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Es muss nicht immer Kürbissuppe sein: Der Hokkaido-Special

Kürbis aus Japan, Calvados aus Frankreich. Das alles zusammen in einer Bar in Deutschland: das ist der Hokkaido-Special. Die scheinbar ungewöhnliche Verbindung globaler Zutaten, die in der Berliner Bar Galander Charlottenburg ersonnen wurde, führt zu einer stimmig-kräftigen Komposition.

Der Zyklus des Jahres erfährt in der Herbstsaison eine kurze Einkehr. Nach der blühend-prosperierenden Schönheit der Natur, die in die fröhlich-unbeschwerten, langen Nächte des Sommers gipfelt, kurz vor den besinnlich-ruhigen, kurzen Tagen und dunklen Sternennächten des Winters liegt der rot-schimmernde, emotionslodernde Herbst. Baumkronen tragen letzte Blätter, Kastanien schmücken den Weg. Zeit der Melancholie, Momente der Selbstreflektion.

Eine Zeit voller Ruhe. Eine friedvolle Zeit, der wir uns in der darauf folgenden, stressigen Vorweihnachtszeit, gefangen in den Kassenschlangen dieser Welt und eingepfercht zwischen Grabbeltischen und Nordmanntannen, nur allzu gern entsinnen. Die Zeit des Erntedanks. Eine Zeit der Demut, aber auch die Jahreszeit der natürlichen Erzeugnisse.

Big in Japan    

Caroline Schlicher und ihr Team rund um die alteingesessene Cocktail-Institution Galander im Herzen von Berlin-Charlottenburg spielen gerne mit Zutaten verschiedenster Art, um sie durch entlehnte Küchentechniken drinkkonform anzupassen. „Was passt am besten in den Herbst? Vielleicht Kürbis, Äpfel? Schwerere, aber dennoch fruchtige Zutaten, die jene Übergangsjahreszeit bestmöglich präsentieren“, so Schlicher.

Charakteristikum eines jeden Horrorfilmes und Schrecksymbol so mancher „Süßes-oder-Saures“ brüllender Kinder, steht die schaurig-schöne Fratze des herbstlichen Kürbis Sinnbild für die rote Jahreszeit. Als wahrer Importschlager erwies sich über die letzten Jahre der in Japan beheimatete Hokkaido-Kürbis, eine Variation, die seit den 1990er Jahren einen kometenhaften Aufstieg erfahren hat. Sein Fruchtfleisch erinnert an ein maronenähnliches, regelrecht nussiges Aroma und harmoniert geschmacklich hervorragend mit Ingwer oder Chili. Wie gemacht also für einen herbstlichen Drink.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Getreu diesem altbekannten Sprichwort ging man auch bei der Zutatenfindung des Hokkaido-Special vor. „Wenn schon herbstlich, dann richtig“, dachte man sich wohl, als man Calvados mit Cognac vereinte, ein wenig Zitrone hinzufügte und dem Ganzen einen hausgemachten Kürbissirup hinzufügte. Was klingt wie eine süße Kürbissuppe, offenbart sich beim ersten Goutieren als ein Zusammenspiel unterschiedlicher Geschmacksempfindungen, gar als träfen verschiedene Jahreszeiten aufeinander. Die sommerlich-saure Zitrone bildet die bittersüße Abrundung einer süßlich-fruchtigen Liaison aus dem tief-winterlichen Cognac und dem spielerisch leichten, an Obstnoten kaum zu übertreffenden Calvados.

Weich und samtig schmiegt sich der farblich an Herbstblätter angepasste Drink an den Gaumen und hinterlässt durch das Kürbis-Ingwer-Püree eine leicht-scharfe, cremige Note im Abklang. Schwermütig-elegisch wispert der traurig-schöne Drink seinem Trinker entgegen, dass die Sonne des Sommers nun endgültig ein Ende gefunden hat.

Geschmacklich kräftig könnte jener Drink gar an einen großen, getwisteten Cocktailklassiker erinnern. Und trotz der Melancholie bleibt ein von der Komposition klassisch-modernes Korsett eines Drinks zurück, das an warme Zeiten erinnert und besinnlich stimmt. Hierzulande mögen die Sonnenstrahlen das Weite gesucht haben; der Hokkaido-Special mit Entlehnung an das Land der aufgehenden Sonne bringt unser Gesicht jedoch erneut zum Strahlen.                                                                                                                                                                                                                          

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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