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Wacholder-Wanderungen in London: Auf Gin Tour

In London, einer der Wiegen heutiger Gin-Produktion, entwickelt sich der würzige Klare immer mehr zum Touristenmagnet. Peter Eichhorn hat für uns den Tropenhelm aufgezogen und berichtet über die erste professionell geführte Gin-Safari der Stadt. Brüllen die Löwen an der Themse nur, oder steckt mehr dahinter? Am Ende wissen wir mehr!

 

„Let’s drink London dry!“ – Lasst uns London trocken trinken! Der Gin-Craze, der im 17. Jahrhundert die Straßen der britischen Hauptstadt auf eher ungesunde Weise flutete, erlebt heute international seine köstliche Fortsetzung. Zwischen Alaska und Tasmanien, zwischen Kapstadt und Grönland werden die Destillationsapparate angeschmissen und mit Botanicals befüllt, um im Wochenrhythmus neue Gins auf Mensch und Tonic loszulassen.

Junipers Comin Home

Was tut sich in der Stadt, die wie keine andere für Gin-Tradition steht und mit ihrem Namen dem meistverbreiteten Gin-Stil, dem London Dry, ihren Namen gab? Übrigens kein geschützter Regionalbegriff, London Dry muss nicht aus London stammen. Die Bezeichnung bedeutet, dass Farb- und Süßungszusätze unerwünscht sind und keine Aromastoffe nach der Destillation zugefügt werden dürfen. Der Alkoholgehalt muss bei mindestens 37,5 %/Vol. liegen.

Botanical-Boom

Lange Zeit war in London mit Beefeater nur noch eine einzige Destillerie aktiv in Betrieb. In den letzten Jahren kamen weitere hinzu wie Sipsmith, The City of London Distillery, The London Distillery Company, Sacred, Jensen Gin oder die East London Liquor Company, welche die bewährte Tradition der Metropolis wieder aufgreifen und neu beleben.

Der Bartender und Gin-Enthusiast Leon Dalloway verschreibt sich leidenschaftlich dem Wacholder-Destillat in Britanniens Hauptstadt und führt Einheimische und Besucher in die Faszination Gin ein. „Shake, Rattle & Stir“ nennt Leon sein Konzept, bei dem er seine Gäste auf Touren durch London mitnimmt und die Welt des Gins von der Brennerei bis zum Cocktailglas präsentiert. In Wort, Ort und Schluck.

Learning by Drinking

“Gin Journey” lautet der Name der Tour, die derzeit zwei Mal die Woche stattfindet. „Die Nachfrage ist enorm“, berichtet Leon, „daher werden ab März noch weitere Termine jede Woche angeboten.“ Maximal 18 Personen begleiten den Mann aus Leicester auf der fünfstündigen Reise in die Welt der Gin- und Cocktailkultur. Fünf Stationen stehen auf dem Programm, bestehend aus Cocktailbars und einer Gin-Destillerie. Die Gäste strahlen, wenn das Programm gegen 23 Uhr zum Ende kommt.

Kenntnisreich und charismatisch führt Leon Dalloway durch den Abend. Mal plaudernd, mal präzise bereitet er die Trinkwelten des Gins in der Historie, der Fertigung und in Cocktails auf. Stets bleibt es ein anspruchsvolles Event der Trinkkultur, niemals artet es zum Gelage aus. Das Publikum ist so anspruchsvoll, wie der Gastgeber. Dennoch kommen die Gäste auch getränketechnisch auf ihre Kosten. In dem Teilnahmebeitrag von 60 Pfund enthalten sind neben dem Vortrag auch der Chauffeur-Service, die Verkostung von fünf verschiednen Gins und fünf Cocktails in den für die Gruppe reservierten Bereichen der jeweiligen Bars.

Wer von diesem Programm noch nicht genug bekommt, kann eine weitere Tour buchen. „The London Gin Experience“ nennt Leon seine exklusive Tour, bei der zwei Destillerien erkundet werden und eine Cocktailschulung stattfindet.

