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Paterson mag Pasta

Richard Paterson ist eine eigenartige Persönlichkeit. Der Master Blender von Whyte & Mackay ist in jeder Sekunde professionell, und dabei persönlich. Er ist unverschämt entspannt und dabei unmissverständlich und verbindlich. Juliane Reichert hat diesen Mann, der seit mehr als einem halben Jahrhundert im Whisky-Business ist, zum eindrucksvollen Gespräch getroffen.

Richard Paterson ist leidenschaftlich, unverschämt und unmissverständlich. Vor allem aber ist er einer der berühmtesten Whisky-Blender der Welt. Für den schottischen Spirituosenhändler Whyte & Mackay vermählt er Whiskys und hat es damit zu einer Prominenz geschafft, die auf keiner Festivität fehlen sollte. Zumindest auf keiner, die es auf schmackhafte Unterhaltung mit Umdrehungen abgesehen hat. Allerdings ist Paterson alles andere als ein Alleinunterhalter. Überhaupt fällt es ihm schwer, sich bloß befragen zu lassen; viel zu interessant sind ihm andere Menschen. Nahezu jedes Interview – mit ihm, wohlgemerkt – beginnt er mit der Frage, ob sein Gegenüber schon einmal in Schottland war. „Auf Islay“, sagt man dann für gewöhnlich. Infolgedessen bekommt man, mal mehr, mal minder mahnend, in jedem Falle aber unmissverständlich geäußert, dass Islay gerade einmal fünf Minuten von Jura weg sei! Auf Jura, allerdings – waren nur wenige. Dabei ist die Insel Jura der Ort, auf der eine Destillerie steht, mit der Paterson eng zusammenarbeitet – die Jura Distillery.

Hello… How are you?

Und so gemütlich Paterson auch mit übereinander geschlagenen Beinen im Ledersessel sitzen mag, so streng guckt er, wenn es ums Vortrinken geht. Selten so viel Mühe in einen Schluck Whisky gesteckt, wird die schlimmste Befürchtung dennoch wahr: Es ist falsch. „I love you, but you have to improve your position“, sagt er. Es ist 9:13 Uhr und Herrn Paterson nicht zu früh, seinem Gegenüber Trinkhaltung zu vermitteln. Nach 50 Jahren im Whiskybusiness ist das verständlich; das Verständnis von „früh“ und „spät“ ist ein erfahrenes und manches will man sich einfach nicht mehr mitansehen. Zum Beispiel wenn einer falsch trinkt. Dafür ist es im auch selten zu spät: zu spät, es zu zeigen, immer und immer wieder. Man kann es auf Youtube sehen oder auf einer jeden Messe, auf der Paterson zugegen ist. So richtig genug kann man davon allerdings nicht bekommen. Also nochmal.

Weil es also früh ist, weil Paterson im Frühstücksraum eines Hotels sitzt, kann er nicht –wie gewohnt – den ersten Schluck seines Dram in den Raum kippen. Man kann sehen, dass er es gern würde, an der Mine des Menschen hinterm Tresen kann man wiederum sehen, dass er es für ungut befände. Paterson sieht das auch, weil Paterson alles sieht. Vor allem, wenn man falsch trinkt – also nochmal: das Glas wird gehalten am Fuß –  nicht am Stil, der Whisky muss sich im ganzen Glas verteilen, es folgt die allseits bekannte Geruchsprobe: „Hello…“. Das Glas wird abermals geschwenkt: „How are you?“ Und diese Frage richtet sich an beide Nasenlöcher, das Glas wird entsprechend bewegt. Glas geschwenkt. Nochmal zur Nase: „Quite well. Thank you.“ Und das war erst das Nosing! Beim Schmecken kann man sich einer Sache sicher sein: vor dem Schlucken muss man ihn länger im Mund behalten, als man denkt. Etwa drei Mal so lange. „Der Whisky muss auf die Zunge, neben die Zunge, unter die Zunge – und dann wieder oben drauf“, erklärt Paterson.

