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long island iced tea

Die Trilogie der Trauer, Nr. 1: Paradies oder Insel des Grauens?

Ein Long Island Iced Tea? Echt jetzt? Doch, es geht, aber eben nicht so, wie er millionenfach über den Tresen wandert. Sondern als Old Fashioned. Über die aromatischen Möglichkeiten, die ein undankbarer Sauf-Drink in sich bergen kann.

 

Ein Twist ist nicht gleich ein Twist, zeigt uns Max Bergfried aus der Düsseldorfer Bricks Bar heute recht eindrucksvoll. Warum er einen so verkannten Klassiker neu aufgelegt hat und weshalb man Drinks nicht von vornherein stigmatisieren sollte, verrät er uns. Es geht um Mythen – und es wird boozy.

Long live the Long Island Iced Tea!

Es ist einer dieser Abende, da werden zwischen Bartender und Gast unrühmliche Worte ausgetauscht. „Einen Hugo und zwei Spritz bitte und mach’ doch noch ’ne Pina Colada“ heißt es da. Und die Antwort „Das machen wir hier nicht“ erreicht meine Ohren als Antwort. None of my business, wie man im Englischen so schön sagt, könnte man da meinen und den Dialog still und schweigsam einfach überhören. Dennoch, ja vielleicht gerade aufgrund der Regelmäßigkeit ebendieser Situation, schaue ich den Bartender an diesem Abend an, drehe mich nicht weg und blicke ihm direkt in seine Augen. Verschmitzt öffne ich den Mund und über meine Lippen entgleist rauschend und mit voller Wucht der Satz: „Machst du mir dann bitte einen Long Island Iced Tea?“

Es gibt diese Drinks, die geächtet werden, die kein Bartender dieser Welt ernst nimmt. Drinks, die wir alle entweder nicht mehr trinken können oder nicht mehr trinken wollen, Drinks die der Bartender nicht machen will. Kurzum: Drinks, oftmals einstige Klassiker, bei denen wir häufig nicht verstehen, wie eine solche Komposition einst Massen in ihren Bann ziehen konnte. Es geht in dieser „Trilogie der Trauer“ um eben jene Drinks. Und es geht um die Frage: Wie kann man sie aus der Mottenkiste und der stillen Ecke zurück auf die Karte des 21. Jahrhunderts holen. Den Anfang macht ein schwerer Fall – der Long Island Iced Tea!

Drinks polarisieren, heißt es oft so schön. Der Long Island Iced Tea tut das nicht, schenkt man der popkulturellen Analyse dieser Mischung glauben. Selten wurde an einem Drink so ein dermaßen schlechtes Haar gelassen, nicht selten sei er alleine die Ursache des Katers nach durchzechter Nacht und noch viel seltener, ja fast immer – so denn sich eine Bar in der westlichen Hemisphäre auch nur erdreiste, ihn auf die Karte zu schreiben – ist man sich sicher und merkt pauschalisierend an, dass jene Bar nichts taugen kann. Der Long Island Iced Tea – das stigmatisierte Unheil der Bar, das schwarze Schaf, der ungeliebte Onkel.

Muss das sein?

Als Alchemist und Laborant hegte ich eine gewisse Sympathie für das Puristische. So würde ich urteilen, dass es nicht im Sinne der Pioniere und Destillateure gewesen sein kann, gänzlich unterschiedliche Destillate auf gleiche Menge in einem Drink miteinander zu vereinen, nur um dem Ganzen mit Cola und Limette den Todesstoß zu verleihen. Als Bartender würde ich den Drink verteufeln: Viel zu viele Flaschen, sperrig und dann auch geschmacklich noch so flach, welch Wareneinsatz by the way… Wäre ich ein unbedarfter Trinker und darauf aus, meine neuste Tinder-Bekanntschaft abzuschleppen, würde ich ihn lieben und ja auch als nicht ganz so unbedarfter Trinker im Pauschalurlaub nach der Flasche Wein beim Dinner und unterlegt mit schönen Bildern würde ich ihn vielleicht mal bestellen. Doch kann es auch einen Long Island Iced Tea geben, der diese beiden so konträren Ansichten miteinander in Einklang bringt? Wir haben Max Bergfried gefragt.

Change through Adaption

„Wir wollten in erster Linie unseren Gästen einen Cocktail anbieten, der ihnen irgendwie bekannt vorkommt, den wir aber noch einmal verfeinert oder eben neu interpretiert haben. Gäste mit etwas altbekanntem an gehobene Cocktails ranführen. Uns ist eben aufgefallen, dass die Kundschaft meistens das bestellt, was sie eben schon kennt…“, so Bergfried über seine Abwandlung.

Tatsächlich findet sich in Ihr viel weniger eine grausame Ansammlung unterschiedlichster Spirituosen denn eine interessante Komposition, die mit modernen Bartechniken einen verstaubt-berüchtigten Drink auf ein anderes Level hebt. Triple Sec, Mirabellenbrand, Vodka, Reposado-Tequila, London Dry Gin und Cachaça, alles zusammen drei Monate im Eichenfass gereift, sorgen für eine spannende Nuance im Blend durch die die Aromen spendende und Ecken abschleifende Reifung.

Herzstück und besonders spannend ist jedoch der von Bergfried und seinen Barkollegen eingesetzte Cola-Sirup, dem sie neben dem allzu typisch-bekannten Cola-Geschmack eine ungewöhnlich Note beifügen. So kommt hier Bergfrieds Liebe und Achtung für Kräuter und Gewürze ein weiteres Mal zur Achtung. Es fließen auch die Aromen von Kardamom, Kaffeebohne, Zimt und Ingwer mit ein und runden einen einst flachen Drink damit ab. Wie ein Steak, dem noch die Würze fehlte. Apropos Würze – diese wird dem Drink noch durch Verwendung eines Wermuts beigesteuert. Mit Limette wird dann balanciert und ausgeglichen.

Nicht ohne mein Team

Und dennoch, so Bergfried bescheiden wie man ihn kennt, betont er, dass der Drink von der Ideenfindung hin bis zur konzeptuellen Umsetzung vor allem eine Teamleistung war und auf dem Input der gesamten Mannschaft beruhte. Mannschaft? Ja, der ausgebuffte und aromatisch absolut spannende Twist auf den Long Island Iced Tea als flüssige Insel des Untergangs nennt sich nämlich „Das alte Segelschiff“. Auf also mit der ganzen Mannschaft hin zu neuen Ufern und zur Insel des Glücks. Dort findet man sie dann, jene Abwandlung des Long Island Iced Tea, die beweist, dass geächtete Klassiker nur des Könnens begabter Hände bedürfen!

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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