Es begann mit einer Gurke

MIXOLOGY ONLINE hatte Gelegenheit, den Gin-Fachmann in der East London Liquor Company zu Fragen und Gin & Tonic zu treffen. Er verknüpft den neuen Gin-Craze unmittelbar mit jenem Gin, der die Gurke und die Rose zu den klassischen Botanicals hinzusetzte. „Hendrick´s Gin brachte damals die Leute dazu, Gin wieder neu, anders und wertig wahrzunehmen“, erinnert sich Leon, „noch 2008 existierte nur eine Destillerie in der Stadt und 2009 ging es dann Schlag auf Schlag mit Neueröffnungen und frischen Marken los.“

Die Freude an Gin & Tonic ist auch an der Themse spürbar, aber Leon, der sein Bartender-Handwerk in Manchester erlernte, sieht Gin als faszinierende Cocktail-Zutat: „Mit Gin muss man spielen. Einige der großartigsten Cocktails der Getränkegeschichte basieren auf Gin. Glücklicherweise befindet sich meine Lieblingsbar nur wenige Schritte von meiner Türschwelle entfernt. Ich bewundere 69 Colebrook Row für die Schönheit in der Einfachheit und gleichsam für die Präzision bei der Zubereitung. Dort genieße ich immer wieder einige der besten Gin-Drinks, die möglich sind.“

Internationale Aufmerksamkeit für das Londoner Heiligtum

Dalloway zeigt sich erfreut über den Erfolg seiner Gin-Touren, bleibt aber dennoch bescheiden: „Ich hatte großes Glück. Ein begeisterter Artikel im Guardian gleich zu Beginn bescherte eine erste intensive Nachfrage. Persönliche Empfehlungen von zufriedenen Besuchern und Berichte, beispielsweise in der „Zeit“, sorgten auch für internationale Aufmerksamkeit für das Projekt.“ Auch Gin-Fans aus Deutschland finden den Weg auf die Gin Journey. Kurioserweise sind lediglich Teilnehmer aus Spanien, dem Land des Mega-Gin-Hypes, bislang überaus rar.

Noch mehr Gin?

Was steht noch zu erwarten, fragen wir den Branchenkenner. „Persönlich denke ich, dass der Gin-Boom noch so Einiges in Petto hält. Wenn man den Bier- und Whiskey-Boom in den Vereinigten Staaten betrachtet, sieht man eine stetige und wachsende Kontinuität. Gäste und Verbraucher sind kenntnisreicher als jemals zuvor und werden die Hersteller und Anbieter weiter fordern. Vor uns liegen noch einige aufregende Schritte, die der Gin gehen kann und wird.“ Insbesondere auch in London: „Ich bin sehr froh, dass Gin in die Hauptstadt zurückgekehrt ist und diesen zweiten Gin-Craze erlebt. London präsentiert sich der Welt als leuchtende Heimat des Gins. Und das möge gerne noch lange Zeit genau so weitergehen,“ freut sich Leon auf die nächsten Jahre.

Wer London besucht und sich auf die Fährte des Gin begeben möchte, dem sei Leon Dalloway mit seinen Touren wärmstens ans Herz gelegt. Ein unvergessliches Gin-Erlebnis ist garantiert. Darüber hinaus lohnt auch ein Besuch der Beefeater Distillery, der Marke, die seit dem 19. Jahrhundert der britischen Hauptstadt die treue hält. Im Ortsteil Kennington erlebt der Besucher für gut angelegte 12 Pfund eine sehr unterhaltsame und informative Multimedia-Ausstellung zur Geschichte von Gin, Gin in London und der Destillerie selbst.

Danach folgt noch eine Führung durch ein Besucherzentrum mit Erläuterungen zu Gerätschaften, Präsentation der Beefeater-Botanicals und einem abschließenden Gin & Tonic. Leider blieb die Nachfrage nach einer Neuauflage des Beefeater Crown Royal unbeantwortet. Ein Satz des Guides sprach hingegen Bände: „Bleibt mir bloß vom Hals mit diesen ganzen Craft-Gin-Dingern.“

Ein Prosit auf die Muttermiilch der Briten

Empfohlen seine zudem noch die kenntnisreichen Berichte von Emma Stokes in ihrem wundervollen Blog Ginmonkey.co.uk (nein, keine Verbindung zu der bekannten Marke aus dem Schwarzwald, auch wenn diese in mindestens 47 Backboards der britischen Hauptstadt zu finden ist). Die Gin-Liebhaberin gibt hervorragende Tipps und Einschätzungen zu Gin und den besten Cocktailbars Londons.

Wie sprach schon Eliza Doolittle in George Bernard Shaws „Pygmalion“, bzw. in „My Fair Lady“: Gin war wie Muttermilch für sie.

 

Credits

Foto: Bild via Shake, Rattle & Stir

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