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Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde August 2016

Seven Seas Rum aus Japan, Avuã Cachaça Amburana und der grandiose London Dry Gin aus dem Hause Cotswolds. Vielleicht mit einem Three Cents Tonic Water? Die letzte Verkostungsrunde im Sommer macht zweifellos großen Durst und Lust auf klassische Drinks. Einen guten Wermut haben wir außerdem auch im Gepäck.

Diese Verkostungsrunde steht ziemlich stark im Fokus der Klassik: Ein schöner, kurz gelagerter Cachaça, ein knackiger deutscher Wermut sowie ein grandioser London Dry Gin, der alle nötigen Ecken und Kanten besitzt. Und den Anfang macht ein klassisches, aber leicht verspieltes Tonic.

Three Cents Tonic Water

In einfacher Flaschenform und mit einem zurückhaltenden, mittelbraunen Label, das vielleicht auf die Naturbelassenheit des Inhalts verweisen soll, präsentiert sich das international schon teilweise sehr beliebte Tonic aus der griechischen Kreativschmiede Three Cents, die eng verbandelt ist mit der vitalen Athener Bartender-Szene. Der „Bruder“, das mit Gurken, Sellerie und Kräutern gewürzte Aegean Tonic, hat es parallel in die Long List der neuen MIXOLOGY BAR AWARDS-Kategorie „Europäische Spirituose/Barprodukt des Jahres“ geschafft – als einziges alkoholfreies Produkt.

Das klassische Tonic hingegen besticht durch ein kräftiges, orangiges Aroma, jedoch ohne ins „limonadige“ abzugleiten. Dazu kommen leichte Anklänge von Zitronengras. Im Mund ist es angenehm trocken und würzig, die Bittere ist präsent, jedoch ohne aufdringlich zu wirken. Zeitgemäß ist vor allem die zurückhaltende Süßung, die gerade mit Blick auf die wahrscheinlichste Verwendung im Gin & Tonic verspricht, dem Gin den ersten Rang zuzugestehen und einen knackigen Highball hervorzubringen. Die Kohlensäure spaltet die Runde: einigen Verkostern ist sie ein wenig zu schwach, andere Tester loben die feine Cremigkeit der Karbonisierung. Bislang noch ohne festen Vertrieb (nur über einen Münchener Großhandel begrenzt verfügbar) im deutschsprachigen Raum, dürfte es bei der hervorragenden Vernetzung der griechischen Szene nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich ein Distributionskanal auftut für dieses wirklich empfehlenswerte Tonic.

— threecents.gr

Wer=Mut3

Das Packaging des trockenen Wermut vom Neckar erinnert heutzutage fast eher an einen Gin denn an einen Wermut, der doch noch beinahe immer eher in länglichen Flaschen abgefüllt wird. Das hält jedoch den Wer=Mut3 nicht davon ab, edel in der Halbliterflasche mit Stopfen auf den Tisch zu kommen. Hergestellt wird der Wermut in der Bachgau-Destille nahe Aschaffenburg aus odenwäldischen Weinen und einem hauseigenen Destillat, das mit Wermut und Kubebenpfeffer versetzt ist.

Beim Nosing machen sich der Pfeffer, aber auch die einjährige Fasslagerung bemerkbar (die im übrigen auch aus der hellen Bernsteinfarbe lesbar ist), dazu kommen feine Noten eines reich bestückten Obstkorbes, vor allem zitrale Töne und Aromen von Steinobst, aber auch ein wenig Sultanine. Am Gaumen beeindruckt vor allem die gelungene Spannung aus krautiger Bitterkeit und deutlichen, weinigen Komponenten, die auf das Ursprungsprodukt verweisen. Der komplexe Abgang ist dann bestimmt von einer deutlichen Holznote, aber auch hier sind das Wermutkraut und die pfeffrige Tönung spürbar. Eine überaus spannende Alternative für einen wermutbetonten Dry Martini oder einen Wermut-Highball – erst recht beim vollkommen angemessenen Flaschenpreis von 9,90 Euro direkt bei der Brennerei.

bachgau-destille.de

Melissa Liqueur

Erwin Bröker, Barchef im Steigenberger Hotel Bad Pyrmont, ist nicht nur umtriebiger Wettbewerbsbartender – u.a. als Finalist bei der Made in GSA Competition 2015 in Berlin – sondern stellt gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und ehemaligem Mitarbeiter Jonas Eichmann seit Kurzem auch den Melissa Liqueur her – wie der Name schon sagt ein Likör mit dem Aroma von Zitronenmelisse. Abgefüllt wird daheim bei Eichmann, die Grundlage bilden eigens importierte Melisse und ein deutscher Bio-Vodka.

Abgefüllt wird Melissa mit stattlichen 30% Vol. von Hand in eine ansprechende Art-Déco-Flasche aus Klarglas, die Etiketten wirken jedoch derzeit noch sehr einfach und nicht unbedingt für jedes Rückbüffet geeignet. Ebenfalls ein wenig irritiert zeigte sich die Runde angesichts der spezifischen Trübung des Likörs: An und für sich ein gutes Zeichen und ein Indikator dafür, dass nicht filtriert wurde, erhält der Likör ein milchiges, in der vorliegenden Stärke leider recht unrein wirkendes Finish. Nicht unbedingt ein Aspekt, der Profis davon abhält, mit dem Produkt zu arbeiten, der allerdings mitunter die Kommunikation mit dem Gast erschweren kann.

