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Am Tresen mit der Pop-Kultur: FÜNF! Cocktailsongs

Wie, kein Motörhead? Doch, es geht auch ohne Lemmy Kilmister. Denn im Pop wurde und wird immer, wirklich immer gesoffen. Und das auf unterschiedlichste Weise. Das beweisen unsere FÜNF! Songs mit Cocktails. Und was?! Die Rolling Stones sind auch nicht dabei? Sowas!

Die Paarung aus Saufen und Popmusik ist zwar nicht so alt wie die Menschheit, aber wenigstens so alt wie die Popmusik. Denn Alkohol gab es schon vorher und schöpferische, musikalische Menschen waren ihm schon immer zugetan. Man denke allein an den angeblich legendären Weinkeller von Johannes Brahms, der sich einer Anekdote zufolge gar am Morgen seines Todestages von seinem Arzt noch ein Gläschen aus dem Rheingau hat vorsetzen lassen. Oder daran, dass Georg Friedrich Händel (glaubt man Stefan Zweigs freier Erzählung) im Anschluss an seine Emigration nach Großbritannien sein gewaltiges Körpervolumen nicht nur durch den Verzehr von Yorkshire-Schinken, sondern auch aufgrund einer großen Leidenschaft für englische Starkbiere erlangt hat.

Als dann die Popmusik mit ihrer Verzahnung aus gelebtem Hedonismus und Rebellion kam, war der Alkohol schon da – und er hat seither darin eine große Rolle gespielt. Sei es als ständiger Begleiter vieler Schaffender, aber auch als Subjekt zahlloser Songs. Gesoffen wird immer im Pop, auf und hinter der Bühne. Und dazwischen sowieso. Also treten wir heute ungefähr einer Million anderen Musikern auf die Füße, die ebenfalls über Drinks gesungen haben, indem wir uns vollkommen willkürlich FÜNF! ganz besondere Perlen aussuchen.

1) The Andrews Sisters – Rum And Coca-Cola (1944)

Man muss das Getränk nicht mögen. Man muss allerdings auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung bedenken: Als die Andrew Sisters – zur Zeit des Zweiten Weltkriegs vielleicht Amerikas berühmteste Damen-Gesangstruppe – 1944 diesen Song aufnahmen, da war ein Rum-Cola für viele Menschen noch so abgefahren wie heute ein Highball aus Sellerie-Thymian-Limonade, Mezcal und Yuzusaft. Der Song strahlte damals übers Radio direkt in die konservativen Wohnzimmer von Illinois, Vermont und Arizona – soviel zur Exotik.

Man muss also das Getränk nicht mögen. Aber den Song dafür umso mehr! Der krude, in den Mainstream eingepasste Wackelbeat mit Calypso-Touch poltert gerade so halbschnell, dass man beim Tanzen ganz sicher nichts vom Rum-Cola verschüttet. Dazu quietscht die Trompete und die theatralischen Frauenstimmen singen exotikverheißend vom „Yankee Dollar“, für den man auf Trinidad hart arbeiten muss. Und das ganze macht einfach herausragend Spaß. Wer dann noch zufällig die Szene aus dem Indie-Film „Eggs“ des norwegischen Regisseurs Bent Hamer kennt, in der ein greises Herr in langer Unterhose dazu tanzt, kommt nicht umhin, bei dem Song stets in ein wohliges Grinsen zu verfallen. Man kann dazu übrigens auch einen Mojito trinken, das ist wohl noch erlaubt. Aber keinen El Presidente. Das wäre dann wirklich etwas zu viel des Guten.

2) Oasis – Supersonic (1994)

Bedenkt man die üblichen Zyklen der Popkultur, dann wäre es nach dem ballernden und blubbernden Neo-Eurodance der letzten Jahre prinzipiell auch wieder Zeit für Grunge. Oder Britpop. Also, so richtigen Britpop, der sich auffächert in eine intellektuelle Sphäre (siehe Blur) und eine, in der der stolze Norden Englands seine Working-Class-Herkunft feiern kann. Eben wie bei Oasis. Bis heute ist Liam Gallagher die Blaupause für den arrogant-prolligen Britpopper, der jeden anderen Musiker (außer John Lennon) scheiße findet und der sich in jeden Drink einen doppelten Shot Testosteron kippen lässt.

Einer von Gallaghers Wahl-Drinks jedenfalls schwimmt schon seit Jahren ganz oben auf der Boom-Welle, er hat ihn selbst 1994 auf „Definitely Maybe“ in „Supersonic“ besungen: „I’m feeling supersonic, give me gin and tonic“, kläfft er dort, und wie viel von der damals noch lange nicht so schicken Wacholderlimo er in seinem Leben bereits getrunken hat, kann der zynische Krawallbruder wohl selbst nicht wirklich sagen. Aber der Song, der bleibt und zeigt uns, dass ein Gin & Tonic keinesfalls immer das distinguierte Gewäsch mit Garnitur und Beratung braucht: Compound Gin, Tonic aus der Literflasche, vielleicht Eis (geht auch ohne), Plastikbecher – und dann ab in die Heimkurve bei Manchester City. Ach Mist, die sind ja mittlerweile gar nicht mehr der stadtinterne Underdog. Was Liam wohl seinerzeit dazu gesagt hat, dass die Prinzenfamilie mit der Fluglinie da eingestiegen ist?

