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FÜNF! Spirituosen, die kein Trend sind

Nur wenige Worte werden so oft und so unangebracht verwendet wie der Begriff „Trend“. Was ist wohl der nächste große Trend im Bar-Bereich. Es werden wöchentlich Vorschläge geliefert. Wir halten es anders und begutachten heute FÜNF! Spirituosen, die bei uns so gut wie keiner kennt. Und die alles andere als Trend sind.

Whiskey, Rum, Gin, Tequila, Wermut, Vodka – der Kreis der „Trendspirituosen“ dreht sich unermüdlich. Doch manchmal scheint es dem Beobachter, als läge eine gewisse Ähnlichkeit zum oft genannten Trainerkarussell der Bundesliga vor. Die immer wieder gleichen Akteure in immer wieder neuem Gewand kommen alle paar Jahre daher und werden als „Trend“ positioniert. Das mag manchmal stimmen, während es bisweilen nichts anderes als Hype und heiße Luft bleibt. Den wirklichen, seit einigen Jahren heraufbeschworenen Tequila-Boom etwa erwarten wir – abseits von wenigen hochspezialisierten Bars – bis zum heutigen Tag, wenn wir ehrlich sein wollen. Noch ist der Gin dafür einfach zu mächtig.

Ein wenig Abwechslung tut wahrlich gut, und nach dem x-ten Rye-Drink wird es die Community wieder nach etwas Neuem dürsten. Doch warum eigentlich immer wieder in den üblichen Gefilden wildern? Freilich haben sich Produkte wie Sake, Mezcal oder Shochu einen Zugang zur westlichen Barwelt verschafft, Big Player sind sie aber dennoch nicht geworden.

Und es geht auch wesentlich abseitiger, wie wir heute zeigen wollen. Was wird eigentlich an anderen Ecken der Welt getrunken? Sollte es so etwas nicht auch in Europa geben? Natürlich ist so manches Produkt bei uns schlicht nicht oder nur zu äußerst widrigen Konditionen erhältlich. Das soll uns nicht davon abhalten, heute einmal die sonntägliche Ruhe zu nutzen, um uns FÜNF! Spirituosen aus aller Welt anzusehen, die in heimischen Breitengraden in so gut wie keinem Backboard stehen. Zahnbürste eingepackt? Dann los:

1) Sotol

Alle sprechen von Mezcal, wir von Sotol. Denn in Mexiko wird alles gebrannt, was die Steppe hergibt. Sotol wird aus Dasylirien gebrannt, die, wie auch die Agave, zu den Spargelgewächsen zählt. Zwar ist eine geschmackliche Ähnlichkeit zu Tequila und dessen bösem Bruder Mezcal gegeben, der Sotol bringt jedoch auch seine ganz eigene Note mit.

Darüberhinaus unterliegt auch Sotol einer geografischen Eingrenzung, denn er darf nur in Chihuahua und zwei weiteren mexikanischen Bundesstaaten, nämlich Coahuila und Durango, hergestellt werden. In Deutschland ist die Kategorie so gut wie unbekannt. Zumindest die Klassifizierung würde einem Markteintritt nicht entgegenstehen, denn wie auch bei den bekannteren Destillaten aus dem mittelamerikanischen Land wird unterschieden in Blanco, Reposado und Añejo.

2) Báijiū

Hinter dem Wort, das aussieht, als ob mindestens ein i-Punkt zu viel hineingeraten sei, verbirgt sich die favorisierte Spirituose Chinas. Vor allem im Norden des Riesenlandes werden gewaltige Mengen Báijiū produziert und konsumiert. Die Basis für den klaren Brand sind unterschiedliche Getreide, zumeist Hirse. Teurer Báijiū ist übrigens die einzige heimische Spirituose, die von chinesischen Behörden auch an ausländische Würdenträger ausgeschenkt wird.

Die Bandbreite an verfügbarem Báijiū reicht von ganz oben bis in die dunkelsten Gefilde, die niemand kennen mag. Einerseits existieren prestigeträchtige Marken, die für umgerechnet 50 € pro Flasche gehandelt werden, es gibt jedoch auch solche Abfüllungen, die für die sprichwörtliche Hand voll Dollar den Besitzer wechseln. Beim Besuch im Reich der Mitte sollte der geneigte Reisende also lieber einige Yuan mehr ausgeben, um sich mit dem Geschmack des Landes vertraut zu machen. Bei einem Alkoholgehalt von bis zu 60%/Vol ist das aber generell ratsam.