Meister der Metapher

Seinen ersten Schluck Whisky hat Paterson mit acht Jahren von seinem Vater bekommen. Dagegen ist 9:13 Uhr ein Witz. 50 Jahre ist er mittlerweile im Whiskygeschäft und macht keine Anstalten, dies zu verändern. Innerhalb der „Szene“ beinah ein Popstar, ist es selten, dass aus der echten Whiskywelt ein Laut nach außen dringt. Entweder man schmeckt oder man schnackt, beides schafft – außer vielleicht Horst Lüning auf Youtube – selten einer. Richard Paterson ist fester Bestandteil der Frankfurter Whiskymesse – und sie wiederum fester Bestandteil seiner Liebe zu Deutschland. Richard Paterson trägt eine eindrückliche Gleichzeitigkeit eines großen Gefühls und der vollkommenen Vernunft vor sich. Wenn er beispielsweise über Aromen, über Landschaften und darüber spricht, dass man für einen rauchigen Whisky Regen im Gesicht braucht.

Vernünftig wird es, wenn es um Qualität  in der Herstellung geht. Bei der Wahl seiner „Vattings“, gleichwohl seiner Fässer, denkt Paterson fünf bis sieben Jahre in die Zukunft. Das ist nicht besonders emotional – aber erfahren. Nach 50 Jahren im Geschäft weiß er nun einmal, dass man einen Whisky, der sich möglicherweise gut verkauft, in der Produktion nicht einfach verdreifachen kann. Wie ein Whisky schmecken soll, welchen Stil er hat und welche Erwartungen man an seinen Verkauf hat, muss von Anfang an feststehen. Alles muss zusammenpassen und auch das Fass wird nicht wohlfeil gewählt. Paterson ist ein Meister der Metapher. Das Fass eines Whiskys sei nämlich wie die Wahl eines Abendkleides. Es unterstreicht den natürlichen Charakter des Inhalts – also Mensch oder Whisky – und bringt seine besten Seiten hervor.

Von Blends und Bolognese

Paterson mag die schottische Landschaft und wie sie ihren Whisky widerspiegelt. Nördlich von Inverness sind die Whiskys kräftig und komplex, rund um die Isle of Skye rauchig und schwer, und im Süden elegant und sinnlich, erzählt er. Wie die Frauen. Whisky mit Frauen zu vergleichen kann sexistisch klingen, ist es aber im Falle von Paterson nicht. Denn dass beides naturgemacht ist, darf man wohl sagen. Und Paterson mag Naturgemachtes. Das bedeutet für ihn allerdings nicht, dass man alles bei der ersten Version belassen muss, die von der Natur vorgeschlagen wird. Zum Beispiel beim Single Malt. Man darf Hand anlegen und künstlerisch tätig werden. Blenden, zum Beispiel. Paterson mag Single Malts genauso sehr wie Blended Scotch: „I love them all.“ Derzeit am liebsten ist ihm Dalmore’s King Alexander, auch die Marke mit dem Hirschen gehört zu Whyte & Mackay.

Und Paterson mag Pasta. Darunter am liebsten Spaghetti Bolognese. Das hätte man sich denken können, denn Paterson mag die einfachen, die guten Dinge. Das ist Patersons Leidenschaft und so kommt er auch dazu, das Verhältnis von Whisky und Sherry mit einem verliebten Paar zu vergleichen. Überhaupt kann man Whisky mit Liebe vergleichen, findet Paterson. „Love makes the world go round, that’s what people say,“ sagt wiederum Paterson. Aber das sei Quatsch: „Whisky makes the world go round as twice as fast.

Und während man noch überlegt, ob ein King Alexander wirklich zu Bolognese passen könnte, erzählt Paterson von seiner nächsten Dalmore-Abfüllung in fünf verschiedenen Finishes und man möchte die Bolognese am liebsten direkt in einem der Fässer kochen. Richard Paterson schafft es auf eindrücklichste Art, die Dinge, die er in nahezu jedem Interview erzählt, so zu erzählen, dass man meinen möchte, er vertraue einem gerade die Whiskywahrheit selbst an. Er könnte genauso gut Koch- oder Kinderbücher schreiben, man würde sie ähnlich gebannt lesen, wie man ihm an den Lippen hängt.

Man möchte sich eine Scheibe von Richard Paterson abschneiden. Oder einschenken. Das ist einfacher und schmeckt vermutlich besser.

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