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Gerlever Gelassenheit für die innere Ruhe

Ins Kloster geht man, um Kraft zu schöpfen. Oder um Kräuter zu studieren. Wenn das Ergebnis ein Dessertlikör wie der Gerlever Gelassenheit ist, umso besser. Ein Einblick in die Kooperation der gleichnamigen Abtei mit dem Feinbrenner Rüdiger Sasse.

Jahrhunderte alte Traditionen zu pflegen, aus denen man einen Kräuterlikör brennt, ist eine gute Idee. Das hat sich zumindest der Münsteraner Feinbrenner Rüdiger Sasse gedacht und, in Zusammenarbeit mit der Abtei Gerleve in Billerbeck sowie der Fachhochschule Münster, einen Dessertlikör ersonnen, der den gemütlichen Namen „Gerlever Gelassenheit“ trägt. Könnte die Vorband von Münchner Freiheit sein, könnte aber auch eine Bambusmatte für die bessere Balance sein, die bei Ikea gleich neben dem Buddha zu finden ist. Weder noch, zum Glück!

Nach einer 500 Jahre alten Benediktiner-Rezeptur wird die Basis des Elixiers von Mönchen hergestellt. Und was von Mönchen hergestellt wird, obliegt ja wohl so etwas wie einer Pflicht zur Lebensverbesserung! Vermutlich kommt das ein wenig auf die Dosierung an; fest steht allerdings, dass der Gerlever Zeit spendet – Zeit der Handarbeit für alle an der Produktion Beteiligten sowie Zeit zum Nachdenken.

Zum Gähnen und Genießen

Nachdenken über längst zerkaute Themen wie unseren Konsum, zum Beispiel. Oder über unsere Vorstellungen von Arbeitsbedingungen. Von Transparenz und Verbraucherschutz. Oder unserem Umgang mit der Umwelt. Jaja, alte Schuhe sind das – und trotzdem drücken sie doch. Darum hat es sich die Feinbrennerei Sasse zur Aufgabe gemacht, einen Gedanken über den Umgang mit Kulturgut in drei Geschmacksrichtungen zu destillieren: „Harmonie“, „Gelassenheit“ und „Inspiration“. Klingt jetzt doch ein bisschen nach Buddha und Bambus. Es geht hier jedoch nicht um billige Abziehbilder aufgesetzter Wohlfühloasen, sondern um den Versuch, Spiritualität und Wissenschaft, Tradition und Innovation zu verbinden. Und das klappt nur, wenn man Spirituelle mit Wissenschaftlern zusammensetzt, um das Traditionelle zu erneuern: Mönche, die Uni Münster, ein Uraltrezept und die Gastronomie, zum Beispiel.

Alle drei Geschmacksrichtungen wurden über die Tresen des Landes verteilt, die „Gelassenheit“ ging als klarer Favorit hervor und wird daher im deutschlandweiten Fachhandel sowie dauerhaft im Onlineshop vertrieben. Weil sich Genussmittel, Geschäft und Gelassenheit eben nicht ausschließen.

Zeit für eine neue Generation

Und das ist so neu nicht. In Berliner Bars boomt der Local Gin, die Etiketten sind von Hand kalligraphiert und nach Möglichkeit erhält das soziale Ehrenamtsprojekt des fair bezahlten Praktikanten auch einen Anteil des Gewinns. Das kann nerven, weil es sehr hip ist und was hip ist, finden wir gern blöd, weil wir zeigen wollen, dass wir distinguiert darlegen können, was wirklich hip und was eigentlich blöd ist. Ließe man diese Selbstdarstellung durch Drinks aber einmal beiseite, würde man ganz Großartiges entdecken: dass es möglicherweise wirklich an der Zeit ist – „Zeit für eine neue Tradition“, wie der Likör auf seiner eigenen Homepage titelt.

Ein schöner Vergleich übrigens: die Homepage (!) der Abtei Gerleve mit virtuellem Rundgang, Infos zur Mönchswerdung und Zitaten: „Der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt: Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht!“ (Regel des hl. Benedikt, Prolog 14-15). Auf der Homepage des Likörs Gerlever erscheint, einer Antwort auf den Ruf des Herrn gleich, folgendes: „Gerlever Gelassenheit – dazu gemacht, Dir ein kleines Stück Zeit zu schenken. Zeit des Genusses – Zeit der Ruhe“. Die guten Tage gelingen also, wenn man sie mit Gerlever füllt?

Zeit auf der Zunge

Wir wollen sehen. Was man als aller erstes sieht, ist – wie so oft – die Oberfläche. Und zwar in Form einer formvollendeten Halbliterflasche ohne Etikett und eitlem Firlefanz, dafür frugal und dadurch fein. „Gerlever“ steht da in Cambria-Lettern, darunter ein Strich, darunter ein Kloster. Drinnen ist folgendes: Zitronenschale, Melisse und Nelke, das ist die Basis aller drei Liköre. Die Gelassenheit besteche weiterhin aus einer Rezeptur von „Beeren, Blüten sowie Weizen und Roggen“. Also allem, was sonst noch wächst (genau genommen sind das Holunder, Kalmus, Kardamom, Muskat, Veilchen und Zimt). Außen asketisch – innen allumfassend, wir haben verstanden.

Und es schmeckt wirklich, als hätte sich jemand die Mühe gemacht, Alt mit Neu zu mischen. Als hätten sich Schamane und Bartender zusammen getan, Miraculix den Topf geklaut, eine Dusty Springfield-Platte aufgelegt und los gebrannt. Wenn man in einer mit Kneipp-Melisse gefüllten Badewanne läge, ein Ricola-Holunderbonbon lutschte, dazu einen Schluck Enzian tränke, an Westindien dächte und Walgesänge hörte – so schmeckt die Gerlever Gelassenheit!

Einfach mal Neues wagen und es so machen wir vor 500 Jahren. Ob Up-to-date, gerade-nicht-mehr, oder deswegen-schon-wieder – uns schmeckt´s.

Es folgen zwei von Sasse empfohlene Kreationen. Erstere klingt aufwendig, aber es lohnt sich. Versprochen. Vermutlich macht sie unsterblich.

Gerlever Smash

3 cl Gerlever
2 cl Landy Cognac V.S.O.P.
1,5 cl Orangensaft
1 cl Limettensaft
2 cl Rosmarinsirup
1 Zweig Estragon

Alle Zutaten in einen Shaker geben, Estragonzweig leicht andrücken; auf Eis shaken und double strainen, Glas: Cocktailschale

Schaum:

2 cl Rivaner von Weingut Milch
½ Pfirsich
10 cl Wasser
¼ TL Fleur de Sel
¾ TL Pro Espuma

Alle Zutaten im Espuma-Sprayer schäumen; alternativ 30 Sekunden mit einem Stabmixer aufschlagen

G Ale

5 cl Gerlever
½ Orange (zerdrücken)
2 Zweige Estragon
etwas Ginger Ale

Highballglas mit Eis füllen, Zutaten hinein geben und umrühren

Credits

Foto: Kloster & Mönch & Glas via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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