3) Arrak

Der Arrak, heute vornehmlich in Sri Lanka und Indonesien produziert, erlangt im Zuge der Wiederbelebung der Punch-Kultur aktuell ein kleines Comeback. Völlig zu recht, denn er steht als archetypische Punch- und Seefahrerspirituose ganz am Anfang der neueren Historie gemischter Getränke.

Vereinzelt auch auf Reis oder Zuckerrohr aufgebaut, wird der größte Teil des erhältlichen Arrak aus vergorenem Palmensaft erzeigt, außerdem gibt es auch Spielarten aus fermentierten Kokosnüssen. Je nach Lagerzeit und -umständen sowie Güte des ursprünglichen Destillats kann ein hochwertiger Arrak es durchaus mit Rum und Whiskey aufnehmen, was Aromatik und Milde angeht. Besonders jener aus Palmenwein kann dabei allerdings noch mit einer merklichen floralen Note glänzen, die ihn für eine Vielzahl von Cocktails empfiehlt. Guter Arrak ist vergleichsweise einfach in deutschen Online-Shops oder bei gut sortierten Fachhändlern erhältlich.

4) Waragi

Ein Gin-Derivat wird man in Uganda an jeder Ecke finden: Waragi heißt die Nationalspirituose, die sich im Zuge der britischen Kolonisation entwickelt hat. Hergestellt wird sie zumeist aus Hirse, wahlweise allerdings auch aus Maniokknollen, Rohrzucker oder Kochbananen, hinzu kommt eine leichte Aromatisierung mit Wacholder.

Charakteristisch ist, wie in vielen afrikanischen Ländern, dass der Verkauf nicht nur in Flaschen, sondern ebenfalls in kleinen 50-ml-Portionstüten erfolgt – für den spontanen Schnapsdurst an der Bushaltestelle. Ein kleines Wunder: pur schmeckt Waragi wie ein Brillenputztuch, aber sobald man ihn vermischt, ist jeglicher Geschmack verflogen.

5) Soju

Der koreanische Begriff Soju bedeutet nichts anderes als „Branntwein“. Wie fast alle ostasiatischen Brände basiert er zumeist auf Reis. Im Gegensatz zu den anderen vier Vertretern in dieser Liste hat es der Soju, übrigens ein Verwandter des filigraneren japanischen Shōchū, bereits in einige hochklassige Bars der westlichen Welt geschafft. So adelte z.B. Alex Kratena aus der Londonder Artesian Bar, entsprechend seiner vorigen Tätigkeit in Seoul, den Reisbrand mit einer Aufnahme einiger auf Soju-Basis entwickelter Drinks in die Karte der besten Bar der Welt.

Dennoch bleibt auch Soju hierzulande und im Rest Europas alles andere als ein gängiges Produkt. Nicht so im Rest der Welt: es häufen sich die Quellen, die ihn als meistverkaufte Spirituose der Welt bezeichnen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz bekommt ihn mitunter im typischen Asia-Laden, aber zumeist in minderer Qualität.

Credits

Foto: Chinesicher Mann und Glas via Shutterstock. Bildmontage: Tim Klöcker

Comments (3)

  • Nick

    > Ein kleines Wunder: pur schmeckt Waragi wie ein Brillenputztuch, aber sobald man ihn vermischt, ist jeglicher Geschmack verflogen.

    Und was genau macht daran jetzt Lust auf mehr? 😉

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  • Sepo Galumbi

    Báijiū im Mittelpreissegment ist allerdings auch nicht zu unterschätzen. Die Spirituose weist einen ziemlich starken Eigengeschmack auf und kann mitunter echt penetrant ausfallen. In China werden in vielen Bars westliche Cocktailklassiker mit Báijiū statt mir Wodka oder Gin gemischt, so dass man da auch mal eine böse Überraschung erleben kann. Ich vermute mal, ihr habt da eher andere Einsatzmöglichkeiten im Hinterkopf, als eine 1:1-Substitution. 😉

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  • Matthias Böse

    Ich habe in Peking auch schon Báijiū im Plastikkanister gesehen. 2€ für 5 Liter (oder waren es sogar 10l?)

    Man sollte beachten immer die teuerste Flasche zu nehmen. Auch der Liter für 5€ ist kaum zu geniessen, ganz zu schweigen von den Kopfschmerzen am Tag danach.

    Allerdings kann man ihn gut zum Fensterputzen oder auch als Nagellackentferner benutzen.

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