3) Lambchop – Sharing A Gibson With Martin Luther King Jr.

Entstanden ist der Song laut Kurt Wagner, dem kreativen Kopf des losen Anti-Folk-Künstlerkollektivs aus Nashville, aus einem Traum heraus, der genau das enthielt, wovon Wagner mit seiner tiefen Stimme letztlich singt: Er wandelt durch die Slums der Großstadt und sieht das Elend, um schließlich – am Ende des Songs – den zuvor besungenen Wein auszutauschen gegen „His gin and her vermouth“, um ihn sich mit dem großen Bürgerrechtler, den er mit Verweis auf Nashville aber nur den „King“ nennt, zu teilen. Weil Wein dort einfach nichts zu suchen hat. Schon eher ein Drink, in den jemand eine Zwiebel geworfen hat.

Wie immer bei Lambchop sind die kruden, traurigen und oft morbiden Gedanken Wagners eingebettet in einen solch zauberhaften, zarten und vor allem klischeebefreiten Country, der in seiner Entrückung und Melancholie eher an die Smiths erinnert als an Hank Williams oder Lefty Frizzell. Ein Song, wie gemacht dafür, in Endlosschleife ein schweres Gemüt allmählich wieder ins Reich des (natürlich zweifelnden Lächelns) zu heben. Natürlich nur echt mit Zwiebeln. Keine Oliven!

4) Beastie Boys – Brass Monkey (1986)

Man muss nie lange suchen, wenn man bei den Beastie Boys auf Verweise in Richtung Hedonismus und Saufen hofft. Die drei jüdischen Jungs aus New York, die dem schwarzen Genre Hip Hop möglicherweise einen seiner zentralen Impulse zum Schritt in den medialen Mainstream gegeben haben, waren speziell zu ihrer auch vom Punk beeinflussten Anfangszeit besonders für eins bekannt: hart feiern. Vorglühen können andere.

Symptomatisch für das sympathische frühe Rowdytum der an sich nie wirklich bösen „Beasties“ ist der titelgebende Drink des nervös hüpfenden Brass Monkey (der übrigens noch viele andere alkoholische Getränke erwähnt): Es handelt sich um einen Zwitter aus Cuba Libre und Screwdriver, also um einen Highball mit Vodka, Rum, Orangensaft und vielleicht etwas Limette, der wie so viele Labsale seinen Ursprung angeblich in der militärischen Seefahrt haben soll. Aus Bar-Sicht eher ein zweifelhafter Drink, der auf schnelle und effektive Betankung setzt, darf man natürlich nicht vergessen: Wenn es 1986 ist und du gerade im engen Adidas-Trainer durch Brooklyn läufst, das Weed schon weggequalmt ist und ein Rausch als dringend erforderlich scheint, kann ein Brass Monkey durchaus mal den Tag retten.

5) Rupert Holmes – Escape (The Piña Colada Song)

Was haben Humphrey Bogart und die Piña Colada gemeinsam? Sie beiden kamen bzw. kommen in der ersten Zeile des Refrains von Rubert Holmes’ einzigem weltbekannten Song „Escape (The Piña Colada Song)“ vor. Denn der berühmte Vers aus dem Song, in dem ein Mann in der Midlife Crisis eine Dame zum gemeinsamen Durchbrennen in die Karibik sucht, lautete ursprünglich „If you like Humphrey Bogart“ – bis Holmes und seine Plattenfirma der Ansicht waren, ein tropischer Cocktail eigne sich dann wohl doch besser für das Flair des Songs als ein depressiver, whiskeytrinkender Filmstar.

Was danach kam, ist musikalische Bar-Geschichte: Ein prinzipiell grausiger Song, der aber allein aufgrund seiner Titelzeile (veröffentlich wurde er allerdings zunächst nur als „Escape“), die den vielleicht zweischneidigsten Cocktail der Welt zitiert, jedem Bartender ein freudiges Glitzern in die Augen zaubert. Mehr „Cheesyness“ geht nicht. Aber manchmal muss das sein. Weil es Freude macht. Weil der Song wie auch der Drink ein mitunter nötiger Gegenentwurf zur bitterernsten Bar-Etikette ist. Und eine echte, gute Piña Colada aus frischen Zutaten braucht sich ja nun auch vor nichts und niemandem zu verstecken.

Und Rupert Holmes? Der schaffte es zwar nie, sich langfristig im Pop zu verankern, ist aber nebenbei und gerade von der außeramerikanischen Sphäre eher unbeobachtet zu einem der erfolgreichsten Musical-Komponisten und -Produzenten am Broadway geworden. Die Piña Colada übrigens, so gab er einmal zu Protokoll, erinnere ihn geschmacklich eher an ein Mittel gegen Durchfall. Aber andererseits möchte man auch gar nicht wissen, welches Aroma ein kaltgerührter Humphrey Bogart gehabt hätte.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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