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ZWISCHEN TOSKANA UND TAHITI: DER OLIO NOBILE

Es muss nicht immer die Spirituose sein, die einem Drink ihren Stempel aufdrückt. Peter Roth mischt einen Cocktail, bei dem das Olivenöl die Hauptrolle einnimmt. Dazu unternehmen wir eine kleine Reise in die Toskana, wo Molekularküche und Cuisine Style niemanden interessiert – und trotzdem ein spannender Drink entsteht.

Wir befinden uns in der Kronenhalle, eine der ältesten Bars in Zürich. In der Kronenhalle klingt keine Musik, und auch sonst herrscht eine Ruhe, wie man sie selbst in vielen gehobeneren Hotelbars vermisst. Das liegt mitunter an Herrn Roth, der seit über 30 Jahren hier arbeitet. Das ist länger als die gesammelte Berufserfahrung manch einer neumodischen Cocktail Competition-Finalistengruppe, und das merkt man auch. Kein Firlefanz, kein Foodpairing, aber ein Gastgebertum, von dem man gerne träumt.

SALATSAUCE IM DRINK

Da erstaunt es, wenn man den Blick über die Cocktail-Karte schweifen lässt und bei den mit klassisch gehaltenen Zutaten und Mischungen hängen bleibt: Olio Nobile – Gin, Passionsfrucht, Olivenöl. Verzeihung, Herr Ober, da ist Salatsauce in meinem Drink! Aber mitnichten, keine Show-Einlage folgt, kein Sermon über Cuisine Cocktails, keine Inspirationsgeschichte von einer verstorbenen Großmutter. Die einzige Erklärung, die Herr Roth sich abringen lässt, ist dass Olivenöl sich nicht gut vermischt, und er den Drink deshalb im Blender zubereitet.

Gesagt, getan, eine Kugel Zitronensorbet landet im Blender, die übrigen Zutaten folgen, und dann ab ins Hinterzimmer, um die heilige Ruhe der Bar nicht mit dem mondänen Gerattere des Blenders zu stören. Die Präsentation im Highball-Glass erspart einem die Assoziation mit Frozen Mango-Margaritas aus der Jugendzeit, und auch die Garnitur ist zurückhaltend, Minze und Olive. Letztere eignet sich des weiteren hervorragend, um die ideale Konsistenz von im Blender zubereiteten Drinks zu erklären. Bleibt eine Olive knapp darauf liegen, dann stimmt’s.

EIN STARKER GIN DARF ES SCHON SEIN

Man liest zwar gelegentlich von fruchtigen Olivenölen, aber erst dieser Olio Nobile zeigt dem Autor auf, wie trefflich diese Beschreibung ist. Die fast schon derbe, tropische Fruchtigkeit der Passionsfrucht leitet so perfekt über in das Olivenöl, dass es schwer zu erkennen ist, wo die Frucht aufhört und die Olive beginnt. Eine leichte Bitterkeit ist im Hintergrund zu erkennen und schafft Balance. Dieses wunderbare Schauspiel zwischen Toskana und Tahiti ist eingebettet zwischen den tieferen Klängen des Gins und seinen Zitrus-Noten.

Es darf hier ohne weiteres zu den schweren Geschützen gegriffen werden, was den Gin betrifft; wenngleich auch dies wirklich kein Drink ist, der den Gin in den Vordergrund stellt, sondern das Öl. Logisch, dass es sich darum anbietet, hier nicht zu sparen. Herrn Roth hat ein Olivenöl mit dem Namen Olio Nobile zur Kreation dieses Getränks inspiriert (daher auch der Name), ein fruchtiges Olivenöl aus der Toskana, dessen Hersteller Wert auf biologischen Anbau und nachhaltige Vertriebsbeziehungen legt. Es muss nicht dieses sein, aber es sollte dieser Zutat die gleiche Aufmerksamkeit zuteil kommen, wie sie sonst die Spirituose erfährt.

ZEIT FÜR ÖL-TASTING

Es sei darum dem findigen Barmann geraten, sich in eines der gehobeneren Einkaufshäuser zu verirren, oder sogar in einen auf Olivenöle spezialisierten Feinschmeckerladen, sich beraten zu lassen, und zu verkosten. Das Verkosten von Olivenölen ist zunächst zwar ungewöhnlich, aber auch eine willkommene Abwechslung, insbesondere für diejenigen, die sich im Lichte der übermäßigen Verkostung von Geistreichem diese Woche zunächst mal fern von Alkohol halten möchten.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

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