die wichtigste Großgattung darunter, melassebasierter Rum, ohnehin zu den Grundpfeilern der klassischen Bar zählt. Wie stark aber nicht nur Rhum Agricole, sondern auch Familien wie etwa asiatischer Arrak, mexikanischer Pox, Clairin aus Haiti oder auch Cachaça mit all seinen noch unbekannten Facetten noch zu entdecken sind, zeigten die Gespräche mit den Juroren – hinzu kommen außerdem noch die neuen deutschen Rums, die schon vielen Liebhabern große Freude bereiten. Blicken wir auf ein aromatisches 2017 mit vielen Punches, Daiquiris, Rum Old Fashioneds und dem einen oder anderen Ti’Ponche.

Credits

Foto: Tim Klöcker

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