Aus aromatischer Sicht wird der Melissa seinem Anspruch zunächst einmal gerecht: Er duftet voll und dicht nach Zitronenmelisse. Die weckt zwar durch abwesende Nebenaromen teilweise medizinale Assoziationen, transportiert aber das Kernaroma des Krautes, das immer ein wenig im Schatten der Minze steht, in schöner Deutlichkeit. Im Abgang macht sich der Alkohol mit einer gewissen, leicht penetranten Schärfe bemerkbar, hier sollte vielleicht noch ein wenig justiert werden, wie auch an der Komplexität des Botanical-Korbes. Insgesamt ein interessantes, junges Produkt mit Berechtigung, an dem aber noch ein wenig getuned werden muss.

— melissa-liqueur.com

Avuã Cachaça Amburana

Die Flasche ist natürlich ein Knaller, da ist sich die Runde einig. Eine charakteristische Form, das Etikett flächig am konischen Hals angebracht, setzt sich der Avuã, von dem hier die leicht gelagerte Amburana-Abfüllung probiert wird, deutlich von vielen anderen brasilianischen Zuckerrohrbränden ab. Schon seit längerem findet sich die Marke vereinzelt bei Fachhändlern und in Bars, nun ist die Marke fest und regelmäßig über den Brasilien-Spezialist Jericoa in Deutschland zu haben.

Der Avuã begeistert die Runde durch seine komplexe Nase, die weniger die estrige Fruchtigkeit vieler junger Cachaça an den Tag legt, sondern eher mit trocken-floralen Tönen wie Flieder, Lavendel und Kornblume sowie einer präsenten Vanille punktet, dazu gesellt sich eine leicht deftige Nuance, die an manchen Reposado-Tequila erinnert. Mit seinen 40% Vol. schmiegt sich der Cachaça samtig an die Zunge, die vorne zunächst eine feine Honigsüße ausmacht. Später rollen deutliche Noten von Brioche, Butterkaramell und Kernobst dem Gaumen entgegen, wo sich schließlich eine präsente Fass-Komponente leicht kontrahierend bemerkbar macht. Ein nicht ganz günstiger, aber herausragender Cachaça, der sich wunderbar eignet, um das Segment an der Bar weiter nach vorn zu bringen.

— jericoa.eu

Seven Seas Japanese Rum

Das Land der aufgehenden Sonne stellt nicht nur Whisky her, auch das Brennen von Melasse und Zuckerrohr hat eine Tradition. Mit dem drei Jahre gereiften Seven Seas bietet das Berliner Haus Ginza nun eine spannende Abfüllung in seinem Portfolio an. Die Flasche ist klassisch gehalten und gemahnt tatsächlich eher an einen Scotch, verströmt jedoch durch den antikisierenden Stich auf dem Hauptlabel eine schöne Noblesse und kleidet den Rum in ein elegantes Umfeld. Die Ausstattung wird durch einen Naturkorken und eine Banderole abgerundet.

Die amerikanische Eiche, in der der Brand ruht, drängt sich direkt in die Nase: Es dominieren deutliche Vanillenoten, dazu tritt eine starke Pflanzlichkeit von Rinde, Gras, Blattkoriander und grüner Banane, der Seven Seas bleibt dabei jedoch sehr leicht und flüchtig. Auf der Zunge ist der Rum leicht orangig, trägt außerdem Töne von Steinobst, zeichnet sich aber vor allem durch eine gute Viskosität aus und zerstäubt schön im Mundraum. Vielleicht mit einem leicht zu hoch angesetzten Preis, bereichert der Seven Seas die Rum-Landschaft aber dennoch.

ginza-berlin.com

Cotswolds Gin

Ein wahrhaft echter Brite steht mit dem Cotswolds Gin auf dem Tresen: Runde 46% Vol., dazu ein klassisch-moderner Botanicalkorb mit nur neun Zutaten, neben den üblichen Verdächtigen wie Koriander, Kardamom, Zitrone, Angelika und natürlich Wacholder machen sich vor allem Lorbeerblatt und Grapefruit in der Liste bemerkbar. Dennoch ein Gin, der ganz klar London Dry sein will, auch wenn die Flasche mit ihrer dunklen Einfärbung, der bauchigen Form und dem schwarzen Label ein wenig Richtung Portwein blickt.

Der Cotswolds beeindruckt sofort durch eine immense Spannung und komplexe Tiefe: Neben einer präzisen Wacholdertönung springt einem die Angelikawurzel geradezu in die Nase und sorgt für volle, leicht holzig-moosige Noten – und auch die Zitruszesten sind harmonisch eingebunden. Das kantige Profil verweist zudem stolz auf die kupferne Holstein-Brennanlage, in der der Gin gebrannt wird. Die für Gin typischen Anklänge von Süße sorgen für einen öligen, kompakten Weg über die Zunge, hier macht nun der ebenfalls enthaltene Pfeffer auf sich aufmerksam, daneben bleiben die Pinientöne aus dem Wacholder und die pikante Zitronentönung vom Koriander präsent – ein toller, extrem dichter London Dry Gin, der geradezu um die Verwendung in Gimlets oder steifen Martinis bittet.

— cotswoldsdistillery.com

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Credits

Foto: Sarah Liewehr

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