TOP

Scotch Royal: Zimt bleibt draußen!

Marie Rausch, die Macherin der Restaurant-Bar Rotkehlchen in Münster, verrät den  besonderen Drink, den sie zum Festtagsbraten einschenkt. Ihr entspannter und zugleich edler Scotch Royal kommt ganz ohne Zimt aus, verströmt aber trotzdem – oder gerade deswegen – jede Menge Zauber. 

Draußen in der Kälte hängt der Meisenknödel, im Backrohr schmurgelt das festliche Geflügel – und das Cocktailrezept dazu tschilpt uns ein Rotkehlchen. Denn nach diesem Vogel benannte Marie Rausch ihre Restaurant-Bar in Münster. Er war der gefiederte Lieblingsgast im Garten ihrer österreichischen Großmutter und führt heute als Maskottchen durch die Karte im „Wohnraum mit Küche und Bar“ in der Wasserstraße. Dass man Cocktails zu traditionellen Gerichten nicht nur dann und wann reichen kann, sondern permanent als fixen Menü-Bestandteil einplanen soll, beweist sie mit ihrem Mann Nicklas, einem Spitzenkoch, hier das ganze Jahr über.

Nicht mit Häppchen am Tresen oder mit Miniatur-Drinks als Gimmick zur Schlachtplatte wird hier gearbeitet; ernsthaft abgestimmt und als Teil der Speisenfolge pflegt man diese Disziplin im Westfälischen. Die Bezeichnung „Cocktail Pairing“ hört Marie daher auch recht ungern, weil sie immer noch sprachlichen Hautgout mitbringt, also immer ein wenig nach Blauschimmel-Cracker zum Old Fashioned klingt. Außerdem huldigt man nicht dieser Phantom-Kategorie, die abseits von Spirituosen-Präsentationen und Cocktail-Wettbewerben ohnehin kaum je gesichtet wurde. Mit saisonal wechselnden Menüs werden im Rotkehlchen Küche und Bar nämlicher gleichermaßen gefordert. Aromatische Unterordnung ist nicht!

Die Würzung liefert dem Koch die Bar

„Bei einem Cocktail-guided Menu“, wie Marie die Kooperation mit ihrem Nicklas lieber nennt, müsse man viel mehr aufpassen, „dass sich die Zutaten der Speisen und Getränke ergänzen und nicht eins zu eins verarbeitet werden. Natürlich darf bei einem Sechs Gang-Menü, wie wir es anbieten, auch mal eine Dopplung sein“, gibt die Rotkehlchen-Chefin ein winterliches Beispiel, wie die Partner-Suche mit ihrer Leidenschaft für Gemüse im Drink funktionieren kann. „Wenn man auf dem Teller einen schön schlotzigen Rotkohl hat, darf im Glas gerne eine etwas bissigere Spirituose sein, die auch mit Rotkohl infusioniert ist – dann aber mit rohem“, lacht die Hut-Trägerin schelmisch.

Daran schließt sich in Münster gleich ein kleiner Crashkurs in Sachen Cocktails zum Essen an. Das stärkste Gewürz als Leitplanke für die Bar muss nämlich nicht immer die Aromatik des Drinks mitbestimmen, so „Cocktailköchin“ Marie. Zuviel der gleichen Aromen übersättigt einfach. „Bei Gewürzen verfahre ich oft so: Wenn im Essen Zimt ist, kommt der Drink ohne Zimt aus. Ist das Essen eher neutraler, dann darf der Drink etwas verrückter ausfallen.“

Damit auch der Bartender feiern kann

Womit mit Zimt auch schon ein wichtiges Stichwort genannt wurde und das Feld adventlich bestellt wäre für das Rezept, das zu gebratener Pute bzw. Weihnachtsgans aufgetischt wird an Heiligabend. Dass man nach den Punsch- und Lebkuchenorgien der Vorweihnachtszeit nicht auch am 24. Dezember einen „verzimteten“ Cocktail braucht, hat Marie jedenfalls einkalkuliert: „In den Speisen sind schon so viele Gewürze verarbeitet, dass ich mit dem Drink in diesem Fall ein eher puristisches Statement setzten möchte.“

Konkret gibt es als Festtagsbraten nämlich geräucherte, rosa Entenbrust mit Tannennadel-Jus, Pumpernickel-Brotpudding und Orangen-Kardamom-Rotkohl. Der begleitende Cocktail kommt – rechtzeitiges mis-en-place vorausgesetzt- dafür mit zwei Zutaten aus.

Der dazu gereichte Münsteraner Scotch Royal trägt aber auch einer anderen Erfahrungstatsache Rechnung: „Er ist festlich, aber einfach!“

Schließlich will man als Bartender nicht auch den gesamten Weihnachtsabend mit Mixen zubringen. Statt dem Pfefferstreuer kommt dann eben dieses Jahr das Sektglas auf den Festtagstisch. Dann fällt Tante Lotte vielleicht auch endlich von selbst ein, was ihr „Kleiner“ heute arbeitet. Frohes Fest!

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

Comments (4)

  • Stefan

    Ich habe eine Frage zu dem Sirup:
    Ich habe sechs Orangen. Was meint ihr denn mit einem Teil? Könnt ihr das genauer spezifizieren? Koche ich die Filets mit?
    Der Cocktail klingt für mich als Champagner- und Ardbeg-Freund richtig Klasse, aber …
    Hoffe ihr könnt mir helfen

    reply
    • Redaktion

      Hallo Stefan,

      wir geben Dir Recht damit, dass diese Formulierung nicht exakt ist. Sie hat uns so erreicht. Wir haben die Urheberin des Drinks soeben noch einmal kontaktiert – vielleicht kann sie ja ein wenig Licht ins voradventliche Ardbeg-Dunkel bringen.

      Liebe Grüße aus Berlin
      // Nils Wrage

      reply
      • Marie

        Hallo Stefan,

        Danke für deine Frage!

        1 Teil heißt immer es liegt natürlich an der Menge der Orangen, die du verarbeiten möchtest.

        Bei 6 Orangen würde ich 4 pressen und zu Sirup verarbeiten, 2 filitieren ( und den restlichen Saft mit verkochen) und die Filets in den fertigen Sirup dazugeben, solange dieser noch warm ist.

        Dann können sie kurz Ängsten verlieren aber nicht an Form & Konsistenz

        Viel Spaß beim ausprobieren und heb doch gerne nochmal Feedback oder schreib mir bei weiteren Fragen an : [email protected]

        Cheers Marie

        reply
        • Marie

          Ängsten heißt eigentlich mitgaren

          reply

Kommentieren